Der Kirche wegen auf Feiern oder ein gemütliches Bier in der Kneipe zu verzichten – für viele junge Leute ist das unvorstellbar. Nicht so für Jannik Wörner. Der 20-Jährige Oberministrant der Pfarrgemeinde Münster Unserer Lieben Frau in Radolfzell stellt Treffen mit seinen Freunden auch einmal hinten an, wenn er am nächsten Tag zum Ministrieren eingeteilt ist und deshalb früh aufstehen muss. „Das braucht Überwindung“, gibt er zu. „Aber hinterher bin ich über die Entscheidung immer froh, weil es mir ein gutes Gefühl gibt, dass ich etwas sinnvolles tue.“
Mit der Zeit kam der Ehrgeiz
Jannik Wörner trat 2008 den Ministranten bei, direkt, nachdem er seine Erstkommunion gefeiert hatte. Seit fast elf Jahren gehört er mittlerweile der Gruppe von Messdienern am Radolfzeller Münster Unserer Lieben Frau bereits an, seit dem Jahr 2014 leitet er sie gemeinsam mit Sarah Grünfelder als Oberministrant. Dass er sich einmal so sehr engagieren würde, war lange nicht klar: „Ich war früher echt inaktiv“, erzählt der junge Mann mit den schulterlangen Haaren und dem silbernen Kreuz am Handgelenk. Er sei selten zum Ministrieren erschienen, bis ihn schließlich eines Tages der Ehrgeiz packte und er immer öfter zum Gottesdienst ging. Der Einsatz für die Kirche ließ ihn schließlich die Organisation der Angelegenheiten der Ministranten übernehmen, als der ehemalige Oberministrant sein Amt aufgab.

Zu Jannik Wörners Aufgaben gehört neben der Organisation von Ausflügen und der Einteilung der übrigen Ministranten zu Diensten wie Gabenbereitung, Kollekte oder das Tragen des Rauchfasses auch der Austausch mit den anderen Pfarrgemeinden. Weil die Ministranten der Münsterpfarrei an Hochfesten wie dem Hausherrenfest auf Messdiener aus der Kirche St. Meinrad und aus den Radolfzeller Ortsteilen treffen, gilt es, mit deren Oberministranten vorab den Ablauf zu regeln. Aber auch mit anderen Gruppen wie dem Münsterchor, den Pfarrern und Diakonen und den Eltern der anderen Ministranten steht Jannik Wörner regelmäßig in engem Kontakt. „Man kennt und hilft sich“, sagt er.
Ein umfangreicher Aufgabenbereich
Zudem ist Jannik Wörner dafür zuständig, die neuen Ministranten auszubilden und somit fit für den Dienst während der Gottesdienste zu machen. Wie verlaufen die Wege zwischen dem Altar, den Sitzen und den Gottesdienstbesuchern? Wann ist es Zeit, zu stehen, zu sitzen oder zu knien? Einmal in der Woche bringt Jannik Wörner während der Schulzeit den fünf diesjährigen Neulingen das bei. „Ich bin natürlich kein Liturgieprofi“, stellt er klar. Unterstützung gebe es deshalb unter anderem von Diakon Michael Dohm, der die Einführungskurse der Ministranten zu früheren Zeiten geleitet habe.
Zeitgleich setzt Jannik Wörner sich zusammen mit den andern Ministranten für den Wachstum ihrer Gruppe ein. Obwohl es derzeit beim Münster 50 Messdiener gibt, sollen in Zukunft aktiv Werbung gemacht und Neulinge angeworben werden. Dafür planen die Ministranten unter anderem, einen Film über ihren Dienst und ihre Freizeitaktivitäten zu drehen und wenn möglich an Schulen präsent zu sein. Die letzten Jahre sei man zu inaktiv gewesen, sagt Jannik Wörner. Das soll sich nun ändern, damit die Ministrantengruppe anwachsen kann. „Potenzial ist auf jeden Fall da“, ist sich der 20-Jährige sicher. „Ich bin da zuversichtlich.“
Schließlich gebe der Ministrantendienst und die Gemeinschaft der Jugendlichen den Mitgliedern auch sehr viel zurück. „Man kann mit dem Ministrantendienst sehr viel wachsen“, versichert Jannik Wörner. Gerade, wer nach und nach mehr Aufgaben übernehme, könne Verantwortung lernen. Er selbst habe durch seine Position als Oberministrant gelernt, zu organisieren und zu koordinieren – und das sei auch für andere Bereiche im Leben sehr nützlich.
In Zukunft könnte die Zeit knapper werden
All die Aufgaben kosten den 20-Jährigen viel Zeit. Oftmals muss er auch spontan verfügbar sein, um schnell auf Neuigkeiten zu reagieren. „Es braucht wirklich Zeit“, sagt Jannik Wörner. „Man muss aber vor allem auch Lust haben.“ Noch habe er beides, ab dem kommenden Frühjahr könnte aber zumindest die Zeit knapper werden. Dann möchte Jannik Wörner eine Ausbildung als Musical-Darsteller beginnen, auf die er sich derzeit bewirbt. Danach kann er sich vorstellen, Philosophie studieren zu gehen.
„Es wird sich schon etwas ändern“, ist er sich sicher. Oberministrant möchte er nach Möglichkeit aber dennoch bleiben – solange das für die übrigen Ministranten in Ordnung ist. „Momentan gäbe es auch gar keinen Ersatz“, sagt er. Die jüngeren Ministranten seien zu jung, die älteren haben zu wenig Zeit. Aber organisatorische Aufgaben ließen sich schließlich auch spontan nebenbei erledigen, nach der Arbeit oder am Wochenende. Was aber tatsächlich die Zukunft bringt, das möchte Jannik Wörner erst einmal abwarten.
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- Jedes Jahr werden die Erstkommunikanten, die Ministranten werden möchten, in Radolfzell in einem Einführungskurs ausgebildet. Aber auch ältere Jugendliche dürfen noch zu Ministranten werden