Die stark ansteigenden Infektionszahlen im Landkreis Konstanz machen sich auch im Radolfzeller Krankenhaus bemerkbar: Wie Chefarzt Sebastian Jung berichtet, sind derzeit die drei Corona-Normalstationen fast vollständig belegt. Auf diesen Normalstationen liegen Infizierte, die zwar an einem schweren Verlauf leiden aber nicht künstlich beatmet werden müssen. 21 Plätze gibt es insgesamt, sieben pro Station – „und im Moment haben wir tatsächlich wieder um die 20 Corona-Patienten“, so Jung.

Delta spielt kaum eine Rolle mehr

Mittlerweile sei die Omikron-Variante in der Radolfzeller Klinik angekommen, wobei derzeit nicht mehr untersucht werde, ob Infizierte an Omikron- oder der Delta-Variante leiden. Anfang Januar waren dafür noch gentechnische Untersuchungen, sogenannte Sequenzierungen, durchgeführt worden. Aber: „Dieses Sequenzieren kostet Geld und ist aufwendig“, erklärt Sebastian Jung. Und aktuell spiele die Delta-Variante im Landkreis Konstanz kaum eine Rolle mehr. „Wenn die überwiegende Zahl schon Omikron ist, macht es keinen Sinn mehr, das zu untersuchen.“

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Aber nicht nur bei den Patienten zeigt sich die aktuelle Corona-Welle. Auch beim Personal komme es laut Jung zu vielen Infektionen. Jeder Mitarbeiter werde jeden Tag in einer extra eingerichteten Teststation getestet. In den vergangenen Tagen seien fast täglich ein bis zwei Infektionen nachgewiesen worden. Keine Überraschung für Chefarzt Jung: „Das ist ja auch nicht anders zu erwarten“, sagt er. „Die Welle ist ja im Moment sehr groß.“

Mitarbeiterzahl schwankt stark

Dadurch oder weil sie zum Beispiel durch erkrankte Familienmitglieder enge Kontaktpersonen sind, fallen immer wieder Mitarbeiter aus. Ein häufiges Szenario ist laut Andrea Jagode, Pressesprecherin im Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, dass Kinder erkranken und die Eltern dann ebenfalls in Quarantäne müssen. Gleichzeitig kehren im Radolfzeller Krankenhaus aber auch wieder Mitarbeiter zur Arbeit zurück, wenn ihre Quarantänezeit vorbei ist.

Sebastian Jung, Chefarzt am Krankenhaus Radolfzell
Sebastian Jung, Chefarzt am Krankenhaus Radolfzell | Bild: GLKN

Die Folge: „Die Zahl der Mitarbeiter schwankt stark“, sagt Sebastian Jung. Und nicht nur Corona sorge für Ausfälle. Es gebe auch Krankheitsfälle, die nichts mit der Pandemie zu tun hätten. Dabei verlangt die Betreuung von Corona-Patienten auf den Normalstationen einen hohen Pflegeschlüssel. Pro Station und Tag braucht es sechs Pflegekräfte bei sieben Patienten. Um diese Pflege aufrecht erhalten zu können, müsse die Kapazität in anderen Stationen im Radolfzeller Krankenhaus heruntergefahren werden. „Das ist der bestehende Notfallplan“, sagt der Chefarzt. Alle Patienten, die nicht dringend aufgenommen werden müssen, müssten auf ihre Behandlung also erst einmal warten. „In aller Regel haben die Patienten aber Verständnis“, berichtet Sebastian Jung.

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Krankenhäuser helfen sich gegenseitig aus

Jeden Tag drehe ein Arzt und ein Mitglied der Pflegedienstleitung eine Runde durch das Krankenhaus, um die Einsatzpläne und die Belegung der Stationen zu überprüfen. „So wird jeden Tag überprüft, wie viele Patienten auf den Stationen liegen können“, so Jung. „Wenn noch Betten übrig sind, bestellen wir Leute von der Verschiebungsliste ein.“ Heißt: Dann können auch jene behandelt werden, deren Erkrankung nicht dringend ist.

Sollte dagegen auch für akut Erkrankte kein Platz mehr in Radolfzell sein, könnten sie an andere Standorte im Gesundheitsverbund verlegt werden. Im Gegenzug würden in Radolfzell schwerpunktmäßig Corona-Patienten in den Normalstationen behandelt werden, damit insbesondere das Krankenhaus in Singen aber auch die Klinik in Konstanz entlastet werden können.

Auch noch Magen-Darm-Infektionen

Und nicht nur Corona fordert die Mitarbeiter. Erst kürzlich mussten im Radolfzeller Krankenhaus vermehrt Patienten wegen schweren Magen-Darm-Erkrankungen behandelt werden, berichtet Chefarzt Jung. Aus Gründen des Infektionsschutzes habe man auch sie isolieren müssen. Solche Vorfälle seien nicht unüblich für diese Jahreszeit, auch wenn das Radolfzeller Krankenhaus im vergangenen Jahr glücklicherweise weitestgehend verschont geblieben sei. Dennoch: „Das hat das System wieder enorm belastet“, bedauert der Chefarzt.

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Ebenso wie Corona-Ausbrüche außerhalb der Corona-Normalstationen das Krankenhaus fordern. Manchmal komme es vor, dass ein Patient bei der Einlieferung negativ getestet werde, im Laufe seines Aufenthaltes aber dann doch positiv werde – entweder, weil er sich im Krankenhaus oder schon früher angesteckt habe. „So gibt es immer wieder mal Stationen, die einen Aufnahmestopp haben.“

Flexibilität ist gefordert

Trotz allem funktioniere das aktuelle System, sagt Sebastian Jung – „gerade so“ in Anbetracht der hohen Fallzahlen. Patienten, die akut erkrankt sind und dringend behandelt werden müssen, könnten das aktuell im Landkreis auch. Der Radolfzeller Chefarzt geht derzeit davon aus, dass das in Zukunft so bleiben wird. „Wir waren in allen Wellen an der Grenze, aber es war durch die aufopferungsvollen Mitarbeiter und die politischen Maßnahmen machbar“, lautet seine Einschätzung. Trotzdem betont Jung: „Es ist schon eine angespannte Situation, nach wie vor.“ Ständig müssten Dienstpläne umgeschrieben werden und nicht nur die Pflegekräfte und Ärzte, sondern auch andere Bereiche wie die Verwaltung und Reinigung seien betroffen. „Auch dort ist jetzt extrem viel Flexibilität verlangt.“ Die Lage sei belastend.