Es ist eine Entwicklung, die Förstern zuletzt Sorgen bereitete: Hitzephasen und fehlende Niederschläge haben dem Radolfzeller Stadtwald in den vergangenen Jahren Probleme bereitet – nicht nur, weil die Bäume Dürreschäden erlitten, sondern auch, weil Trockenheit dem Borkenkäfer in die Karten spielt.
Nun aber haben die vergangenen Monate viel Regen bereitgehalten: Wie das Niedrigwasser-Informationszentrum Baden-Württemberg mitteilt, war das Jahr 2024 bis Ende Mai in Baden-Württemberg mit 482 Millimeter Niederschlag überdurchschnittlich nass. Konkret sei rund 100 Millimeter mehr Regen gefallen als in der Referenzperiode 1961 bis 1990. Wirkt sich das positiv auf den Stadtwald aus?
„Gewisse Entspannung“ – aber alte Schäden bestehen weiter
Wie Revierförster Simon Güntert auf Nachfrage mitteilt, gehe es dem Radolfzeller Stadtwald derzeit „den Umständen entsprechend gut“. Dass es zuletzt recht kühl und vor allem regnerisch war, trage „zu einer gewissen Entspannung bei“ – allerdings habe der Regen die Schäden am Stadtwald, die Hitze und Trockenheit in der Vergangenheit angerichtet haben, nicht mindern können. „Bäume, die über mehrere Jahre an Hitze und Trockenheit leiden, erholen sich meist nicht so schnell“, erklärt Simon Güntert.
Lediglich neue Schäden seien nun verhindert worden. Und der nasse Frühling und Sommer haben auch noch einen weiteren Vorteil: Das Wetter trage nämlich dazu bei, dass sich die Borkenkäfer nicht so stark vermehren können wie in den vergangenen Jahren.
Weniger Borkenkäfer
„Aktuell sieht es tatsächlich danach aus, dass es weniger Borkenkäferschäden geben wird“, berichtet Simon Güntert. Denn wie Walter Jäger, Leiter des Kreisforstamts, schon in der Vergangenheit berichtet hatte, hat Regen mit Blick auf den Borkenkäfer gleich mehrere Vorteile.
Zum einen kann sich bei lange anhaltender Nässe unter den Baumrinden ein Schimmelpilz bilden, der die Gelege der Borkenkäfer vernichtet. Zum anderen ermöglicht ausreichend Wasser es den Bäumen, Harz zu produzieren und die Schädlinge abzuwehren. Umgekehrt senden Bäume bei Dürre unter Stress Signale aus, die Borkenkäfer anziehen. Und laut Walter Jäger vermehren sich Borkenkäfer auch schneller, wenn es warm und trocken ist.
Simon Güntert präzisiert dies: In warmen, niederschlagsarmen Sommern gebe es bis zu drei Borkenkäfer-Generationen. Dieses Jahr seien es aber voraussichtlich nur drei. „Da sich die Käferzahlen exponentiell verändern, macht das einen sehr großen Unterschied“, betont der Revierförster. „Mit zwei Generationen kann ein weiblicher Käfer unter optimalen Bedingungen 3000 Käfer pro Jahr hervorbringen. Bei drei Generationen sind es dann schon 55.000 Käfer.“ Denn nicht nur das erste Weibchen produziere Eier, sondern auch die Nachkommen aus der ersten und zweiten Generationen.
Nicht nur Vorteile
Allerdings könne der viele Regen auch Nachteile im Stadtwald haben. Diese liegen laut Simon Güntert vor allem im Bereich der Infrastruktur. „Starkregen führt sehr oft zu ausgespülten Wegen oder wie in diesem Jahr auch zum einen oder anderen Hangrutsch“, erklärt er. Auch sei es nur eingeschränkt möglich, die aufgeweichten Rückegassen – also forstwirtschaftliche Wege, die etwa zum Transport von gefällten Bäumen dienen – zu befahren. Dies erschwere die Aufarbeitung und Rückung der Schadhölzer aus dem vergangenen Jahr erheblich. Damals waren bei heftigen Schneefällen Bäume beschädigt worden.
Weiterhin seien die Zecken bei dem aktuellen Wetter aktiver, was sich als Nachteil für Förster erweise. „Normalerweise startet die Zeckensaison im zeitigen Frühjahr und pausiert während längerer warmer und trockener Phasen. Diese bleiben in diesem Jahr aus, weshalb es deutlich mehr Zeckenbisse als sonst gibt“, erklärt Simon Güntert.
Aber auch Bäume könnten unter Umständen Probleme durch den vielen Regen bekommen: Bilde sich durch die vielen Niederschläge ein kleiner See im Wald, dessen Wasser über längere Zeit nicht versickern kann oder abfließe, könne das Bäume, die nicht an große Wassermassen angepasst sind, darunter etwa die Buche, absterben. Auch sei der Pilz, der das Eschentriebsterben verursache, bei lange anhaltender feuchter Witterung tendenziell aktiver.
Was bringt der Sommer noch?
Was nun die kommende Zeit für den Radolfzeller Stadtwald bringt, muss sich noch zeigen. Sollte es im Juli und August nun doch noch heiß und trocken werden, ist laut Simon Güntert trotz der bislang nassen Monate mit weiteren Schäden im Stadtwald zu rechnen. „In vergangenen Trockenjahren bereits vorgeschwächte Altbuchen, die oft schon Kronenschäden aufweisen, würden durch eine erneute Hitzephase weiter geschwächt“, schildert der Revierförster. „Aber auch die Käferschäden an Fichten würden dann nochmals deutlich zunehmen.“
Zudem nehmen nach aktuellem Wissensstand auch Schadensereignisse wie starke Unwetter, die schon in der Vergangenheit für Schäden im Radolfzeller Stadtwald gesorgt haben, zu. „Vermeiden lässt sich das nur, indem sich jeder ein bisschen einschränkt und die Politik langfristig die erforderlichen Weichen stellt, um den Klimawandel aufzuhalten“, so Güntert. „Es ist ein Problem, das die gesamte Gesellschaft betrifft und nur gelöst werden kann, wenn jeder nach seinen Möglichkeiten mitmacht.