Mit Hand- und Fußfesseln betritt ein 35-Jähriger aus Stockach begleitet von zwei Vollzugsbeamten den Gerichtssaal im Amtsgericht Konstanz. Er wirkt ängstlich, vermeidet jeglichen Blickkontakt mit den Anwesenden. Wie ein aggressiver Straftäter wirkt der Angeklagte keinesfalls. Auch nicht, wie jemand der Fesseln tragen müsste. Doch die sind offenbar nötig, denn die Anklage zeichnet ein anderes Bild.
Der Angeklagte soll am 13. April 2022 nach einem selbst verursachten Autounfall unter Alkoholeinfluss massiven Widerstand gegen die Polizei geleistet haben. Er habe sich sehr aggressiv gezeigt und die Beamten beleidigt. Zudem soll er sich bei der anschließenden Blutentnahme im Krankenhaus mit Fußtritten gegen die behandelnden Ärzte gewehrt haben. Der 35-Jährige räumt vor Gericht alle ihm vorgeworfenen Straftaten ein. Dafür muss er nun für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis.
„Er wirkte bedrohlich“
Trotz seines Geständnisses waren insgesamt 18 Zeugen zur sechsstündigen Verhandlung geladen, um den Fall aufzuarbeiten. Unter ihnen waren auch mehrere Polizeibeamte. Einer von ihnen bezeichnete den Angeklagten als hoch aggressiv. Er habe bedrohlich gewirkt und sich unverschämt verhalten, lautet eine Aussage in Bezug auf den verursachten Autounfall. Auch andere Zeugen schildern ihn als gefährlichen Mann.
Vor Gericht macht der Mann einen anderen Eindruck. Er hat die Hände gefaltet, lässt den Kopf hängen. Und er tut etwas, was im Gerichtssaal nicht die Regel ist: Er entschuldigt sich bei den Zeugen, denen er Schaden zugefügt hatte.
„Warum haben Sie das gemacht?“
Selbstverständlich schien für den Angeklagten hingegen der Konsum von Alkohol gewesen zu sein. Zum exzessiven Trinken seien auch harte Drogen dazugekommen, wie er berichtet. Ein bis zwei Gramm Amphetamin konsumierte er laut eigener Aussage pro Woche. Dazu kamen Cannabis und Kokain. „Warum haben Sie das gemacht?“, fragt Schöffin Marlies Bantle.
Anfangs sei es nur um den Spaßfaktor gegangen, so die Antwort des Angeklagten. Aus dem Spaß sei jedoch schnell eine Sucht geworden, weshalb er mehrmals seinen Job verlor.
Eine Situation, die sich für den 35-Jährige noch verschlimmern sollte: Einen schweren Schicksalsschlag musste er 2018 verkraften, als seine Schwester starb. Das habe ihm den Rest gegeben, so der Angeklagte. An eine Therapie habe er mehrmals gedacht, die Initiative jedoch letztendlich niemals ergriffen.
Trotz dieser einschneidenden Ereignisse sieht der Staatsanwalt schließlich keine Grundlage für eine Strafmilderung. „Ich sehe ein extrem hohes Risiko für Rückfälligkeit“, so die Schlussfolgerung des Staatsanwaltes. „Sie haben ein Geständnis abgelegt und haben Reue gezeigt, das spricht für Sie. Doch bei derart vielen Einträgen sehe ich keine Option für eine Minderung des Strafmaßes.“ Das Vorstrafenregister des Angeklagten umfasste 15 Einträge, darunter Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung.
Der Staatsanwalt beantragt daher zwei Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe sowie ein Fahrverbot von drei Jahren. Außerdem fordert er die Unterbringung des Angeklagten in einer Entzugsklinik. Das Gefährdungspotenzial sei nach wie vor sehr hoch, stellt der Staatsanwalt am Schluss seines Plädoyers dar.
Urteil fällt deutlich aus
Der Verteidiger Christoph Nix hingegen greift noch einmal die schwierigen Umstände seines Mandanten rund um den Verlust seines Jobs und seiner Schwester auf. Er nennt zusätzlich das Geständnis sowie die Reue und die Bereitschaft des 35-Jährigen, sich einer Therapie unterzuziehen. Er beantragt daraufhin eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren.
Nach einer 20-minütigen Unterbrechung fällt das Urteil: Zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe. Am Straßenverkehr darf der 35-Jährige für drei Jahre nicht teilnehmen.