Fabio Bleise

Sie erfüllen nicht alle Klischees: Die beiden Angeklagten vor dem Singener Amtsgericht sind zwar jung, männlich und der Tatort war einmal mehr die Singener Südstadt. Sie fahren aber weder getunte Protz-Karren, noch sind sie aus der Schweiz: Zwei Singener sollen mit einer Mercedes E-Klasse und einem Subaru-Kombi ein nächtliches, illegales Autorennen veranstaltet haben. Laut Staatsanwaltschaft ist der Ablauf typisch für ein solches Rennen. Kurios ist aber der Grund, den die Angeklagten vor dem Amtsgericht Singen für ihre schnelle Fahrt nannten: Die Beifahrerin habe ganz dringend Wasser ablassen müssen.

Zivilstreife beobachtete, wie die Männer Gas gaben

Der 18- und der 24-Jährige waren am 25. Mai 2019 gegen 2.30 Uhr mit ihren Autos und jeweils einem Beifahrer in der Südstadt unterwegs. Sie trafen sich auf der Georg-Fischer-Straße, wo sie nebeneinander stadtauswärts fuhren. Dabei wurden sie von einer Zivilstreife beobachtet, beide Beamten erinnerten sich gut an die Nacht. Die beiden Angeklagten haben ihnen zufolge zunächst auf unter 50 Stundenkilometer abgebremst und fuhren sehr nah beieinander, ehe sie nach Passieren des Blitzers schlagartig beschleunigten. Die Polizisten nahmen daraufhin die Verfolgung auf, wobei der Tacho 120 Stundenkilometer und mehr anzeigte – erlaubt waren aber nur 70.

„Alle Anzeichen sprachen für ein illegales Beschleunigungsrennen“, erklärte der 40-jährige Polizeihauptmeister als Zeuge. Beim Kreisverkehr in Richtung der Diskothek Top10 ließen die beiden ihre Autos ausrollen und wurden daraufhin von den Polizisten gestellt.

Angeklagte waren mit Strafbefehl nicht einverstanden

Zur Verhandlung kam es aber nur, weil die beiden Angeklagten mit dem Strafbefehl von 80 Tagessätzen à 60 Euro für den älteren beziehungsweise einer Geldstrafe von 1600 Euro für den jüngeren Angeklagten nicht einverstanden waren. Dazu wurde jeweils ein sechsmonatiges Fahrverbot gefordert.

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Alles nur Zufall und ein Gefallen? Wie die beiden den Abend schildern

Für die beiden Angeklagten stellte sich die Tatnacht ganz anders dar. „Wir haben uns per Zufall auf der Straße getroffen“, erklärten die beiden. Bei dieser Gelegenheit habe die Beifahrerin des 18-jährigen Mercedes-Fahrers, der zum Tatzeitpunkt gerade einmal knapp drei Wochen den Führerschein besaß, dem 24-Jährigen im Subaru signalisiert, dass sie dringend aufs Klo müsse – was er durch Lippenlesen verstanden haben will. Deshalb hätten sie abrupt beschleunigt, um sie zur nächsten Toilette zu bringen. „Mir war zwar klar, dass ich etwas zu schnell war, aber ich habe die Geschwindigkeit unterschätzt“, gab der 24-Jährige zu.

Warum er so schnell fuhr, obwohl die Beifahrerin bei seinem Freund im Auto saß, wurde nicht klar. Ein Blick in dessen Vorstrafenregister zeigte: Der 24-jährige Angeklagte ist schon durch mehrere Verkehrsdelikte aufgefallen.

Doch die Beifahrerin ging auch nach der Befragung nicht auf Toilette

Das Gericht und die Staatsanwaltschaft hatten große Zweifel an der vermeintlichen Begründung: Die junge Frau habe während oder nach der Kontrolle keine Toilette aufgesucht, sondern sei mit ihrer Begleitung davongefahren. Für den Staatsanwalt war die Sache klar: „Die äußeren Umstände lassen keinen Zweifel daran, dass es sich um ein illegales Autorennen handelt.“ Die typischen Anzeichen wie Verlangsamen und schlagartiges Beschleunigen sowie die lange Strecke von 1,5 Kilometern würden ein klares Bild zeichnen. „Wenn wir hier nicht von einem Rennen sprechen, wann denn dann?“, fragte der Staatsanwalt.

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Verteidiger: Solche Autos fahren doch kein Rennen

Der Verteidiger hingegen betonte, dass man bei zwei so unterschiedlichen, für ein Rennen untypischen Autos nicht darauf schließen könne, dass es sich um einen Wettbewerb handle. „Wir haben ja die Aussage der Zeugin, dass sie auf Toilette musste“, so der Verteidiger. Er gab zu, dass die Reaktion der beiden Fahrer falsch und „eine blöde Idee“ war. Dies tat er aber mit jugendlichem Leichtsinn und erhöhter Risikobereitschaft ab, er plädierte auf Freispruch.

Sechs Monate lang dürfen sie nun gar kein Auto bewegen

Richterin Jana Schumacher schloss bei der Urteilsverkündung zwar nicht aus, dass der Toilettendrang der Beifahrerin ein Mitgrund für das schnelle Fahren gewesen sein mag. „Dennoch weist der typische Ablauf der Tat eindeutig auf ein Rennverhalten hin“, so die Richterin. Auch mit alten Autos könne ein solches Rennen gefahren werden. Deshalb verurteilte sie den 24-Jährigen zu 80 Tagessätzen zu je 60 Euro. Der 18-jährige Mercedes-Fahrer wurde nach Jugendstrafrecht verwarnt und zu einer Zahlung von 800 Euro an den Krankenhaus-Verein Singen verpflichtet. Gegen beide Täter wurde zudem ein sechsmonatiges Fahrverbot ausgesprochen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Staatsanwaltschaft und Verteidiger können noch Revision einlegen.

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