Daniela Ohlemacher und Manfred Graßl aus dem Lindenbühl auf dem Reichenauer Festland sind genervt. Sie klagen über eine Zunahme von Fluglärm, der ihrer Meinung nach vor allem vom Konstanzer Flugplatz ausgeht. "Über uns ist ein nahezu dauerhaftes Dröhnen", schrieb Ohlemacher kürzlich an die Gemeinde. Neben den Flugzeugen seien Helikopter, die zu Rundflügen starten, sehr laut – an Wochenenden gebe es alle 30 Minuten Starts und Landungen. "Diese Zunahme der Beschallungen ist unerträglich." Graßl berichtet, dass er, wenn er im Sommer draußen sitze, die Unterhaltung unterbrechen müsse, wenn ein Flugzeug starte. "Die Startphase bekommen wir voll mit."

Bürgermeister Wolfgang Zoll hat in Erfahrung gebracht, dass es im Jahr 2015 eine Änderung in der deutschen Luftverkehrsordnung gegeben hat, die vermutlich einer der Hauptgründe für den zunehmenden Lärm sei. "Die Flughöhen wurden gesenkt", so Zoll, dies sei eine Anpassung an EU-Recht. Bei Überlandflügen gelte für Kleinflugzeuge nicht mehr eine Mindesthöhe von 600 Metern über Grund, sondern nur noch von 300 Metern, über unbesiedeltem Gebiet sogar nur noch von 150 Metern. "Dadurch wird der Fluglärm intensiver wahrgenommen".

Zoll wandte sich an die Landesluftfahrtbehörde beim Regierungspräsidium Stuttgart (RP). Und diese arbeite nun an Maßnahmen, die das Problem lindern sollen. Eine mögliche Handhabe sei laut RP, dass der Flugplatz – ebenso wie die Insel Reichenau und der komplette Bodanrück – innerhalb einer ganzjährigen Vogelgefahrenzone liege; das bedeute, Vögel könnten durch Luftfahrzeuge aufgeschreckt und gefährdet werden und umgekehrt könnten Vögel für die Flugzeuge bei einer Kollision gefährlich werden.

Daher werde das RP den Piloten dringend empfehlen, in diesem Gebiet wieder eine Mindesthöhe von 600 Metern über Grund einzuhalten. Es handele sich allerdings um eine "Muss-wenn-kann"-Regelung, so Zoll. Wenn ein Flieger nicht so schnell in die Höhe komme, könne er auch tiefer fliegen. Zudem wolle das RP die An- und Abfluglinien verändern. Die Piloten sollen länger geradeaus fliegen und steigen, bevor sie abdrehen.

Sie sollen dann nicht mehr über die Insel Reichenau, den Lindenbühl, das Zentrum für Psychiatrie, Allensbach, Hegne oder Allmannsdorf fliegen. Und die Piloten von Hubschraubern sollen die ganze Startbahn nutzen, um bereits über dem Flugplatz an Höhe über Grund zu gewinnen – möglichst auch 600 Meter. "Man muss sehen, was die Änderungen bringen", so Zoll.

Eine Zunahme an Flugzeugen, wie die Anwohner meinen, gebe es aber nicht, beteuert Robert Leitner, der Flugleiter des Konstanzer Platzes. Die Zahl der Starts und Landungen liege seit Jahren recht kontinuierlich bei rund 5000. Leitner meint, es seien sicher auch nicht die hier ansässigen Vereine, Flugschulen oder Betriebe, die Probleme verursachen, sondern vielmehr auswärtige Piloten. "Wir weisen gerade Fremde darauf hin, richtig an- und abzufliegen", betont Leitner. "Wir achten sehr darauf, weil wir wissen, wie lärmsensibel es hier ist. Wir geben uns Mühe, dass sich die Leute an die Regeln halten."

Doch Leitner merkt auch an: "Man hat nicht alle im Griff." Zudem gebe es auch viele Bodenseerundflüge, die anderswo starten und landen. "Auf die haben wir keinen Einfluss." Berndt Stadelhofer von der örtlichen Flugschule erklärt, seine Ultraleichtflugzeuge dürften ohnehin maximal 60 Dezibel verursachen. "Ein Staubsauger ist lauter." Und: "Der Trend geht zu Leichtflugzeugen." Mit diesen gebe es kein Lärmproblem, weil sie leiser seien und schneller steigen.

Die Anwohner glauben, es sei nicht mehr zeitgemäß, einen Flugplatz an dieser Stelle zu betreiben – zwischen Naturschutzgebiet und dichter Wohnbebauung. "Das kann ich nicht nachvollziehen", so Graßl. Ohlemacher fordert, die Gemeinde Reichenau sollte sich in der Diskussion über die Zukunft des Flugplatzes klar positionieren.

Lärm im Lindenbühl

Die Bewohner des Reichenauer Ortsteils Lindenbühl reagieren auch deshalb sensibel auf Fluglärm, weil sie in den vergangenen Jahren stetig Lärmquellen ertragen mussten: Angefangen mit dem Bau der B 33 und Kindlebildkreuzung, hinzu kam die Erschließung des Gewerbegebiets Göldern-Ost – beides verbunden mit Schwerlastverkehr. Die neue Gemeindeverbindungsstraße wurde einseitig geöffnet und brachte mehr Verkehr. In diesem Jahr sorgte die Sanierung der Bahnsteige für eine weitere Lärmquelle.