Es war mal wieder eine lange Sitzung im Radolfzeller Gemeinderat. Erst um 21 Uhr, nach guten viereinhalb Stunden öffentlicher Beratung, erreichte das Gremium die Tagesordnungspunkte 14 und 15, die unter dem Punkt Stiftungsverwaltungsangelegenheiten laufen und aktuell meistens bedeuten: Es geht mal wieder ums Krankenhaus. Und genauso wenig überraschend entschied der Gemeinderat als Mitglieder der Gesellschafterversammlung der Fördergesellschaft Hegau-Bodensee-Klinikum einstimmig bei nur einer Enthaltung, dem Standort Singen-Nord als favorisierten Ort für den Neubau des geplanten Zentralklinikums nicht zuzustimmen.
Kreistag und Engen haben schon zugestimmt
Nachdem am Montagabend der Kreistag und am Dienstagabend in Engen der Gemeinderat beide dem Standort schon zugestimmt haben, wird die Ablehnung aus Radolfzell eher symbolischen Charakter haben. In Konstanz wird über den Standort am Mittwochabend verhandelt, in Singen steht eine Entscheidung erst am Dienstag, 19. Dezember, an. Wie das Votum der Gemeinderäte ausfallen wird, ist aber an diesem Punkt sicher keine Überraschung mehr.
Doch die fortgeschrittene Stunde schlug sich auch deutlich auf die bisher ziemlich ausgereizte Diskussionsfreude der Radolfzeller Stadträtinnen und Stadträte nieder. Im Schnelldurchlauf wurde beschlossen, die Frist für den Heimfallanspruch für eine etwaige Rückführung des Krankenhausgrundstücks in den Besitz des Spitalfonds zu verlängern.
Emanuel Flierl vom Fachbereich Wirtschaftsförderung und Liegenschaften berichtete kurz über gute Gespräche mit dem Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN), welches aktuell über das Krankenhaus als Gebäude verfügt, und deren Teilgesellschaft, der Fördergesellschaft Hegau-Bodensee-Klinikum mbH, welche das Grundstück auf der Mettnau im Rahmen eines Erbbauvertrags noch bis 2053 gepachtet hat. Die Vereinbarung böte beiden Seiten Luft, die noch offenen Dinge zu sortieren, so Flierl.
Räte werden bei Grundstücksanalyse unruhig
Kurz danach stellte Jan-Willem Stein vom Projektmanagementbüros Stein und Partner, die im Auftrag des GLKN die fünf eingereichten Standorte auf Machbarkeit geprüft hat, die Ergebnisse dieser Analyse vor. Schon nach der Hälfte der Präsentation stellte sich im Gremium Unruhe ein. Oberbürgermeister Simon Gröger bat, den Sachvortrag zu beschleunigen. Die Gründe, warum die beiden Radolfzeller Grundstücke nicht in Frage kommen, haben alle offenbar schon zu genüge gehört. Die Grundstücke seien nicht so gut erschließbar wie der favorisierte Standort Singen-Nord, so ein Argument.

OB Gröger fragte, ob das Lohfert und Lohfert-Gutachten in der Analyse berücksichtigt wurde und ob auch Thema gewesen sei, Doppelstrukturen abzubauen, um die Kosten zu senken. Die Stein und Partner-Analyse habe das Lohfert-Gutachten berücksichtigt, so die Antwort von Stein. Nur sei das Gutachten bei seiner Empfehlung von einer Zentralklinik von einem idealen Standort in der Mitte des Landkreises ausgegangen, sie selbst hätten die real angebotenen Grundstücke und deren Gegebenheiten analysiert. Finanzielle Belange seien dabei nicht berücksichtigt worden.
Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der Freien Grünen Liste, wundere sich über die unterschiedliche Bewertung zu den Bahnhaltepunkten und dem Abstand zur Autobahnausfahrt. Doch eine große Debatte über die einzelnen Punkte, die laut der Analyse gegen die Radolfzeller Grundstücke spreche, blieb aus. Abgelehnt wurde der Standort Singen-Nord dennoch.
Diskussion um den CDU-Antrag wurde verschoben
Auch auf der Tagesordnung stand der Antrag der CDU, über die Zukunft des Krankenhausgebäudes auf der Mettnau sprechen zu wollen. Dazu hatte die CDU-Fraktion im Frühjahr etliche Prüfaufträge an die Verwaltung gegeben, um ein mögliches Konzept für die Weiternutzung zu erarbeiten. Ins Gebäude selbst konnte die Verwaltung laut Sitzungsvorlage wohl am 6. Dezember dieses Jahres.
Aufgrund des Zustands des Gebäudes, insbesondere der technischen Ausstattung, sowie der Verflechtung der einzelnen Gebäudeteile untereinander – Teile könnten nicht autark betrieben werden – müsse wohl davon ausgegangen werden, dass bei jedweder Nachnutzung eine Kernsanierung, also ein Rückbau bis auf den Rohbau, erforderlich sein werde, so die Stadtverwaltung. Die Wirtschaftlichkeit der notwenigen Maßnahmen könne bei der Beurteilung etwaiger Nutzungen daher nicht außer Acht gelassen werden, wird in der Sitzungsvorlage deutlich gemacht.
Der GLKN selbst habe kein Interesse geäußert, das Gebäude in irgendeiner Weise noch zu nutzen. Mit den noch im Krankenhaus angesiedelten Arztpraxen stehe man in engem Kontakt, die HNO-Praxis wolle die Ergebnisse der Nachnutzungsanalyse des Gebäudes abwarten, heißt es in der Vorlage weiter. Neue Praxen dort ansiedeln dürfe die Verwaltung aktuell nicht, weil sie nicht das Recht dazu hätte. Auch mit der benachbarten Luisenklinik, die dringend Platz für eine notwendige Vergrößerung bräuchte, stehe man in Kontakt.
Ein MVZ sei nicht risikobehaftet, sagt die Krankenkassenvereinigung
Über die Voraussetzungen zur Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) durch eine Kommune sowie die Bedarfsplanung, Fördermöglichkeiten und freie Arztsitze habe sich die Stadt bei einem Berater der Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KV BW) im Herbst informiert. Nach dessen Auskunft sei die Gründung eines MVZ für Kommunen nicht risikobehaftet, auch ein wirtschaftliches Risiko sei nicht vorhanden. Für eine Debatte der Ergebnisse war es aber Christof Stadler (CDU) dann doch zu spät und er ließ den Tagesordnungspunkt verschieben.