Herr Moßbrucker, Sie sind seit zwölf Jahren Elefantenschützer auf Sumatra. Was ist Ihre Motivation bei dieser Aufgabe?
Ich bin auf der Höri aufgewachsen und habe mich schon immer für Natur und Tiere interessiert. Daher habe ich mich nach der Schule auch für ein Biologie-Studium entschieden. In dieser Zeit habe ich festgestellt, dass die Natur in vielen Gebiete der Erde missbraucht wird. Aber das bringt niemandem etwas. Irgendwann ist das Ökosystem kaputt und niemand kann sich mehr an der Natur und dem Tierreichtum erfreuen.
Wie kamen Sie nach Indonesien?
Dass ich nach Indonesien gekommen bin, war Zufall. Im Jahr 2008 hat mich meine Professorin zu einem Forschungsprojekt auf Sumatra vermittelt. Dort wurde jemand gesucht, der Elefanten zählt. Aufgrund eines Forschungsprojekts in Polen hatte ich Erfahrung mit europäischen Bisons – und Elefanten fand ich superspannend. Das Projekt dort hat mir gefallen und ich habe mich weiter engagieren wollen. Damals bin ich auch das erste Mal einem Sumatra-Elefanten begegnet.

Was fasziniert Sie an Elefanten?
Wenn man einen Elefanten im Zoo sieht, ist es ein eher langweiliges Tier. Wenn man ihm aber in der Wildnis begegnet, bin ich mir sicher, dass es jedem, so geht. Es sind sehr soziale und intelligente Tiere. Mich fasziniert, wie sie leben. Ich war mehrmals in Afrika, dort sieht man viele Elefanten in einem Nationalpark herumlaufen. Auf Sumatra sieht man sie dagegen selten. Daher ist jede Begegnung ganz etwas Besonderes.
Was meinte Ihre Familie, als Sie sagten, Sie wollen Elefantenschützer auf Sumatra werden?
Es ist natürlich so, dass Eltern Sorgen haben, wenn das Kind etwas Exotisches und Gefährliches macht. Ich habe die ganze Zeit Wildtiere um mich herum. Ich hatte Malaria und Dengue-Fieber – Krankheiten, die sehr gefährlich sind. Zusätzlich hat man als Naturschützer keinen sicheren Job. Ich habe niemanden, der mir die Rente zahlt. Ich muss mich privat absichern. Das ist nicht einfach mit dem, was man als Naturschützer verdient. Das sind Sachen, die man als Eltern nicht gern hört. Für die Eltern wäre es am besten, wenn man Arzt oder Anwalt wäre. Ein sicherer Job mit einer guten Altersvorsorge. Ich denke, meine Eltern und die Menschen, die mich kennen sind stolz auf meine Arbeit. Ich habe viel eingesteckt, viel für meine Arbeit aufgeopfert. Das war es mir bislang Wert.
Welche Maßnahmen setzen Sie und Ihre Kollegen auf Sumatra um?
Oft kommt es im Raum des Nationalparks zu Konflikten zwischen Dorfgemeinschaften und Elefanten. Elefanten beschädigen beispielsweise die Felder und das Aufeinandertreffen kann tödlich enden, sowohl für die Menschen als auch für die Tiere. Zur Vermeidung haben wir beispielsweise seit 2012 ein Frühwarnsystem organisiert, das bereits sehr viel geholfen hat. Dafür haben wir an jeder Gruppe Elefanten ein Halsband mit GPS-Sender, sodass wir wissen, wo sie sind. Sie können dann ihre Felder bewachen. Wir haben den Dorfgemeinschaften beigebracht, wie sie sich sicher gegenüber den Tieren verhalten. Außerdem haben wir Stromzäune zum Schutz von Feldern gebaut. Zudem haben wir einen Mikrofonds aufgesetzt, mit dem sich die Dorfgemeinschaften den Schutz vor den Elefanten finanzieren können und nicht mehr nur abhängig sind von Spenden. So kann sich auch der ärmste Farmer ein Schutzsystem leisten.

Wie viele Sumatra-Elefanten gibt es noch?
Man schätzt und hofft, dass es noch rund 1000 sind. So ganz genau sind die Schätzungen aber nicht. Sie gehen zwischen 800 und 1400 auseinander. Es gibt einige Gebiete, wo man die Zahl weiß. Von diesem Kenntnisstand aus, hat man die Zahlen auf das Gebiet des Nationalparks hochgerechnet. Es sind aber viele Gebiete als Elefantengebiet klassifiziert, die sich in sehr steilem Gelände befinden. Elefanten leben da nicht gern. Solche Gebiete sind mit reinberechnet. Fast alle Nationalparks auf Sumatra sind auf so steilem Gelände, was nicht nutzbar ist für Menschen. Dementsprechend glaube ich, dass wir rund 1000 haben oder weniger.
Und wie steht es um den Regenwald von Sumatra?
Das ist nicht genau bekannt, offizielle Zahlen sind fehlerhaft. In den letzten Jahrzehnten wurden aber unglaublich große Flächen entwaldet. Im Jahr 1985 waren noch 57 Prozent der Insel bewaldet im Jahr 2016 waren es nur noch 25 Prozent. Der Regenwald ist nicht mehr zusammenhängend, sondern in Form von kleinen Parzellen oder Inseln. Die Fragmentierung gibt es auch bei den Sumatra-Elefanten. Sie haben riesige Streifgebiete. Das sind mehrere hundert Quadratkilometer.
Was kann man als Einzelner gegen diese Entwicklung aus der Ferne tun?
Einerseits kann man natürlich Geld an Naturschutzorganisationen spenden. Die Großen benötigen aber viel Geld für Administration. Ich bin überzeugt, dass kleine NGOs besser arbeiten. Dort kommt meist mehr Geld bei den Projekten an. Wir haben beispielsweise keine Verwaltungskosten, alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich und Spenden kommen nahezu eins zu eins in Sumatra an. Andererseits sollte man sich Gedanken um Ressourcen machen. Da geht es manchmal auch um Kleinigkeiten: Man sollte jeden Tag überlegen, ob ich weißes Druckerpapier brauche oder lieber Recyclingpapier? Müssen es Möbel aus Tropenhölzern sein? Oft gibt es Alternativen und es ist es nur ein kleiner Mehraufwand.
Oft verdammen Naturschutzorganisationen Palmöl. Können Sie auf Produkte mit Palmöl verzichten?
Tatsächlich ist es so, dass ein Großteil der Abholzungen im tropischen Flachland dafür, für Kautschuk oder Zellstoff für Papier verloren geht. Man kann es aber nicht verbieten. Wenn man eine Alternative zum Palmöl hat, wäre das gut für uns auf Sumatra. Aber auch die Alternative wird irgendwo produziert und das Problem verlagert sich nur. Aber man könnte man sich informieren, welche Produkte von NGOs gutgeheißen werden und dementsprechend als Kunde entscheiden.
Was macht Ihnen Mut bei Ihrer Arbeit?
Die jungen Leute machen mir Mut. Nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in Indonesien. Deshalb setze ich mich auch für die Studenten, Wissenschaftler und Naturschützer ein und habe dafür meinem Verein SECI gegründet. Außerdem gibt noch eine kleine Anzahl von Sumatra-Elefanten, die für den Erhalt aber ausreicht. Man könnte es schaffen, diese Spezies zu erhalten. Ebenfalls habe ich das Gefühl, dass beim Umweltschutz ein Umdenken stattfindet. Das merke ich immer, wenn ich nach Deutschland komme. Ich habe langsam nicht mehr das Gefühl, dass Naturschützer Exoten sind. Die Menschen realisieren, dass Ressourcen limitiert sind und dass wir auf unsere Umwelt acht geben müssen, um unsere Lebensgrundlage und -qualität zu erhalten.
Sie waren seit der Pandemie nicht mehr in Indonesien. Wann geht es wieder los?
Ich hoffe, in den kommenden Wochen, ich stehe in den Startlöchern. In Indonesien gehen die Corona-Zahlen wieder runter. Viele meiner Kollegen hatten leider Corona. Das bedeutet aber, dass man sie nach ihrer Genesung und die Projekte hoffentlich bald wieder besuchen kann.