Im Dorf Wangen am Bodensee passiert Ungewöhnliches: Für die bevorstehende Ortschaftsratwahl am 9. Juni schlossen sich 13 junge Bürger erstmals zu einer eigenständigen Liste zusammen. Dabei geht es ihnen um nichts Geringeres als um ihre Zukunft im Dorf. Dafür wollen sie Wege zeigen und nannten ihre Liste deshalb „Zukunftswege Wangen“ (ZWW). Das Besondere an dieser Kandidatenliste ist, dass ihr Durchschnittsalter 26 Jahre beträgt – und dass der Älteste auf dieser Wahlliste gleichzeitig so alt ist wie der jüngste Kandidat auf der Konkurrenzliste, der Unabhängige Ortschaftsratsliste (UOL).
Doch wer vielleicht glaubt, dass diese jungen Menschen Flausen im Kopf hätten, liegt vollkommen falsch. Sie stehen nahezu komplett im Berufsleben, sind im und mit dem Dorf sehr gut vernetzt und engagieren sich als Vereinsmitglieder oder bei der Freiwilligen Feuerwehr für ein funktionierendes Dorfleben. Der SÜDKURIER traf sich mit vier der 13 Kandidaten.
Selbst Verantwortung übernehmen
Die Kandidaten der neuen Liste Zukunftswege Wangen sind im Dorf integriert und miteinander befreundet. „Wir leben alle für das Dorfleben und wollen im Dorf mitwirken“, sagt Zimmermeister Simon Braig.
Mehrere Kandidaten seien zunächst von der Konkurrenzliste angesprochen worden, erinnert sich der 26-Jährige. Sie überlegten sich das, entschieden sich jedoch für eine eigene Liste: Erstens, weil sie genügend Leute hätten, die Lust auf ein Mitgestalten haben, und weil sich zweitens die Chance für einen Einzug in den Ortschaftsrat so erhöhen würde. „Wir sollten die Möglichkeit nutzen, selbst die Verantwortung zu übernehmen und selber entscheiden“, sagt Simon Braig.
Lebensmittelpunkt in Wangen
„Was uns auf der Liste verbindet, ist unser Alter und dass wir unseren Lebensmittelpunkt in Wangen haben“, erklärt Titzian Bohner: Alles, was in den nächsten Jahren im Dorf passieren wird und wie sich Wangen weiterentwickeln werde, liege deshalb im Interesse der Kandidaten, sagt der Gärtner für den Obstbau und 22-jährige Zimmermann.
Luise Arnolds ist 23 Jahre jung und formuliert das Anliegen der Liste mit griffigen Worten: „Wir wollen unsere Zukunft in Wangen mitentscheiden. Denn alle Entscheidungen, die jetzt im Dorf getroffen werden, werden uns künftig begleiten“, sagte die Studentin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Konstanz. Es würde nichts bringen, wenn sie sich später beschweren würden, sagte Arnolds.
Veränderungen sollen angestoßen werden
Titzian Bohner gibt dafür ein Beispiel: Jeweils ein Drittel der Dorfbewohner seien entweder für oder gegen einen Sendemast für den Mobilfunk. Das letzte Drittel enthalte sich der Meinung. Dabei wollten alle telefonieren können und ein besseres Internet im Dorf haben. Deshalb sei er persönlich für einen Sendemast für den Mobilfunk.
Generell sei eine bessere Infrastruktur im Dorf Wangen wichtig. Beispielsweise für die Sanierung von Verkehrswegen und von Wasserleitungen, führt Bohner aus. In letzter Zeit sei sehr viel Geld in die Sanierung des Öhninger Chorherrenstifts geflossen – zum Nachteil für die Infrastrukturen in Wangen, sagt Bohner und bekommt ein zustimmendes Lachen von seinen Mitbewerbern.
Niemanden vor den Kopf stoßen
Im Gespräch mit Andre Löhle wird deutlich, dass die Erinnerungen der Kandidaten an die eigene Jugend nahe genug liegt, um zu wissen, was für das Dorf bewahrt werden soll. Gleichzeitig soll die Zukunft des Dorfs derart gestaltet werden, dass Wangen weiterhin für viele lebenswert bleibt.
Mit der Liste wollen die Kandidaten niemanden im Dorf vor den Kopf stoßen, sagte Andre Löhle. Die Kandidaten wollen vielmehr für sich selbst sprechen, ihre Meinung kundtun und für diese auch einstehen, so der 28-jährige Obstbauberater. Die Kandidatur sei dafür der erste Schritt in einem offiziellen Rahmen.
Freunde und Bekannte verlassen das Dorf
Obwohl die Schaffung von Wohnraum nicht explizit im Programm der ZWW erwähnt wird, so besteht dennoch ein Interesse für die Kandidaten daran – auch für den Zusammenhalt im Dorf. Schnell zählen sie eine Vielzahl von Freunden und Bekannten auf, die das Dorf mangels geeignetem Wohnraum verlassen hätten. Die Liste habe das Thema aber nicht an erster Stelle ihres Programms gesetzt, weil dessen Umsetzung extrem schwierig sei.
Es gebe sehr viele Verbesserungsvorschläge. Doch den Kandidaten sei auch bewusst, dass man die Mängel nicht innerhalb von wenigen Jahren kompensieren könne, sagte Braig.
Am Mittwoch, 29. Mai, stehen ab 19 Uhr die Kandidaten der Liste Zukunftswege Wangen (ZWW) bei einem Apérol-Abend im Stadtgarten für einen Austausch mit den Bürgern bereit.