Normalerweise wird am Amtsgericht Singen jeden Tag verhandelt. Teils stehen dann nur ein, zwei oder drei Termine auf der Tagesordnung, manchmal sind es fast ein Dutzend. Zehn Richter sind in den verschiedenen Abteilungen damit beschäftigt, Recht zu sprechen. Doch das muss nun bis nach den Osterferien warten, Coronavirus sei Dank. Um die Ansteckung mit der Atemwegserkrankung zu vermeiden, sind Prozesse verschoben. Nur wenige Anliegen werden sofort bearbeitet. Bis Freitag, 17. April, finden laut Johannes Daun, Leiter des Amtsgerichts, nur unabdingbare Termine statt.
Dazu zählt zum Beispiel, wenn jemand sein Erbe ausschlagen möchte, wie er auf SÜDKURIER-Nachfrage erklärt. Doch unabdingbar seien nur sehr wenige Termine. Auch ohne öffentliche Verhandlung kommen nur die wenigsten Strafsachen aus. Das bedeutet laut dem Leiter des Singener Amtsgerichts: „Der Betrieb kommt fast zum Erliegen.“
Betreuungsfälle werden zur Herausforderung
Eine besondere Herausforderung sei der Coronavirus für die Beschäftigten der Betreuungsabteilung. Sie besuchen normalerweise vor Ort diejenigen, die bereits unter Betreuung stehen oder einen Betreuer erhalten sollen. Das heißt, sie sind in Altenheimen oder Privatwohnungen unterwegs und haben viele Kontakte mit Menschen, auch mit solchen die zur Risikogruppe zählen. Das soll aber in nächster Zeit nur noch sehr eingeschränkt geschehen, wie Johannes Daun erklärt.
Öffentliche Verfahren sind Dreh- und Angelpunkt
Einige Dinge könnten ohne mündliche Verhandlung und schriftlich erledigt werden. Jede Abteilung sei arbeitsfähig, aber in einer Notbesetzung: Um das Ansteckungsrisiko zu senken, hat das Amtsgericht einen Schichtbetrieb eingerichtet, sodass nur noch eine Person pro Büro arbeitet. Eine elektronische Akte gebe es noch nicht, daher würden nur Eilsachen sofort erfasst und bearbeitet. Doch Dreh- und Angelpunkt der Justiz sei ohnehin die öffentliche, gerichtliche Anhörung, sagt Johannes Daun. Da die öffentliche, gerichtliche Anhörung derzeit nicht möglich ist, bleiben viele Strafverfahren vorerst liegen und müssen anschließend aufgearbeitet werden.
Vor einer Woche noch Verhandlung mit 30 Menschen. Heute undenkbar
Johannes Daun reagiert mit den Maßnahmen auf die zunehmende Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus, wie er erklärt. Noch vergangene Woche habe er verhandelt und dabei saß eine Schulklasse mit rund 30 Jugendlichen in seinem Gerichtssaal, um den Prozess mitzuerleben. Das sei nach aktuellem Kenntnisstand zu gefährlich. Als staatliche Behörde müsse das Amtsgericht Singen dazu beitragen, die Verbreitung des Virus einzudämmen.
Wer ein Anliegen hat, soll sich telefonisch ankündigen. Das Amtsgericht ist montags bis donnerstags von 8 Uhr bis 12 Uhr sowie von 14 Uhr bis 15.30 Uhr, freitags von 8 Uhr bis 12 Uhr telefonisch erreichbar unter (0 77 31) 400 10.