Gut sieben Jahre ist es nun schon her, seit die ehemaligen Güterhallen entlang der Friedrich-Werber-Straße abgerissen wurden, um für die ursprünglich geplante Seetorquerung Platz zu schaffen. Viele Radolfzeller, die jahrelang für den Erhalt gekämpft haben, bekommen dieser Tage leuchtende Augen angesichts der überraschenden Betriebsamkeit, die in der bisher trostlosen Brache Einzug hält.

Seit Wochen krempeln die beiden in Radolfzell aufgewachsenen und in Berlin lebenden Kulturmacher Ana Baumgart und Daniel Franz mit ihren Familien und Freunden in der ehemaligen Autowerkstatt Salamone die Ärmel hoch, um am Freitag, 22. September, die Gruppenausstellung „K wie Kunst“ eröffnen zu können.

Künstler kommen aus ganz Deutschland

Die teilnehmenden Kunstschaffenden kommen aus Radolfzell, Kreuzlingen, Schaffhausen, Zürich, Düsseldorf, Leipzig, Hamburg und Berlin. Mit der Ausstellung will das Künstlerehepaar die leerstehende Halle und den letzten noch erhaltenen Holzschuppen der Deutschen Bahn in einen neuen Ort verwandeln – in das „KFZ – Kunst für Zukunft“.

Ana Baumgart und Daniel Franz brennen für dieses Projekt, das in Kooperation mit der Stadt entstanden ist und mit dem sie in ihrer Heimatstadt „etwas bewegen wollen“. Wie in Berlin, wo sie, Videokünstlerin und Kuratorin, und er, Creative Producer, gemeinsam viel bewegen. Dort haben sie 2011 mit acht Freunden den Verein „Raum für drastische Maßnahmen“ gegründet.

Mit dem Projekt „KFZ- Kunst für Zukunft“ zieht neues Leben in die Halle der ehemalige Autowerkstatt Salamone in der ...
Mit dem Projekt „KFZ- Kunst für Zukunft“ zieht neues Leben in die Halle der ehemalige Autowerkstatt Salamone in der Friedrich-Werber-Straße ein. Die einladende Fassade wurde von der Radolfzeller Künstlerin Fatin Rahmouni gestaltet. Bild: Ana Baumgart | Bild: Ana Baumgart

Dieser Ort und Projektraum gehört mittlerweile zum festen Bestandteil der freien Szene Berlins und versteht sich unter der künstlerischen Leitung von Ana Baumgart als experimentelle Plattform, um den Alltag und die Kunst näher zusammenzubringen, mit neuen Konzepten Kunst zugänglicher zu machen und Begeisterung zu wecken. Er gebe Kunstschaffenden die Möglichkeit, ihre Arbeiten zu präsentieren und mit der Öffentlichkeit in Dialog zu treten, sei ein sozialer Raum und ein Ort für transkulturelle Begegnungen. Das Projekt wird vom Berliner Senat großzügig gefördert.

Darum kommen die Künstler nach Radolfzell zurück

Nicht zuletzt weil es die beiden Künstler mit ihrem kleinen Sohn wieder zurück an den See zieht, ist aus dem erfolgreichen Berliner Ausstellungsort die Idee entstanden, auch in Radolfzell einen sozialen Ort zu schaffen, an dem Jung und Alt durch Kunst neue Impulse erfahren können und sich vielleicht für den Austausch mit Unbekanntem öffnen. „Denn hier wie in Berlin machen wir die Erfahrung, dass es viele Menschen gibt, die Angst haben mit Kunst in Berührung zu kommen, weil sie befürchten, Kunst nicht zu verstehen“, so Ana Baumgart.

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„Im Prinzip wollen wir das, was wir in Berlin im Kleinen auf 60 Quadratmeter machen, mit unserem breiten Netzwerk hier in großem Rahmen – offen für alle – auf 600 Quadratmetern umsetzen“, schildert Daniel Franz die Vision.

Durch Zufall seien sie auf die ehemalige Werkstatt aufmerksam geworden, die zuletzt von der Raiffeisen-Zentralgenossenschaft als Lager genutzt wurde. Für die beiden sei es auf Anhieb ein Ort mit Charme gewesen, der Potential bietet für Kunsterlebnisse zwischen Industrieromantik und alten Silos.

Zeitlich befristete Lösung

Ursprünglich sei angedacht gewesen, ein längerfristiges Angebot für Radolfzell zu schaffen und die Halle für fünf Jahre zu mieten, doch die Stadt habe wegen einer notwendigen Altlast-Sanierung letztlich nicht eingewilligt. Das habe die beiden in ihrer Motivation für das nun zeitlich begrenzte Projekt nicht bremsen können, auch wenn es sie trotz einiger Sponsoren eine Menge Geld kostet.

„Wir wollen sehen, ob das Konzept hier funktionieren kann“, bekräftigt Ana Baumgart, die insgeheim hofft, dass etwas, was erst einmal bespielt ist, nicht so schnell abgerissen wird. „Sodass das „KFZ – Kunst für Zukunft“ in der ehemaligen Autowerkstatt doch noch zu einem Ort werden kann, der sich weiterentwickelt und uns die Möglichkeit gibt, die Zukunft aktiv mitzugestalten.“

Das wird im neuen Kunstraum zu sehen sein

Im ersten Schritt wollen Ana Baumgart und Daniel Franz mit der Ausstellung „K wie Kunst“ Neugier wecken, Kunst an einem ungewöhnlichen Ort zu erleben. In ihrer Gesamtheit sei die Ausstellung ein Angebot, wie man es sonst nur in größeren Metropolen finde. „Es ist eine sehr ungewöhnliche, spannende Ausstellung, allein weil wir kaum Wände, aber viel Raum haben“, so Ana Baumgart. So wird beispielsweise ein an Heliumballons schwebendes Bild des Künstlerduos fructuoso/wipf aus Schaffhausen zu sehen sein, das sich über den Ausstellungszeitraum immer weiter hinabsenken wird.

Ein gefilzter Autounfall mit mehreren Fahrzeugen, eine Arbeit von Franca Franz aus Leipzig, nimmt Bezug auf die ehemalige Nutzung des Gebäudes. Das ehemalige Meisterbüro wird zum Jägerstand – Teil des Kunstprojekts von Anais Edely aus Berlin, die sich mit der Jagd beschäftigt und im Rahmen ihrer Künstler-Residence in Radolfzell ortsansässige Jäger interviewte.

Begleitende Workshops und Führungen im Angebot

Mit einer überdimensionalen Halskette, die 47 Globen aneinanderreiht, von denen einer besonders hell leuchtet, hinterfragt Isabelle Krieg aus Kreuzlingen unseren Umgang mit dem Planeten. Mehr will Ana Baumgart nicht verraten. Nur so viel: Die Ausstellung ist so bunt wie die von der in Radolfzell lebenden Künstlerin Fatin Rahmouni gestaltete Hausfassade des KFZ.

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Begleitend zur Ausstellung gibt es Workshops und Führungen für Schulen. „Kunstvermittlung ist uns ganz wichtig!“, unterstreicht Ana Baumgart. Kinder und Jugendliche sollen hier Arbeitsweise und Ideen der Künstler kennenlernen und durch praktische Anleitung selbst tätig werden.