Süßer die Kassen nie klingeln? Die Vorweihnachtszeit ist für den Handel wichtig, für kleine Betriebe vielleicht sogar überlebenswichtig. Das ist die eine Seite. Auf der anderen stehen manche Einheimische, denen es in der Innenstadt zu voll ist. Am Donnerstag startet auch noch der Weihnachtsmarkt. Schnell wird das Bild vom Konsumparadies Konstanz beschworen, das einen Kniefall vor dem Kommerz mache. Aber stimmt das eigentlich?
Wir Konstanzer dürfen froh und glücklich sein, dass in der Innenstadt Leben herrscht. Wie gruselig war während der Corona-Lockdowns ein Spaziergang durch die leere, tot wirkende Altstadt? Solch ein Zustand ist nicht wünschenswert, darüber dürfte wohl Einigkeit bestehen.
Konstanz ist glimpflich aus der Krise gekommen
Es folgte das Zittern und Bangen, wie viele Unternehmen die Pandemie überstehen würden. Glücklicherweise war die Stadt attraktiv genug, dass Touristen hier schnell wieder Urlaub machten und die Schweizer – nach einigem Zögern – zum Einkaufen zurückkamen. Konstanz ist glimpflich aus dieser Krise gekommen, im Gegensatz zu anderen Städten, die noch immer darum kämpfen müssen, neue Geschäfte anzusiedeln, um zu ihrer alten Attraktivität zurückzufinden.
Konstanz hat sich – aufgrund der Lage und der (noch) intakten Innenstadt – nicht ganz so schwergetan. Trotzdem gibt es keinen Grund, sich auszuruhen. Im Gegenteil: Die Konkurrenz schläft nicht! Allen Fachleuten zufolge ist der Mix aus inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften, Filialisten und Gastronomiebetrieben unterschiedlicher Ausrichtung entscheidend. Das weiß man auch anderswo.
Die Stadt hat einiges an Nachholbedarf
Wesentlich ist darüber hinaus die Vielfalt an Preissegmenten. Genau da tut sich Konstanz seit vielen Jahren schwer: Es gibt Billigketten und Nobelläden, während das mittlere Preissegment immer seltener zu finden ist. Da gilt der dringende Appell den Hauseigentümern. Sie haben es in der Hand, wie sich der innerstädtische Mix entwickelt. Sie sollten sich fragen, was passiert, wenn sie das x-te Nagelstudio wirklich einem kleinen inhabergeführten Fachgeschäft, das möglicherweise weniger Miete zahlen kann, vorziehen.
Nachholbedarf gibt es ebenso bei der werblich strapazierten „Stadtschönheit“. Politik und Verwaltung sollten hier endlich handeln. Was zu tun ist, ist längst bekannt. Die Marktstätte, für deren Verschönerung seit über zehn Jahren diverse Konzepte in den Schubladen gammeln, ist alles andere als ein einladendes Entree. Bei der umgestalteten Marktstätten-Unterführung hat die Stadtverwaltung auf jegliches Grün verzichtet – als gäbe es keinen Klimawandel.
Die Wirtschaft ist wertvoll für den Stadtsäckel
Doch Nachhaltigkeit hat auch eine wirtschaftliche Dimension. Hier sollten Politik und Verwaltung dringlichst die Rahmenbedingungen für Handel und Gastronomie verbessern. Schließlich sind diese Wirtschaftszweige wertvoll für die Stadt.
Der Wert lässt sich in Zahlen bemessen, denn durch Handel, Gastronomie und Hotellerie werden etwa ein Drittel der Gewerbesteuereinnahmen (etwa 13,3 Millionen Euro im Jahr 2023) und etwa einer halben Milliarde Euro Kaufkraft im Jahr in den ziemlich leeren Geldbeutel der Stadt gespült. Hinzu kommen Parkgebühren, Bettensteuer, Eintrittsgelder. Die Stadt sollte also nicht den Ast absägen, auf dem sie sitzt.
Die Stadt sägt am Ast, auf dem sie sitzt
Aber sie ist bereits am Sägen. Von einem digitalen Verkehrsmanagement wird seit Jahren gesprochen, doch noch immer müssen Kadetten an den Hochlasttagen den Verkehr regeln. Trotzdem kommt es zu Behinderungen, die durch die aktuellen Baustellen noch verschärft werden.
Ein Parkhaus am Döbele, das vor über 20 Jahren schon Thema war, hätte gerade die Einkaufsgäste rechtzeitig abgefangen und die Bodanstraße entlastet – und das Gebäude hätte sich längst amortisiert und Gewinn abgeworfen. Aber nein, Konstanz leistet sich noch immer den Luxus, über das Parkhaus zu diskutieren und über die Anzahl der Stellplätze zu streiten.
Die Abstimmung im – auch durch Online-Handel härter werdenden – Wettbewerb der Handelsstandorte findet auf der Straße statt. Die Kunden bestimmen, wie sie wohin kommen. Autos, zumal wenn sie immer häufiger elektrisch fahren, per se zu verbannen, wäre fatal.
Der Mensch ist bequem und will seine Einkäufe nicht weit tragen. Ein Umstieg auf den Öffentlichen Nahverkehr kann nur funktionieren, wenn dieser schnell, einfach, preiswert und zuverlässig ist. Hier hat Konstanz noch einen Weg zu gehen. Dass das Aussperren des Autoverkehrs Schaden anrichten kann, sieht man am Beispiel Lindau, wo die Einzellandschaft auf der Insel schon heftig bröckelt.
Die Stadt Singen sieht sich als Möglichmacher
Singen hat sich dagegen längst entschieden. Die Innenstadt hat Magnete hinzugewonnen, die Fußgängerzone wurde – auch in Sachen Bodenbelag – aufgewertet und der Bahnhof zur Mobilitätsdrehscheibe ausgebaut. Ruckzuck ermöglichte die Stadt beim Bahnhof und somit der Pforte zur Innenstadt ein Parkhaus. Langer Park-Such-Verkehr, der sinnlos Emissionen erzeugt, ist hier eine Seltenheit. So arbeitet die Hohentwielstadt sukzessive an einem Rundum-Wohlfühl-Paket für die Gäste, denn Kaufkraft von außen brauchen alle.
In Konstanz hingegen mangelt es an Willkommenskultur. Die Bürger maulen über Einkaufstouristen, und die Stadt lässt diejenigen, die einen Teil zum Wirtschaftsstandort beitragen, im Stau stehen. So werden über kurz oder lang Einkaufswillige vergrämt. Wenn Konstanz so weitermacht, verliert es an Attraktivität. Leerstand, Arbeitslosigkeit, fehlende Einnahmen wären die Folgen.
Wir müssen handeln – und zwar jetzt
Jetzt ist die Zeit zum Handeln, damit die Stadt nicht in diesen Teufelskreislauf gerät. Die Entscheidungsträger sind genauso dazu aufgefordert wie jeder einzelne Bürger. Anstatt sich über die sogenannten Einkaufstouristen aufzuregen, sollten wir sie als Gäste wertschätzen, denn sie tragen ihren Teil dazu bei, dass Konstanz lebens– und liebenswert ist.