Es war eine bittere Pille, die die Stiftungsräte im Winter 2020 schlucken mussten. Damals musste der Stiftungsrat, personell identisch mit dem Gemeinderat, über die Finanzierung des Pflegeheim-Neubaus auf der Mettnau debattieren. Die Kassen waren nach dem ersten Corona-Jahr leer, die Zeit drängte, der Neubau musste dringend beginnen. So beschloss man, das Gebäude Poststraße 15 nicht wie geplant an die Stadt Radolfzell für einen Betrag von mindestens zwei Millionen Euro zu verkaufen, sondern doch extern auszuschreiben.
2020 fehlte das Geld für den Kauf
Eine Entscheidung, die den meisten Stiftungsräten schwer fiel. Das historische Gebäude hätte man gerne selbst behalten. Doch fehlte damals das Geld. Der potenzielle neue Besitzer müsse zwar das Gebäude einem sozialen Zweck zuführen, so der damalige Beschluss, aber die Stadt selbst sah sich angesichts des Haushaltsplans für 2021 nicht in der Lage, die Immobilie selbst zu kaufen.
Über ein Jahr und zwei Haushaltsdebatten später, in denen jedes Mal ein Defizit von rund zwei Millionen Euro ausgerechnet wurde, scheint die Stadt Radolfzell die Immobilie Poststraße 15 nun doch kaufen zu können. In der jüngsten Gemeinderatssitzung entschied der Stiftungsrat des Spitalfonds den Verkauf an die Stadt für 2,8 Millionen Euro.
Namentliche Abstimmung im Stiftungsrat
In einer namentlichen Abstimmung entschieden 21 Stiftungsräte für den Verkauf, zwei waren dagegen, einer enthielt sich. Möglich machte dies ein unerwarteter finanzieller Überschuss in Höhe von 8,7 Millionen Euro aus dem Jahr 2021. Obwohl die Verwaltung recht klamm ins zweite Pandemie-Jahr gestartet war, fiel der Jahresabschluss erfreulich aus.
Auch Oberbürgermeister Simon Gröger plädierte für den Verkauf an die Stadt. Das Gebäude habe einen hohen Identifikationswert für die Radolfzeller. Es in öffentlicher Hand zu behalten zu können, sei also ganz im Sinne der Bürger.
Für Sozialbürgermeisterin Monika Laule bedeutet der Verkauf an die Stadt auch endlich Klarheit in der Finanzierung des Pflegeheim-Neubaus auf der Mettnau. Der Verkauf verschiedener Grundstücke und Immobilien aus dem Besitz des Spitalfonds ist notwendig, um die erforderliche Eigenkapitalquote zu erhalten, die das Regierungspräsidium Freiburg als Aufsichtsbehörde des Spitalfonds vorgegeben hat.
Viele Stiftungsräte schienen erleichtert, dass die Poststraße 15 nun doch an die Stadt verkauft werden kann und nicht an einen Dritten gehen muss. „Als Stiftungsrat und als Bürger unterstütze ich dieses Vorhaben“, sagte Norbert Lumbe, Fraktionssprecher der SPD. Christof Stadler (CDU) erweiterte seinen Blick und regte an, doch einmal zusammenzutragen, wo überall die Stadtverwaltung Mieten bezahlen müsse. Das Gebäude in der Poststraße im Besitz der Stadt würde da neue Möglichkeiten bieten, so Stadler.

Und auch Jürgen Keck, Fraktionssprecher der FDP, sprach sich für den Verkauf aus, um die Finanzierung des Pflegeheims zu sichern. In der Vergangenheit hatte Keck sich auch für den Verkauf an einen externen Investor ausgesprochen, doch nachdem man erfahren habe, dass die Stadt überraschend mehr Geld zu Verfügung habe, könne man das Gebäude auch selbst kaufen.
Dietmar Baumgartner, Fraktionssprecher der Freien Wähler, wollte sich noch nicht ganz von der Idee, das Gebäude an einen Investor zu verkaufen, verabschieden. Und zog damit die Frustration von Monika Laule auf sich. Auf seine Frage, ob man denn parallel die Immobilie nicht doch ausschreiben könne, äußerte sich diese ziemlich entnervt. Denn genau das habe sie in der Vergangenheit bereits getan.

Auf Wunsch des Stiftungsrates habe die Verwaltung die Immobilie ausgeschrieben, passende Interessenten in die nicht-öffentlichen Sitzungen des Stiftungsrates geladen und vorgestellt. Doch hätten die Räte sich dann wieder dafür ausgesprochen, die Poststraße 15 lieber im Besitz der Öffentlichkeit behalten zu können, erinnerte sie. Die Interessenten wurden also wieder weggeschickt. Man werde dieses Prozedere nicht noch einmal durchführen, machte Laule klar. „So sollte sich auch die Stadt nicht nach außen präsentieren.“
FDP-Stadtrat sieht keinen Sinn im Kauf
Der einzige, der sich klar gegen den Verkauf an die Stadt aussprach, war Richard Atkinson (FDP). Er schein auch Probleme zu haben, zwischen den Rollen des Stiftungsrates und des Gemeinderates zu unterscheiden. Denn er argumentierte in dieser Stiftungsangelegenheit aus Sicht des Stadtrates: „Wir haben keine Idee, was wir mit dem Gebäude machen sollen“, so Atkinson. Das Gebäude sei zwar alt genug, um altmodisch und ungünstig geschnitten zu sein, aber auch nicht so alt, um historisch zu sein. Aus seiner Sicht passe da kein Konzept hinein.