Groß schien das Konfliktpotenzial bei der ersten Podiumsdiskussion zur Oberbürgermeisterwahl in Radolfzell. Geladen hatten die Naturschutzverbände Nabu und BUND sowie die Initiativen Fridays for Future und Parents for Future. Moderator Thomas Körner vom Nabu wollte von den Kandidaten Martin Staab und Simon Gröger wissen, wie sie mit den Themen Klimaschutz, Mobilität, Bauen, Flächenschutz, erneuerbare Energien und Landwirtschaft umgehen wollen.
Themen, die auf bundespolitischer Ebene für ordentlich Zündstoff sorgen, wurden im kleinen Saal des Milchwerks sachlich diskutiert. Wobei die beiden Kandidaten inhaltlich keine allzu großen Unterschiede offenbarten, nur die Herangehensweise und die Umsetzung der Maßnahmen sahen Staab und Gröger unterschiedlich.
Flächennutzungsplan gilt bis 2030
Beim Thema Flächenverbrauch wies Amtsinhaber Martin Staab mehrfach auf den Flächennutzungsplan, oder besser gesagt auf den eigentlich veralteten Plan hin. Diese Ausweisung für Flächen erfolge in der Regel alle 15 Jahre. Er habe sich 2015 dagegen entschieden, einen neuen Plan zu erstellen, und dafür, mit den bereits ausgewiesenen Flächen bis 2030 auszukommen.
Damit habe man den enormen Flächenverbrauch ausgebremst, so Staab. Man brauche eine neue Philosophie im Wohnungsbau. „Wir müssen enger und höher bauen und bereits versiegelte Flächen für Wohnungsbau nutzen, wie zum Beispiel das Fora-Areal“, erklärte Staab. Auch sonst wies Staab auf das bisher Erreichte hin: Das Ein-Euro-Busticket sei ein großer Erfolg, das Solarenergiedorf Liggeringen sei bis 2025 klimaneutral, während seiner Amtszeit sei das erste klimaneutrale Industriegebiet, das Blurado, eröffnet worden und die Stadt wolle im kommenden Jahr fünf bis sechs Solaranlagen auf städtischen Gebäuden errichten.
Sein Herausforderer Simon Gröger sprach sich klar für Innenentwicklung vor Außenentwicklung aus. „Wir können jede Fläche nur einmal bebauen“, so Gröger. Er plädierte für ein intensives Leerstandsmanagement und ein konsequentes Monitoring der gesteckten Ziele. Ebenfalls könne sich Gröger vorstellen, bei einem neuen Flächennutzungsplan auch Gebiete der Natur zurückzuführen und sie aus dem Nutzungsplan zu streichen. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, die Gröger ebenfalls im Wahlprogramm hat, solle nicht nur sozial, sondern auch ökologisch bauen.
Außerdem wolle er ein ausführliches neues Klimaschutzprogramm erstellen und dabei viel Bürgerbeteiligung ermöglichen. „Alle müssen das Programm inhaltlich mittragen, nur dann kann es ein Erfolg werden“, so Gröger. Um beim Thema Solarenergie schneller voran zu kommen, wolle Gröger Projekte auch an externe Investoren geben: „Wir müssen schnell handeln und die Stadt muss auch nicht alles selbst machen.“
Konkret wollte Eberhard Klein, Leiter des Nabu-Bodenseezentrums auf der Reichenau, wissen, ob sich die Kandidaten vorstellen könnten, das Streuhau, das Gebiet im Nordwesten der Mettnau neben dem bereits bestehenden Naturschutzgebiet sowie die Wasserfläche im Markelfinger Winkel unter Naturschutz stellen zu lassen. Martin Staab gab an, er sei von Anfang an offen gewesen für den Vorschlag, den Markelfinger Winkel zu schützen.
Gröger will erst alle Argumente hören
Simon Gröger wies auf die verschiedenen Nutzungen im Markelfinger Winkel hin und dass er so aus dem Stand auf dem Podium keine Entscheidung treffen könne. „Ich möchte mich erst mit allen Betroffenen intensiv darüber austauschen und dann eine verantwortungsbewusste Entscheidung treffen“, so Gröger. Ähnlich war Gröger schon beim Thema Streuhau verfahren, als er sich erst nach ausführlichen Gesprächen mit Investor, Umweltverbänden und Bürgern ein Bild gemacht und sich anschließend gegen den Hotelbau im Biotop ausgesprochen hatte. Staab möchte die Streuhau-Frage nun mit einem Bürgerentscheid klären lassen. Der Gemeinderat muss allerdings noch zustimmen.
Beate Giesinger, Mitglied beim BUND und ehemalige FGL-Stadträtin, wollte wissen, wie die beiden Kandidaten den Gemeinderat für ihre Klima-Maßnahmen begeistern wollen. Denn alleine könne der OB das nicht umsetzen. Der Tuttlinger Wirtschaftsförderer Gröger gab an, mit dem Gemeinderat eine vertrauensvolle und wertschätzende Zusammenarbeit anzustreben, sodass gemeinschaftliche Ziele definiert und auch umgesetzt werden könnten.
Staab sieht keine Differenzen mit dem Gemeinderat
Amtsinhaber Martin Staab selbst sah keine Differenzen zwischen sich und dem Gremium. „Ich möchte eine Lanze für den Gemeinderat brechen. 90 Prozent aller Beschlüsse treffen wir mit großer Mehrheit oder einstimmig. Nur wird darüber nicht in den Medien berichtet“, sagte Staab. FGL-Fraktionssprecher Siegfried Lehmann konnte sich daraufhin ein lautes Auflachen nicht verkneifen. Dass Martin Staab überhaupt einen Gegenkandidat hat, ist einem großen Teil des Gemeinderates geschuldet. FGL, CDU und SPD hatten sich auf die Suche nach einem potenziellen neuen OB gemacht und unterstützen offiziell die Kandidatur von Gröger.