Ein Blick am Schmutzige Dunschtig in die Menge, die sich um den Narrenbaum versammelt hatte, könnte den ein oder anderen verwirrt zurücklassen. Gab es nicht irgendwo eine Pandemie? Bei schönstem Wetter haben sich zahlreiche Narren im Kostüm in die Stadt aufgemacht. Die Narrizella Ratoldi hatte all ihre Termine geheim gehalten, das Stellen des Narrenbaums auch zeitlich vorverlegt.
Das Brauchtum sollte ganz corona-konform im Mittelpunkt stehen, doch die Bevölkerung ließ sich nicht so leicht ausschließen. „Ich war ganz überrascht, wie viele Menschen da waren, wie viele sich auch extra freigenommen hatten“, sagt Narrizella-Präsident Martin Schäuble rückblickend. Es sei schön gewesen zu sehen, dass trotz der ganzen Regeln und der Maßnahmen die Fasnacht in der Bevölkerung so eine große Rolle spiele.
Schon der Hemdglonkerumzug am Mittwochabend, der eigentlich abgesagt wurde, fand spontan und ohne eine große Vorankündigung statt. Mehrere Gruppen hatten sich unabhängig voneinander verabredet und in der Stadt zusammen gefeiert, ohne eine wie sonst üblich große Party auf dem Marktplatz. „Die Radolfzeller waren an diesem Abend unter sich. Es war ein sehr ursprünglicher Hemdglonker“, so Martin Schäuble.
Alles in allem zieht die Narrizella eine positive Bilanz der Fasnacht. Die Stimmung sei gut gewesen und was die Narrizella veranstaltet hätte, sei bei den Besuchern sehr gut angekommen. Rückblickend sei man sehr froh darüber, das närrische Geplauder am 6. Februar im Milchwerk durchgezogen zu haben. Bei der einzigen Saalveranstaltungen hätten alle Teilnehmer gezeigt, dass sie die Corona-Regeln respektieren und dass man auch trotzdem eine schöne Veranstaltung haben könnte. „Das hat uns Mut gemacht, weiter zu planen“, sagt Schäuble. Es sei für die Organisatoren zwar sehr anstrengend gewesen, ständig auf die neuen Verordnungen zu reagieren, aber das habe sich gelohnt.
Ohne große Bälle, ohne weitere Saalveranstaltungen, dafür in kleinen Gruppen draußen oder in Kneipen und Wirtschaften, so wurde in diesen Tagen in Radolfzell Fasnacht gefeiert. „Es war schade, dass nicht alle Wirte geöffnet hatten, das ist ein kleiner Wehrmutstropfen“, so der Narrizella-Präsident. Auch der Ausbruch des Krieges in der Ukraine habe die Narren beschäftigt, auch wenn alle über die Fasnacht glücklich schienen. „Es war im Bewusstsein, es wurde viel darüber gesprochen, manche haben ihre Solidarität auch gezeigt“, sagt Schäuble. Doch die rege Teilnahme an den fasnachtlichen Veranstaltungen und an der Friedenskundgebung am Montagabend habe gezeigt, dass in Radolfzell beides ginge: Fasnacht feiern und Anteilnahme zeigen.
Das Polizeipräsidium Konstanz ist mit dem Verlauf der Fasnacht in Radolfzell mehr als zufrieden. Von Mittwochabend, dem Hemdglonkermittwoch, bis Aschermittwochmorgen, gebe es im System im Bereich Radolfzell gerade einmal drei Vermerke, teilt die Pressestelle des Polizeipräsidiums auf SÜDKURIER-Anfrage mit. Diese würden auf den Umzug am Hemdglonkermittwoch und die Veranstaltungen am Sonntagmittag hinweisen. „Das sind bloße Informationen für die Kollegen, es ist absolut nichts passiert“, sagt Katrin Rosenthal, Sprecherin des Präsidiums.
Keine Straftaten, keine Schlägereien, keine betrunkenen Jugendlichen. All diese Delikte sind normalerweise üblich für die Fasnachtszeit, in diesem Jahr seien sie aber vor allem im Bereich Konstanz verzeichnet worden. Radolfzell hat dagegen auch aus Sicht der Polizei eine friedliche Fasnacht verbracht. „So wie es auch sein sollte“, sagt Katrin Rosenthal.