Ob die erste Gerichtsverhandlung seines Lebens den gewünschten Eindruck hinterlassen hat? Mit etwas hängenden Schultern sitzt der 45-jährige Angeklagte gegenüber der Staatsanwältin im Singener Amtsgericht und hört sich an, wie sie wortwörtlich anklagt: „Dazu werden kleine Kinder gezwungen und Schuld sind Menschen wie Sie! Was wäre,wenn das jemand mit Ihren Kindern macht?“ Der Angeklagte hat zwei Töchter und führt auch sonst ein unauffälliges Leben im Hegau: Er ist seit vielen Jahren bei der gleichen Firma beschäftigt, zahlt Unterhalt für seine Kinder. Wären da nicht die Bilder und Videos auf seinem Smartphone, die eine sexuell geprägte Vorliebe für Kinder und Jugendliche zeigen.
Ein zerstörtes Menschenleben für ein Bild
Er hat selbst kein Kind angefasst, sondern vermeintlich nur Bilder und Videos angesehen sowie geteilt. Doch mit seiner Nachfrage nach kinder- und jugendpornografischem Material bediente der Mann einen fatalen Kreislauf: Solange Menschen solche Bilder und Videos sehen wollen, werden Kinder und Jugendliche zu solchen Aufnahmen gezwungen. Deshalb fanden Richterin und Staatsanwältin bei der Verhandlung deutliche Worte: „All diese Bilder und Videos haben einen Hintergrund“, sagte die Staatsanwältin. Das Leben der abgelichteten Menschen sei zerstört, viele seien jahrelang in therapeutischer Behandlung. Und das nur, damit Menschen wie der Angeklagte ein paar Bilder und Videos ansehen können.
Verurteilt wurde er trotz zwei einschlägigen Vorstrafen zu 18 Monaten Haft auf Bewährung. Wenn er innerhalb von drei Monaten keine Therapie beginnt, muss er jedoch ins Gefängnis.
Angeklagter räumt Taten ein und kündigt Therapie an. Doch die sei schwer zu finden
Der 45-Jährige war Mitglied einer WhatsApp-Gruppe namens „Nudes bis 16“, in der eindeutige Bilder ausgetauscht wurden. Die Staatsanwaltschaft Hannover sei 2019 auf die Gruppe und ihre Mitglieder gestoßen, die Staatsanwaltschaft Konstanz ermittelte weiter und erhob Anklage. Und das nicht zum ersten Mal: Der Angeklagte ist seit 2008 auffällig und wurde zwei Mal wegen ähnlicher Delikte bestraft. Er musste erst mit einer Geldstrafe und dann mit einer Freiheitsstrafe auf Bewährung büßen. Das waren Strafbefehle ohne Verhandlung, zwei weitere Ermittlungen wurden eingestellt. „Ich hab den Scheiß gemacht“, räumte der Angeklagte nun unumwunden ein und kündigte an, eine Therapie machen zu wollen.
Er beteuerte schon mehrfach, damit aufzuhören.
So ging es vor Gericht weniger um die Taten, festgestellt wurden dutzende Bilder und Videos, als um die Strafe dafür. „Sie erzählen nicht zum ersten Mal, dass Sie das nicht mehr machen“, sagte die Staatsanwältin. Bei der Polizei habe er seine Taten als Dummheiten bezeichnet, doch das sei verharmlosend. Sie hätte sich ohnehin mehr Einsatz vom Angeklagten gewünscht: „Wenn man so ein Problem hat, muss man es angehen.“ Einige Angeklagte in ähnlichen Situationen würden versichern, dass Kinder sie eigentlich nicht sexuell ansprechen – doch das sei eine typische Ausrede, wenn dann immer wieder eindeutige Dateien gefunden werden.
Mit dem Urteil muss der Mann sich nun intensiv um eine Therapie bemühen und das Gericht über Fortschritte informieren. Der 45-Jährige muss zusätzlich eine Geldstrafe von 2000 Euro zugunsten des Krankenhausvereins Singen leisten. Er hat das Urteil bereits akzeptiert, die Staatsanwaltschaft kann Revision einlegen.