Ob das gut geht? Der Gemeinderat Radolfzell hat sich in der Haushaltsberatung 2020 seines Lieblingsspielzeugs entledigt. Mit der Streichung aller Mittel für das Projekt Seetorquerung braucht es keine Debatten mehr über Sinn, Unsinn, Zweck und Ausstattung einer neuen Unterführung von der Stadt an den See. Neue Mehrheiten im Gemeinderat haben dem Thema endgültig den Garaus gemacht. 

Wann Schluss ist

Endgültig? Mindestens einmal müssen die Stadträte noch einmal darüber reden. Der Grundsatzbeschluss, das Ding zu bauen, ist durch das schnöde Verweigern von Geld nicht aufgehoben. Also müssen sie noch einmal ran. Dann dürfen sie darüber mit Weh und Ach klagen, wie sie was wann wo gesagt haben und warum die Seetorquerung die richtige oder doch falsche Entscheidung gewesen wäre. Auch wäre das noch einmal ein Anlass darüber zu spekulieren, wo die wirklichen Mehrheiten in der Bevölkerung verlaufen. Aber dann ist wirklich Schluss.

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Wirklich? Vielleicht kocht das Thema neue Unterführung wieder richtig hoch, wenn die Deutsche Bahn der Stadt Radolfzell die Rechnung für die Absenkung der Bahnsteige auf Zugniveau präsentiert. Denn das darf sie, um die Barrierefreiheit im Bahnhof zu erreichen. Wetten, dass da ein Stadtrat auf den vielleicht nachvollziehbaren Gedanken kommt: „Für ein paar Millionen mehr hätten wir eine neue Unterführung bekommen.“

Im Laufe der Jahre summieren sich die Millionen

Hoffentlich kommt es zu solch einer Aufrechnung nicht. Denn das Thema ist wirklich durch. Es wurde viel zu lange geredet und geplant, ohne dass tatsächlich etwas passiert ist. Ein Bürgerentscheid ist am Quorum gescheitert, der OB ist aus dem Projekt ausgestiegen, weil er der Bahn nicht mehr vertraut hat, sein Brückenkonzept konnte den Gemeinderat nicht überzeugen. Die modifizierte Vorzugsvariante mit dem Bau einer neuen, kürzeren (24 Meter) und breiteren (8,50 Meter) Unterführung blieb der Weisheit und der anfangs großen Gemeinderatsmehrheit letzter Schluss. Wenn da nicht Jahr um Jahr, Million um Million im Laufe des Verfahrens dazu gekommen wäre.

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Die wahren Kosten bleiben Spekulation. Dennoch, die Themen Geld und Zeit haben der Seetorquerung den Lebensnerv geraubt. Jede neue Schleife im Verfahren hat Zeit gekostet, mit jedem Jahr Planung ist das Projekt teurer geworden. Mit jeder neuen Kostenschätzung haben die Kritiker mehr Überzeugung für ihre Argumente gewonnen. So lange die Gewerbesteuereinnahmen in Radolfzell jedes Jahr neue Rekordzahlen erreichten, so lange war das kaum ein Problem.

Die Pflicht ruft

Jetzt ist diese Zahl eingebrochen. Stadtverwaltung und Gemeinderat bemerken, dass sie andere Themen vernachlässigt haben. Die Pflicht, Bau und Sanierung von Kindergärten, Schulen und Brücken, ruft. Die Kür, eine neue Unterführung an den See, kann warten. Sagen wir: bis Ende des Jahrhunderts.