Pascal Michel hat einen verspielten Sinn für Dramaturgie. Als der Taucher nach über einer Stunde den Kopf aus dem Wasser des Bodensees reckte und aus dessen Fluten entstieg, watete er gemächlich an das Ufer des Radolfzeller Strandbads.
„Hast du den Ring gefunden?“, schallte es ihn entgegen. Wortkarg entleerte der Taucher seinen Beutel mit den Fundsachen aus dem See: Zwischen feinem Kies lagen Kronkorken und eine Klampe zum Befestigen von Leinen an einem Segelboot.
Sebastian Sickler schien etwas irritiert, als er den Beutelinhalt mit dem Müll sichtete. Am Wochenende zuvor hatte der Software-Entwickler aus Horb seinen Ehering im See verloren. Seine letzte Hoffnung lag in den Tauchkünsten der Ringfinder.

Doch was Sickler nicht bemerkt hatte: Der verloren geglaubte Ring baumelte bei Pascal Michel am Karabinerhaken seines Taucheranzugs. Als der 35-Jährige seinen Ehering wieder in Händen hielt, entlud sich seine Freude und Anspannung in einer herzlichen Umarmung für den Finder.
Vor vier Jahren gegründet
Neben einem Hang zur Schatzsuche ist es genau diese Freude über verloren geglaubte Gegenstände, die die ehrenamtlich tätigen Ringfinder zu ihren Suchaktionen antreibt. Die deutschlandweite Vereinigung von rund 350 ehrenamtlich tätigen Ringfindern wurde vor vier Jahren von Janik Ratke aus Niefern-Öschelbrunn bei Pforzheim gegründet.
Der 22-jährige Bademeister beginnt in diesem Monat eine Ausbildung bei der Polizei. Auch er war bei der Suche im Strandbad auf der Mettnau beteiligt. Gemeinsam mit Pascal Michel aus Straubenhardt holten sie den Auftraggeber der Suchaktion, Sebastian Sickler, auf ihrer Fahrt an den Bodensee mit dem Auto in Empfingen bei Horb ab.
Beim Ballspiel im Wasser verloren
Sickler entdeckte die Ringfinder im Internet, nachdem er seinen Ehering bei einem Ballspiel mit seinem Schwager im Untersee verloren hatte. Vergeblich suchte er den Seegrund mit einer Taucherbrille ab. Sebastian Sickler ist erst seit eineinhalb Jahren verheiratet.
An seinem Ring hängen Erinnerungen an seine Hochzeit sowie an die Geburt seines Sohnes. Ein Goldschmied hätte den Ehering zwar neu herstellen, doch hätte dieser das Original nie richtig ersetzen können, meint Sickler. Während der Tauchaktion hielt er seine Ehefrau über Whatsapp auf dem Laufenden.

Die Ringfinder kamen mit einer großen Ausrüstung und vier Tauchflaschen mit insgesamt drei Stunden Sauerstoff für den Tauchgang auf die Mettnau. Die Taucher waren mit magnetischen Stabsieben sowie Kopfhörern für die Metall-Detektoren ausgerüstet.
Bei der systematischen Unterwassersuche nach einem festen Raster hilft Taucher Pascal Michel ein Kompass, wenn die Sicht durch trübes Wasser einschränkt ist. Das sei dann wie ein Topfschlagen, erzählt Michel. Bereits an den vom Detektor abgegebenen Signaltönen erkennt Pascal Michel die Beschaffenheit der Objekte unter dem Kies – und ob es sich um Kronkorken, Münzen oder einen Ring handelt.

Der ganz spezifische Signalton verloren gegangener Ringe höre sich dabei an, als wolle der Ring nach einem Finder rufen, beschreibt Michel seine Erlebnisse unter Wasser – so, als würde der Ring förmlich schreien. Das sei wie: „Da bin ich! Holt mich heraus!“
Man könne sich kaum vorstellen, wie viele Münzen sich unter Wasser im Kies befinden, so Michel. Sie erschwerten die Suche nach den Ringen, weil die Ringfinder jedem Signalton nachgehen müssten. Nebenbei reinigen die Taucher den Seegrund vom Müll.
Archäologische Schutzzone
Für Pascal Michel und Janik Ratke ist es der erste Einsatz im Bodensee. Das sei ein heikles Thema, da der See eine archäologische Schutzzone sei, erläutert der Gründer der Ringfinder, Janik Ratke: Obzwar sie explizit auf der Suche nach einem Ehering seien, könnten sich auch Beifunde ergeben, die sie nach dem Denkmalschutzgesetz melden müssten.
Die Spielregeln seien deshalb klar: An Burgen und historischen Gemarkungen hätten sie nichts verloren. Ratke verweist hier auf das Problem für Archäologen, wenn durch die Bergung von „Sahnestückchen“ historische Kulturzusammenhänge von Funden zerstört würden.
Suchaktionen auch an Land
Die Initiative Ringfinder sucht verloren gegangene Ringe nicht nur unter Wasser, sondern auch an Land. Besonders in Erinnerung blieb Ratke die Suche nach dem Ehering einer Witwe, die den Ring ihres verstorbenen Mannes an ihren eigenen schweißen ließ. Der Doppelring flog ihr beim Putzen aus dem Fenster. Drei Tage lang habe die Dame nicht mehr schlafen können, weil sie ihren verstorbenen Mann so vermissen würde, erinnert sich Ringfinder Ratke.
Mit einer Münze rekonstruierte er den Fall der Eheringe aus dem Fenster und grenzte damit das Suchgebiet ab. Nach zehn Minuten waren die Ringe gefunden. In Freudentränen aufgelöst habe die Besitzerin ihn vor Dankbarkeit umarmt und nicht mehr loslassen wollen, erzählt Janik Ratke. Anschließend packte die Witwe ein Fotoalbum aus und erzählte aus dem gemeinsamen Leben mit ihrem verstorbenen Mann.