Etliche Skulpturen säumen derzeit die Schilfpromenade in der Sankt-Johannis-Straße zum Outlet-Center Seemaxx. Die darauf abgebildeten Menschen waren Stars im deutschen Sport. Sie waren Deutsche Meister, Europa- und Weltmeister, Sieger bei Olympiaden und auch Gründer des weltgrößten Verbands, des Deutschen Fußballbundes (DFB), oder des erstmals in Konstanz erschienenen Magazins „Kicker“.

Was die gefeierten Idole ihrer Zeit gemeinsam hatten, war ihr Glaube: Sie waren Jüdinnen und Juden. Im NS-Staat wurden sie ausgegrenzt, entrechtet, zur Flucht gedrängt oder ermordet. Die Wanderausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ würdigt den bedeutenden Anteil jüdischer Athleten an der Entwicklung des modernen Sports in Deutschland. Die Wanderausstellung wird erstmals am Bodensee gezeigt und ist bis 22. September in Radolfzell zu sehen, kürzlich war die Vernissage.
Ausstellung zeigt 17 Sportler
Die Ausstellung wurde von der IG Sport und dem Kulturbüro der Stadt Radolfzell organisiert und von Oberbürgermeister Simon Gröger eröffnet. Die Ausstellung begreift er nicht nur als ein kulturelles Ereignis, sondern auch als ein historisches Mahnmal, als einen Ort der Erinnerung wie der Würdigung und Reflexion, erklärte der bei der Vernissage.
Die Leistungen der Athleten hätten den deutschen Sport maßgeblich geprägt. „Und doch wurden sie in der Zeit des Nationalsozialismus aus ihren Vereinen ausgeschlossen. Sie wurden verfolgt, ihrer Titel, ihrer Würde, und auch oft ihres Lebens beraubt – einzig allein, weil sie Juden waren“, so Gröger.
Die Ausstellung erzähle die Geschichte von 17 Sportlern – über deren Erfolge und gleichzeitig auch von unfassbarem Leid. Sie gebe ihnen die Stimme zurück, erinnere aber auch daran, wie fragil gesellschaftliche Anerkennung sein könne, wenn sie nicht auf dem Fundament der Menschlichkeit und des Respekts beruht.
Sport als Verständigung zwischen Völkern
Wolf-Dieter Karle ist Vizepräsident beim Badischen Sportbund Freiburg. Für ihn ist es eine gute Idee, die vergessenen Sportler nochmals zurück ins Gedächtnis zu rufen. Viele der Sportler hätten für Deutschland Sportgeschichte geschrieben, nur wenige von ihnen hätten die Zeit des Nationalsozialismus überlebt.

„Die Ausstellung erfüllt eine wichtige Bedeutung“, so Karle. In Zeiten des wieder aufkommenden Antisemitismus sei es wichtig, den Finger in die Wunde zu legen. Die vorgestellten Sportler hätten ihren Verein bekannt gemacht, sagte Wolf-Dieter Karle. Und ihre sämtlichen Leistungen seien aus den Tabellen getilgt worden. Sie wurden aus den Vereinen aussortiert und umgebracht. „Wer seine Geschichte nicht kennt, ist seiner Zukunft nicht würdig“, sagte Wolf-Dieter Karle.
Sport, so zitiert er auch zustimmend den Fußball-Pionier Walther Bensemann, sei vielleicht die einzig wahre Verständigungsmöglichkeit zwischen Völkern und Klassen.
Er gründete etliche Vereine in Süddeutschland
Bensemann ist einer der Sportler, die in der Wanderausstellung vorgestellt werden. Er lernte den Fußball im Schweizer Internat und in England kennen und habe ihn nach Deutschland gebracht, sagte Wolf-Dieter Karle: Er war Mitbegründer des DFB und Mitgründer der Zeitschrift „Kicker“, die erstmals in Konstanz erschien und als die beste Sportzeitung auf dem Kontinent galt.
Fußballpionier Bensemann beteiligte sich an der Gründung von sehr vielen Fußballclubs im Süden Deutschlands, unter anderem der Frankfurter Kickers, einer der Vorläufervereine von Eintracht Frankfurt, sowie der Fußballabteilung des MTV München, aus der der FC Bayern München hervorging. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten floh er in die Schweiz. Er starb 1934 in Montreux in einem Alter von 61 Jahren.
Angst vor Widerstand gegen Ausstellung
Die Schau findet auf dem Gelände des Seemaxx statt. Die Managerin des Outlet-Centers, Christine Glasow, zeigte anfangs Bedenken für die Ausstellung im öffentlichen Raum. Sie sorgte sich um die Unversehrtheit der Skulpturen. Im Team habe man aber beschlossen, dass es bei dieser Ausstellung nicht um Politik gehe, sondern um Respekt, um Toleranz und um Rückgrat. Man solle für andere einstehen und dürfe nicht wegschauen, sagte Glasow.
Christof Stadler ist Radolfzeller Stadtrat. Für den Historiker ist die Promenade der richtige Standort für die bemerkenswerte Ausstellung. Es sei eine gute Sache, die Menschen in ihrem Alltag anzusprechen. Radolfzell zeigte sich noch kurz vor dem Machtwechsel resistent gegenüber den Nationalsozialisten. 1932 lehnte der Gemeinderat die Ehrenbürgerschaft für Adolf Hitler ab. Doch der Widerstand gegenüber den Machthabern kippte. Die Ausstellung bringe für ihn das Politische und Menschenwürdige wieder in den Blick.
Radolfzell ist der 52. Standort
Seit zehn Jahren tourt die Ausstellung durch Deutschland. Radolfzell ist der 52. Standort. Kurator Henry Wahlig ist Sporthistoriker. Seit 2015 verantwortet er das Veranstaltungs- und das Kulturprogramm des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund. Ziel der Kuratoren war es, eine größtmögliche Öffentlichkeit zu erreichen. „Wenn die Besucher nicht mehr in die Museen gehen, dann geht das Museum zu den Menschen“, sagte Wahlig bei der Vernissage.
Man wolle die Menschen in ihrer Leidenschaft für den Sport abholen und ihnen dabei auch ein Stück Deutsche Geschichte und Menschlichkeit näherbringen. Da Juden oftmals in Opferrollen gedrängt wurden, wollten die Kuratoren sie in ihren Erfolgen darstellen.
Als Bezug zur Gegenwart wird auch die Geschichte der Schwimmerin Sarah Poewe erzählt, die in der olympischen Schwimmstaffel in Athen mit Franziska van Almsick 2004 Bronze-Medaille holte. Sie ist die erste jüdische Athletin, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine olympische Medaille für Deutschland gewann.