Nun soll doch kein Hotel im Biotop Streuhau auf dem Herzengelände gebaut werden, es soll weiter im Osten auf der Wiese gegenüber den Anlagen des Eisenbahner Sportvereins und des Wassersportclubs Wäschbruck errichtet werden. Das war das greifbare Ergebnis, das beim Sachstandsbericht „Erweiterung Hotelanlage im Herzen“ im Gemeinderat Radolfzell vorgestellt worden ist. Viele Stadträte waren voll des Lobes, einige blieben skeptisch, alle hatten offenbar einen fundierteren Kenntnisstand als unbedarfte Besucher der Sitzung im Milchwerk. Seit dem Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan im Jahr 2019 ist zu diesem Projekt fast ausschließlich nichtöffentlich beraten worden.

Pläne im Reifestadium

So ist nach Angaben von Oberbürgermeister Martin Staab zu diesem Sachstandsbericht im Jahr 2020 von Investor Bernd Schuler ein Architekturwettbewerb durchgeführt worden. Die Ergebnisse seien im Mai vorgestellt worden „und jetzt in einem Reifestadium, in der man Diskussionen führen kann“, so der OB. Eine Diskussion dieser Pläne mit den Stadträten soll in der nichtöffentlichen Sitzung des Planungs-Ausschusses am 23. Juni stattgefunden haben.

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Zwei Wochen später in der öffentlichen Gemeinderatssitzung hat sich die Stadtverwaltung nicht in der Lage gesehen, die Unterlagen „aufgrund der vorgezogenen Beratungsfolge“ beizufügen. Dafür warf Michael Duffner vom Fachbereich Stadtplanung die Entwicklung der verschiedenen Entwürfe in schneller Reihenfolge über den Beamer an die Leinwand des großen Sitzungssaals. Kernpunkt seines Vortrags war der angestrebte Flächentausch der Schutzgebiete. Künftig soll das Biotop Streuhau bebaut werden können, dafür soll das für Freizeit- und Tourismusanlagen vorgesehene Bodenseereiter-Areal in ein „dienendes Landschaftsschutzgebiet“ umgewandelt werden.

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In Farben der Folien ausgedrückt: Das Braun für mögliche Bebauung im Bereich des Bodenseereiter-Geländes wechselt ins unbebaubare Grün. Aber auch das Braun im Streuhau hat auf der letzten Folie abgenommen. Das bisher im Westen zum Bodenseereitergelände vorgesehene Hotel soll nun im Osten außerhalb des Streuhaus errichtet werden, es bleiben nur die als Pfahlbauten vorgestellten Ferienhäuschen am Rand der Streuhauwiese als Projekt zurück. Es fiel die Zahl von „40 Hütten“. Für Staab steht fest: „Wir haben eine breite Übereinstimmung für den Flächentausch, um einen höheren Schutz für die Aachmündung zu bekommen.“

Historischer Konsens

Auch Siegfried Lehmann von der Freien Grünen Liste wähnte sich an einem historischen Moment: „Es bahnt sich ein Konsens an.“ Der Punkt für die Übereinstimmung der Meinungen machte er an dieser Frage fest: „Wie können wir den Naturschutz sicherstellen und dennoch eine touristische Entwicklung zulassen?“ Bei dieser Planung könne er Ja dazu sagen. Zu den Fürsprechern zählte auch Helmut Villinger (CDU): „Wir haben einen Investor, der für den Naturschutz zugänglich ist.“ Auch Dieter Baumgartner von den Freien Wählern signalisierte Zustimmung: „Das wäre ein Gewinn für Radolfzell und den sanften Tourismus.“ Jürgen Keck (FDP) sah die neue Planung als Mehrgewinn, „die auch neue Arbeitsplätze für Radolfzell schafft“.

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Norbert Lumbe (SPD) formulierte seine Zustimmung etwas abgestufter: „Wir brauchen eine höchstmögliche Schonung im Streuhau.“ Er bemängelte, dass der Planungsprozess phasenweise nicht öffentlich war: „Da war schon viel mehr da, als man öffentlich wahrnehmen konnte“, sagte Lumbe. Er rechne weiter damit, „das wir auf eine Öffentlichkeit stoßen, die kritisch mit uns diskutiert“. Ähnlich positionierte sich Christof Stadler (CDU), der von einer verträglichen Planung sprach: „Die Natur ist das Kostbarste, was wir haben. Wir sind aufgefordert, einen ökologischen Tourismus zu entwickeln.“

Die Skeptikerinnen

Zu den Skeptikern zählten Susann Göhler-Krekosch (SPD) und Martina Gleich (CDU). Die Verlegung des Hotels könne sie unterstützen, beim Bau der Hütten im Streuhau könne sie mit Blick auf das „tägliche Artensterben“ nicht mitgehen, so Göhler-Krekosch. Martina Gleich bezog sich auf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der von dem strategischen Dreieck „Klimaschutz, Wirtschaft und Zusammenhalt der Gesellschaft“ gesprochen habe, in dem sich Politik bewegen müsse. Bezogen auf das Projekt heißt das für Stadträtin Gleich: „Ich sehe noch nicht, dass ich da zustimmen kann, ohne die Gesellschaft auf dem Weg zu verlieren.“