Es überrascht immer wieder, wie viel Energie im Radolfzeller Gemeinderat und im Rathaus auf die Unterstützung des Tourismusprojekts Feriendorf im Biotop Streuhau verwendet wird. Besser: Wie viel Phantasie und Wagemut in Projekte zwischen Bodenseereiter und Vereinsgelände im Herzen in den vergangenen zwei Jahrzehnten gesteckt worden ist. Bora-Sauna und Bora-Hotel sind Beispiele für umgesetzte Pläne, der Tauchturm auf dem Bodenseereiter-Areal legt eher Zeugnis ab für eine Schnapsidee.

Hinter verschlossenen Türen

Jetzt, so glauben die Auguren in Rat und Verwaltung, haben sie die Lösung für einen nachhaltigen und sanften Tourismus sowie für „noch mehr Naturschutz“ (OB Martin Staab) gefunden. Seit zwei Jahren haben Verwaltung, Investor und Gemeinderat hinter verschlossenen Türen an einer für alle verkaufbaren Lösung geknobelt – und heraus kam: Wir bauen das geplante Hotel nicht am westlichen Rand des Streuhaus, sondern errichten es unweit davon auf der Wiese gegenüber von Eisenbahner Sportverein und Wassersportclub Wäschbruck.

Puffer zum Aachried

Bleiben noch 40 zu bauende Hütten im Biotop, in einem Entwurf architektonisch angelehnt an die Pfahlbauten aus der Steinzeit. Aber in modern: mit Sanitärbereich, mit kleiner Küche. Der Schweizer sagt dazu Chalet. Solche Hütten brauchen Kanal und Strom. Es bleibt abzuwarten und aufzurechnen, wie viele Bäume im Streuhau für diese Bebauung fallen sollen. Aber, und hier werden die organisierten Naturschützer weich: Für das aufzugebende Biotop Streuhau soll das Bodenseereiter-Gelände unter Landschaftsschutz gestellt werden. Es soll dem hochwertigen Naturschutzgebiet Radolfzeller Aachried als Puffer dienen. Allerdings sind die Vorschriften für ein Landschaftsschutzgebiet nicht so rigide. Land- und forstwirtschaftliche Nutzung sei unter bestimmten Auflagen erlaubt, heißt es auf der Internetseite des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energie.

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Investor wie Gemeinderat gehen von einem Bedarf dieser Hotel- und Ferienhäuserkapazitäten aus. Touristen werden nicht ein Baumhaus am See mieten, um lange Wege ans Wasser zurückzulegen. Mit dieser Nähe zum See werden die Anbieter werben wollen. Der Druck, das Gelände am Steg beim Bodenseereiter auch weiter für Wassersport zu nutzen, dürfte gerade durch die Gäste im Streuhau wachsen. Der Preis für die Aufgabe des Biotops und damit der Verlust einer Naturressource ist noch nicht berechnet. Für die Gesellschaft nicht, für das Klima nicht. Ob er mit dem Erbpachtzins für das Feriendorf abgegolten wird, den die Stadt kassieren will, diese Rechnung wird spätestens die nächste Generation aufmachen.