„Berlin, Berlin wir fahren nach Berlin“: Den Schlachtgesang, der eigentlich optimistischen Fußballfans vorbehalten ist, lassen in diesen Tagen fröhlich einige Musiker erklingen.
Denn wenn am kommenden Mittwoch die Narrenvereinigung Hegau-Bodensee mit 160 Narren aus den Reihen ihrer Zünfte zum Empfang in die Landesvertretung Baden-Württemberg aufbricht, sind als musikalische Programmgestalter und Botschafter Radolfzells die „Lustigen Hannoken“ dabei.
Vollblutmusiker seit 50 Jahren
„Wir freuen uns riesig über die Einladung. Das wird sicherlich ein unvergessliches Erlebnis für uns“, so Dietmar Baumgartner, musikalischer Leiter des Radolfzeller Hannoken-Sextetts. „Zumal wir in diesem Jahr unser 50-jähriges Bestehen feiern und in unserem Jubiläumsjahr die Ehre erfahren als musikalisches Aushängeschild die Stadt zu repräsentieren.“
Die Publikumskulisse ist groß, wenn die Narrenvereinigung mit ihren Teilnehmern vor 1200 Gästen aus Politik, Wissenschaft und Kultur die vielfältige Hegau-Bodensee Fasnacht präsentiert. Die Vollblutmusiker aus Radolfzell werden dort das große Abendprogramm mit Auftritten von bekannten Fasnachtern aus der Region begleiten und es im Anschluss musikalisch hochnärrisch krachen lassen.
Veranstaltungen dieses Kalibers sind kein Neuland für die Hannoken, die meisten waren schon bei der letzten Berlin-Reise 2011 als Mitglieder der Froschenkapelle mit von der Partie und im Laufe der Jahre kamen etliche Empfänge im Freiburger Regierungspräsidium und in Stuttgart zusammen.
Nicht zuletzt werden sie oft bei wichtigen Anlässen der Stadt engagiert, ob beim Hausherrenfest, beim Bundeskunstpreis für Menschen mit Behinderung, bei Ausstellungseröffnungen oder beim Christbaum-Anleuchten.
Zu den Höhepunkten in den vergangenen 50 Jahren gehört für die Hannoken die Begleitung einer städtischen Abordnung ins holländische Uithoorn, mit dem Radolfzell in den Achtzigern einen Kulturaustausch pflegte, und die Einweihung des Mettnauparks.
Die Entstehungsgeschichte
Doch wie haben die Lustigen Hannoken, die gute Laune garantieren und nach eigenen Worten „musikalisch zu jeder Schandtat bereit sind“, eigentlich zusammengefunden? Oft werden sie als Ehemalige der Froschenkapelle zugeordnet oder als Mitglieder der Stadtkapelle.
Am besten sind sie wohl als musikalische Urgesteine von Radolfzell auf einen Nenner zu bringen. „Wir sind alle ehemalige Sprößlinge der Musikschule und ein Leben lang über die Musik miteinander verbunden“, erzählt der Hannoken-Chef. Er und auch Hannoken-Posaunist Jürgen Kupferschmid gehörten zu jenem Sextett, mit dem der frühere Musikdirektor Heinrich Braun 1969 beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ in Heidelberg den dritten Preis erhielt. Das Sextett, dem damals noch Peter Walz, Thomas Schoch, Raimund Degner und Dieter Rigling angehörten, musizierte dann 1970 bei der Schulentlassfeier des Jahrgangs 1955 im Scheffelhof und anschließend bei der Klassenparty im Liggeringer Adler.
Von Anfang an spielte man bei der Froschenzunft. „Wir haben morgens die neuen Songs geübt, die wir bei ‚Mainz wie es singt und lacht‘ im Fernsehen gehört haben und diese abends nach dem Einmarsch in die Halle zusätzlich auf der Bühne gespielt“, erzählt Wolfgang „Rocky“ Riester, der schon bald für Raimund Degner nachrückte und zusammen mit Bernd und Klaus Bosch sowie Siegfried Schaub die Stammbesetzung komplettierte.
Großes Repertoire mit eigenem Stil
Natürlich haben die Musiker in den vergangenen fünf Jahrzehnten viel erlebt. „Wir könnten mit unseren Anekdoten ganze Bücher füllen“, so Dietmar Baumgartner augenzwinkernd. Unvergesslich bleibt der traditionelle Pfingstmontags-Frühschoppen beim FC Bankholzen, bei dem man oft bis in die Abendstunden Ausdauer zeigte. „Im Vordergrund steht schon immer der Spaß an der Musik. Wir haben einfach immer gemacht, was wir wollten und waren für jedes Fest zu haben“, unterstreicht der musikalische Leiter. So ist ein Repertoire von Kirchenmusik und Klassik über zünftige Blasmusik und Stimmungslieder bis hin zur modernen Blasmusik entstanden.
Der eigene Stil und Sound, die Gaudi, die sie miteinander haben, verblüfft viele Zuhörer. „Auch, was mit sechs Leuten musikalisch möglich ist. Wir spielen oft Stücke, die für größere Besetzungen geschrieben sind, indem wir sie auf sechs Mann runterbrechen“, macht „Didi“ Baumgartner deutlich. Und da man gut aufeinander eingespielt sei, sich ohne Worte blind verstehe, gebe es genügend Raum für Spielfreude, Spontanität und Improvisation.
50 Jahre gemeinsam Musik machen – vom „Pubertier“ bis zum Unruhestand, den zwei der sechs Musiker bereits genießen dürfen, das habe auch ein ideelles Miteinander wachsen lassen. „Das ist mir persönlich überhaupt das Wichtigste. Wir sind zusammen durch Dick und Dünn gegangen, haben unsere Sturm- und Drangzeiten gemeinsam erlebt und mussten auch traurige Erfahrungen verschmerzen wie zuletzt den Tod unseres allzu früh verstorbenen Bassisten Bernd Bosch. Das sind soziale Bindungen, die heutzutage leider immer seltener werden“, so Dietmar Baumgartner.