Ein 61-Jähriger aus Radolfzell hat im April 2024 zwei Unfälle verursacht. Der dabei entstandene Schaden ist überschaubar, verletzt wurde auch niemand. Im Polizeibericht wären die Vorfälle eine kleine Randnotiz, wenn sie je zur Anzeige gekommen wären. Doch war der Mann bei beiden Fällen ziemlich betrunken. So betrunken, dass die anderen Unfallbeteiligten große Sorgen hatten, dass der 61-Jährige weiterfährt und wirklich jemanden verletzt oder Schlimmeres passiert.
Wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr, Gefährdung des Verkehrs unter Alkoholeinfluss, Fahren ohne gültige Fahrerlaubnis und unerlaubten Entfernen vom Unfallort ist er nun vor dem Radolfzeller Amtsgericht zu einer Haftstrafe von fünf Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung, verurteilt worden. Dabei hat der Angeklagte versucht, es der Beweisaufnahme schwer zu machen: Er behauptete, nach den Unfällen noch einmal Alkohol getrunken zu haben. So war nicht eindeutig nachzuweisen, wie hoch sein Alkoholpegel zur Tatzeit wirklich war. Jeder Wert unter 1,1 Promille ist laut des Straßenverkehrsgesetzes noch keine Straftat, alles darüber schon.
Rückwärts gegen ein anderes Auto gefahren
Beim ersten Vorfall, einem Unfall beim Ausparken auf einem Parkplatz in der Innenstadt, hat er laut Blutentnahme im Krankenhaus einen Wert von 1,3 und eine halbe Stunde später von 1,23 Promille aufgewiesen. Der 61-Jährige behauptete, er habe das Fahrzeug nur umparken wollen Dabei habe er rückwärts zurücksetzen wollen, wo allerdings die 58-jährige Geschädigte mit ihrem Fahrzeug stand und auf den Parkplatz einfahren wollte. Trotz Hupens habe der Angeklagte sie nicht bemerkt und sei gegen ihr Auto gefahren.
Da die Lage unübersichtlich gewesen sei und sie und andere Zeugen deutlichen Alkoholgeruch beim Fahrer wahrgenommen hätten, habe sie die Polizei rufen lassen, berichtet die 58-Jährige im Zeugenstand. Diese soll auch laut Aussage des Polizeibeamten innerhalb von acht Minuten vor Ort gewesen sein. Dazwischen, so behauptet zumindest der Angeklagte, habe er noch zwei Flaschen Bier getrunken.
Ähnlich sei es beim zweiten Unfall auf dem Parkplatz eines Supermarktes gewesen. Dort habe der 61-Jährige mit seinem Fahrzeug auf den Parkplatz fahren wollen, habe die Kurve zur Einfahrt nicht ganz bekommen und sei gegen das Fahrzeug eines 42-Jährigen geknallt. Die Mitfahrer des Unfallautos seien daraufhin ausgestiegen und hätten festgestellt, wie betrunken der andere Fahrer gewesen sei. „Ich dachte, bevor der weiterfährt und ein Kind umfährt, rufen wir besser die Polizei“, erklärt die 26-jährige Zeugin.
Angeklagter flieht vom Unfallort
Doch bevor diese kommen konnte, sei der 61-Jährige vom Unfallort geflüchtet. Die anderen Unfallbeteiligten hätten sich das Autokennzeichen merken können und die Polizeibeamten haben den Angeklagten zirka zehn Minuten später zuhause angetroffen. Wieder behauptete er, er habe daheim weiteres Bier konsumiert. Die Blutuntersuchung im Krankenhaus ergab einen Wert von 1,89 Promille.
Eine Gutachterin versuchte, dem eigentlichen Alkoholwert des Angeklagten auf die Spur zu kommen. Grundsätzlich sei es möglich, auch in wenigen Minuten größere Mengen Bier zu trinken, erklärte sie. Vor allem für geübte Trinker. Da er zwar nach Alkohol roch, aber keine größeren Ausfallerscheinungen zeigte – weder bei den Unfällen, noch bei der Blutabnahme -, sei der 61-Jährige sehr an den Alkohol gewöhnt.
Sie rechnete vor: Wenn man den Nachtrunk von einem Liter Bier beim ersten Fall als gegeben annehmen würde, hätte er beim Unfall einen Alkoholwert von 1 Promille gehabt. Beim zweiten Fall hätte er einen Wert von 1,29 Promille gehabt, wenn er zu Hause noch einmal zwei Bier je einen halben Liter getrunken hätte.
Auflage ist eine Entziehungskur
Obwohl diese Rechnungen noch immer einen viel zu hohen Alkoholwert angaben, war es für Staatsanwaltschaft und die vorsitzende Richterin Ulrike Steiner nicht bewiesen, dass der Angeklagte in den wenigen Minuten noch so viel Alkohol konsumiert haben soll. Vielmehr waren beide von einem massiven Alkoholproblem beim Angeklagten überzeugt. Aus diesem Grund wurde als Teil der Bewährung die Teilnahme an einem Alkoholsuchtprogramm festgeschrieben. „Ohne diese Auflage müsste man jederzeit damit rechnen, dass Sie wieder betrunken ins Auto steigen“, so Richterin Steiner.
Fast zur Nebensache wurde die Tatsache, dass der 61-Jährige keinen gültigen Führerschein besaß. Er hatte ihn wegen Fahren unter Alkoholeinfluss im Jahr 2017 verloren. Und sich Anfang 2023 bei den Behörden im Ausland, die ihm die Fahrerlaubnis erstmals ausgestellt hatten, einen neuen aushändigen lassen. Richterin Steiner hielt dem Angeklagten vor, sehr genau gewusst zu haben, dass er die Fahrerlaubnis ganz verloren hatte und sich nicht einfach ein neues Dokument habe ausstellen lassen können.
Der Angeklagte muss neben einer stationäre oder ambulanten Therapie für seine Alkoholsucht noch eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro an die Drogenberatung bezahlen.