Gleich gegenüber der Eingangstür des Falconera liegt die Küche. Besucher erhaschen einen Blick in den Raum, in dem das erstklassige Essen zubereitet wird, um dann nur wenige Meter weiter im kleinen, aber gemütlichen Gastraum serviert zu werden. Sie sehen das Reich von Johannes Wuhrer, Besitzer und Küchenchef des Falconera.
Das Restaurant ist gerade zum 21. Mal vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet worden. Die rote Plakette der Auszeichnung hängt nicht im Gastraum, sondern in der Küche. Protzen ist nicht Wuhrers Ding.
„Ich bin kein Küchenmeister, kein Sterne-Koch, ich bin ein Koch“, sagt der 57-Jährige, für den der Beruf noch immer der schönste der Welt ist. Wie er so lange seinen Michelin-Stern halten konnte? Die Antwort ist in Wuhrers Lebenslauf und Einstellung zu suchen. Er selbst unterteilt sein Leben in drei Teile, drei Jahrzehnte.
Ausbildung im Sternerestaurant
Die Zeit nach seiner Ausbildung im Luxus-Hotel Schwarzmatt in Badenweiler arbeitete Johann Wuhrer bei namhaften Sterneköchen wie Dieter Müller in der berühmten Schweizer Stuben und bei Stefan Steinheuer in der Alten Post. Dort perfektionierte er nicht nur das Handwerk, sondern lernte auch, wie eine Sterneküche und ein Familienbetrieb funktionieren.
Die Zeit beschreibt Wuhrer als Zeit des Lernens, des Ausprobierens und auch als „Maloche“, harte Arbeit, wie es im Ruhrgebiet heißt. Wuhrer ist in Singen geboren und am Bodensee aufgewachsen, doch fußballtechnisch schlägt sein Herz für den Ruhrpott-Verein Schalke 04. Bodenständigkeit ist Teil Wuhrers Arbeitsethos.
Das nächste Jahrzehnt widmete der 57-Jährige seiner Familie, deswegen eröffnete er überhaupt erst das Falconera. Der eigene Betrieb ermöglichte ihm nicht nur die Selbstverwirklichung, sondern auch mehr Zeit mit seiner Frau Anne und den beiden Kindern Annika und Philipp, heute 29 und 27 Jahre alt.
Ohne die Familie, vor allem ohne die Hilfe seiner Frau, wäre der Betrieb nicht möglich, betont Wuhrer. Die Reise als Sternekoch hätten er und Anne stets zusammen gemeistert. Sie kümmert sich vor allem um den Service und die Gästebetreuung. Doch auch die beiden Kinder sind in den elterlichen Betrieb involviert, auch wenn sie andere Karrierewege eingeschlagen haben. Das Falconera ist nicht nur ein Restaurant, sondern auch die Heimat der Familie Wuhrer.
Der Stern ist nicht mehr das Wichtigste
Johannes Wuhrer schätzt die Diskussionen über Generationen hinweg. Die heute viel diskutierte Vier-Tage-Woche habe man im Falconera schon vor sieben Jahren eingeführt. „Wir hatten damals schon ein großes Personalproblem. Wir haben jetzt Sonntag, Montag und Dienstag zu. Das macht es auch mit dem Familienleben einfacher“, so Wuhrer.
In dem aktuellen Jahrzehnt widmet sich Wuhrer seiner Leidenschaft, ohne Zwänge von außen. Er möchte lässig kochen, ohne etwas beweisen zu müssen. „Ich koche, was ich will und was ich für wichtig erachte“, sagt er. Der Michelin-Stern stehe nicht im Fokus seiner Arbeit, sondern seine Gäste. „Michelin ist unser Leben gewesen, aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei“, so der Sterne-Koch, doch er ergänzt: „Obwohl es natürlich schon weh tun würde.“

Die Schwierigkeiten der Gastronomie sieht Wuhrer mit gemischten Gefühlen. Doch wehrt er sich gegen die Negativ-Haltung vieler Gastronome, die sich über Inflation und Personalmangel beschweren. Und er sieht dabei auch sich in der Verantwortung: „Ich versuche jungen Köchen ein Vorbild zu sein und Motivation zu geben, diese harte Arbeit auf sich zu nehmen“, so der 57-Jährige. In der Gesellschaft erlebe er einen Wandel, auch beim Essen. Vor diesem Wandel hat Wuhrer keine Angst, er möchte ihn lieber gestalten. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht.
s‘Äpfle möchte neue Wege gehen
Im Wandel befindet sich auch das Restaurant s‘Äpfle in Bodman. Von 2020 bis 2023 hatte das Lokal im Hotel Linde unter Küchenchef Kevin Leitner einen Michelin-Stern. In diesem Jahr hat es die Auszeichnung nicht mehr bekommen. Leitner hatte den Betrieb 2022 verlassen. Hotelbesitzer Christopher Wolfram von Prack erklärt die Hintergründe: „Der Guide Michelin ist die Formel 1 der Kulinarik“, sagt er. Doch der Rennzirkus sei nicht mehr das, was Prack im Äpfle sehe.
Regionalität vor Exklusivität
Er habe sich in die Region schockverliebt und schätze vor allem auch die Vielfalt und Qualität der Produkte vor Ort. Doch erwarte die Sterne-Küche exotische Früchte und importierte Weine. Für Prack zum einen eine finanzielle Frage, denn er müsse schließlich die Bestellungen der Küche bezahlen, zum anderen eine Frage der Philosophie.
Es gehe um Tierwohl, Nachhaltigkeit, Transportwege und ökologischen Anbau. Produkte wie Foie gras, also Gänsestopfleber, lehne er aus Tierschutzgründen ab. Doch gehöre sie noch immer fest zum Repertoire der Sterneküche. „Und warum sollte ich Fisch aus der Bretagne einfliegen, wenn der See vor der Haustür liegt?“, fragt Prack.
Den Ausflug in die Sterneküche bereut der Hotelmanager nicht. Es sei aufregend gewesen und gehöre zu den tollsten Erlebnissen seiner Karriere, sagt er. Doch sei dieses Kapitel für ihn abgeschlossen. Er wolle noch immer hochklassige Küche im Äpfle anbieten, doch ohne den Druck des Michelin-Sterns. Den passenden Koch für dieses neue Kapitel im Äpfle suche er noch. Einen angemessenen Arbeitsplatz könne er im Hotel Linde anbieten, eine große und modern ausgestattete Küche wartet dort – und die Seesicht gibt es sogar vom Herd aus.