Das Ergebnis ist mehr als deutlich: Die von der Stadt Radolfzell durchgeführte Bürgerbefragung zum Thema Streuhau-Bebauung wird von einem großen Teil der Teilnehmer abgelehnt. Drei Wochen lang waren alle Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren aufgerufen, bei der Online-Befragung ihre Stimme abzugeben und so ein breites Meinungsbild zu schaffen, ob eine touristische Nutzung des Streuhaus gewollt oder nicht gewollt ist.
Zwei Drittel sind gegen eine Bebauung
Von den 880 Teilnehmern gaben etwa zwei Drittel an, dass sie eine Bebauung des Auwaldes für gar nicht oder weniger sinnvoll halten. 45,6 Prozent lehnten ein Feriendorf komplett ab, 21,5 Prozent halten eine Bebauung für weniger sinnvoll. 21 Prozent der Befragten gaben an, dass das geplante Hotelprojekt sinnvoll sei, nur 8,1 Prozent finden das Projekt für Radolfzell sehr sinnvoll. 3,9 Prozent haben dazu keine Meinung.
Ebenfalls wurde nach den Auswirkungen des Bauprojektes auf die Stadt gefragt. Ein großer Teil der Teilnehmer befürchtete laut der Umfrage, dass es eher negative Konsequenzen für Radolfzell hätte, wenn das Streuhau bebaut werde. Von den 880 Teilnehmern sahen 607 negative Auswirkungen auf die Natur rund um das Hotel. 593 glaubten, dass das benachbarte Naturschutzgebiet Aachried unter der Bebauung leiden würde, und 352 Teilnehmer befürchteten ein höheres Verkehrsaufkommen.
Nur ein Viertel sieht einen Vorteil für den Tourismus
243 Teilnehmer glaubten hingegen, dass durch das Feriendorf die Stadt einen höheren Attraktivitätswert als Tourismusstandort gewinnen würde, 108 sahen einen höheren Mehrwert für die Freizeitgestaltung der Radolfzeller selbst. 171 versprachen sich davon mehr Steuereinnahmen, aber 363 glaubten, das Stadtklima würde sich durch diesen Eingriff in die Natur verschlechtern.
Auf dieses Stimmungsbild möchte nun Oberbürgermeister Martin Staab reagieren und kündigt an, dem Gemeinderat einen Bürgerentscheid über die Hotelerweiterung im Streuhau vorzuschlagen. Hier möchte die Stadtverwaltung die Fragestellung so einfach wie möglich halten, damit es nicht wie bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 zu Verwirrungen kommt.
Vorgeschlagen werden soll eine klare Fragestellung, die zum Beispiel lauten könnte: „Soll ein Teil des Gebietes Streuhau für eine touristische Nutzung bebaut werden? Ja/Nein.“ Diese Informationen hat OB Staab auch bei dem Bürgerinformationsabend im Milchwerk Anfang der Woche bekannt gegeben. Der Gemeinderat könne die Durchführung eines Bürgerentscheids mit einer 2/3-Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder beschließen. Die nächste Möglichkeit für einen solchen Beschluss ist die Sitzung am 9. November. Die Stadtverwaltung wird das Thema auf die Tagesordnung dieser Sitzung setzen. Zugleich erfolgt eine Befassung des Gremiums mit der zu erwartenden Petition zum Streuhau.
Schon seit Wochen sammeln Gegner des Hotelprojektes im Streuhau über die Online-Plattform Openpetition sowie schriftlich auf dem Wochenmarkt Unterschriften, um die Bebauung noch zu stoppen. Teilgenommen haben dort bereits 2297 Personen, davon 1252, die in Radolfzell wohnen. Die Petition läuft noch bis Ende des Monats. Da das notwendige Quorum von 580 Teilnehmern längst erreicht ist, wird Openpetition stellvertretend eine Stellungnahme von Stadtverwaltung und Gemeinderat anfordern.
Verwaltung macht Kehrtwende in dem Streitfall
Für Oberbürgermeister Martin Staab als Chef der Verwaltung ist das eine Kehrtwende. Er hatte eine touristische Nutzung des Streuhaus stets befürwortet, der dort geltende Bebauungsplan erlaubt den Bau eines Hotels und Feriendorfes auch. Der Gemeinderat hat das Projekt ebenfalls mehrheitlich bis jetzt unterstützt. Erst durch die Proteste aus der Bevölkerung ändert sich scheinbar nun die Sichtweise auf das Projekt.
Geplant hatte Investor Bernd Schuler unter anderem ein Hotel und ein Feriendorf mit Baumhäusern. Zuletzt wurde das Hotelgebäude aus dem Streuhau heraus mehr nach Osten gegenüber den Anlagen des Eisenbahner Sportvereins und des Wassersportclubs Wäschbruck platziert. Die rund 40 Ferienhäuschen sollten allerdings im Streuhau bleiben.