Tat und Täter passen nicht immer zusammen. Während die Anklage bei einer Verhandlung vor dem Jugendschöffengericht besonders schwere gemeinschaftliche räuberische Erpressung, unerlaubter Waffenbesitz, gefährliche Körperverletzung und Computerbetrug in mehreren Fällen lautete, saß auf der Anklagebank ein milchgesichtiger junger Mann mit gegelten Haaren. Da er aus der Untersuchungshaft kam, wurde er mit Fesseln an Handgelenken und Fußknöcheln in den Saal geführt. Zwischen seinen beiden Anwälten sah er dann recht verloren aus. Den Blick oft nach unten gerichtet.

Mit Waffengewalt zu etwas Geld und Zigaretten

Doch täuscht das Aussehen: Dem 19-Jährigen von der Höri wurde vorgeworfen, zusammen mit Freunden im Jahr 2022 insgesamt sechs Mal Besuchern des Singener Nachtlebens zu später Stunde aufgelauert zu haben, um sie dann auszurauben. Mal unter Vorhalten einer Schreckschusspistole, mal mit roher Gewalt.

Erbeutet hatte die Gruppe stets nur kleinere Geldbeträge, Mobiltelefone und EC-Karten. Mit denen kaufte die Gruppe dann Zigaretten am Automaten. Franz Klaiber, Direktor am Amtsgericht Konstanz, verurteilte den jungen Mann dafür schließlich zu drei Jahren Jugendstrafe.

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Anwälte hatten auf Bewährung gehofft

Die Anwälte des Angeklagten hatten auf eine Bewährung gehofft. Doch für den Richter war dies nicht nur keine Option, schon für die dreijährige Haftstrafe solle der 19-Jährige dankbar sein. Zwar hatte die Verteidigung versucht ein Bild des Angeklagten zu zeichnen, der ihn als harmlosen und geläuterten jungen Mann zeigt, der durch die Taten lediglich einen Adrenalin-Kick gesucht habe. Die Gewalt ginge stets von seinen Freunden aus, er selbst sei damit nicht einverstanden gewesen. Doch rückte Richter Klaiber das Bild während seiner Urteilsbegründung etwas zurecht. „Sechs Personen wurden durch Sie schwer geschädigt und Ihnen war das völlig egal“, so Klaiber.

„Sechs Personen wurden durch Sie schwer geschädigt und Ihnen war das völlig egal.“ Franz Klaiber, Direktor des Konstanzer ...
„Sechs Personen wurden durch Sie schwer geschädigt und Ihnen war das völlig egal.“ Franz Klaiber, Direktor des Konstanzer Amtsgerichtes | Bild: Rau, Jörg-Peter

Die Serie an Überfällen habe erst aufgehört, als einer der Gruppe auf frischer Tat ertappt und festgenommen wurde. Dies als jugendtypisches Abgrenzungsverhalten zu deklarieren, sei die völlig falsche Dimension, machte der Richter klar. Es sei brutale Gewalt angewendet worden, zwar nicht vom Angeklagten selbst, aber er habe die Exzesse seiner Freunde geduldet und nicht in Frage gestellt. Damit habe er sich mitschuldig gemacht.

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Über die Hintergründe und Lebensumstände des Angeklagten war während der Verhandlung für die Öffentlichkeit nicht viel zu erfahren. Seine Anwälte beantragten, den 19-Jährigen und die Jugendgerichtshilfe unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen zu lassen. Dies sei im Interesse der Erziehung des Heranwachsenden, so die Begründung.

Doch aus Bemerkungen während der Plädoyers und der Urteilsbegründung klang durch, dass hinter den Überfällen keine schwere Kindheit, problematischen Familienverhältnisse, Drogen oder andere wirtschaftlichen Nöte steckten, sondern eher der Wunsch nach Macht und einem Adrenalinkick.

Opfer waren oft im alkoholisierten Zustand

Und diesen Kick holte sich die Gruppe bei Überfällen auf vornehmlich betrunkene Discobesucher, die nachts unterwegs waren. Gegen die anderen Mitglieder dieses Freundeskreises ist getrennt Anklage erhoben worden. Einige der Opfer haben vor Gericht ausgesagt. Das Schema war stets das selbe: Die Geschädigten waren entweder auf dem Weg in die Disco, kamen gerade aus jener, oder befanden sich in der Nähe. Sie waren oft betrunken, immer war es dunkel. Meistens waren die Opfer allein.

Saal 107 des Amtsgericht Konstanz an der Untern Laube.
Saal 107 des Amtsgericht Konstanz an der Untern Laube. | Bild: Esteban Waid

Unter Vorhalten einer Schreckschusspistole an die Schläfe, die für die Opfer jedoch ziemlich echt ausgesehen haben musste, oder durch Schläge mit der Pistole oder einem Radschlüssel, sollen die Opfer aufgefordert worden sein, ihre Wertgegenstände auszuhändigen. Taten sie es nicht oder nicht schnell genug, wurde weiter zugeschlagen.

Einige der Opfer sagten aus, danach psychische Probleme bekommen zu haben, sie mieden Menschenmengen, gingen nicht mehr mit Freunden aus. Die Überfälle hingen nach. Andere gaben an, weniger durch die Vorfälle beeinflusst worden zu sein. Für das Opfer, welches brutal mit dem Radschlüssel verletzt wurde und blutend und bewusstlos am Straßenrand liegen gelassen wurde, trat Radolfzeller Rechtsanwalt Arnulf Heidegger als Vertreter der Nebenklage auf. Er kündigte an, auch gegebenenfalls zivilrechtliche Schritte gegen den 19-Jährigen einzuleiten und Schmerzensgeld einzufordern. Das Opfer hatte mehrere Platzwunden am Kopf, einen gebrochenen Arm und Quetschungen am ganzen Körper erlitten.

Geständnis und Hilfe werden honoriert

Dass die Strafe nicht höher wurde, lag am Verhalten des Angeklagten nach der Festnahme. Für ihn sprach, dass er während seiner Zeit in Untersuchungshaft ein umfassendes Geständnis abgelegt und so maßgeblich zur Aufklärung dieser Überfall-Serie beigetragen hat.

Ein Kriminalpolizist, der als Zeuge geladen war, gab an, durch die Aussage des 19-Jährigen habe man zwei weitere Haftbefehle ausstellen können und sei in der Aufklärung und Zuordnung der Taten schnell voran gekommen. „Sie haben zwar nur ausgesagt, in der Hoffnung aus der U-Haft entlassen zu werden, aber dennoch war es eine Aufklärungshilfe, die wir sehen“, sagte Franz Klaiber.