Sie besteht nicht etwa aus Papier, sondern aus Altholz. Tommy Spörrer von der Agentur Event Promotions betrachtet die zwölf auf zwölf Meter große Jägerwald-Hütte trotzdem als eine Art Ticket. Für den Geschäftsführer von Event Promotions bildete das Gebäude die Eintrittskarte zum Winter Wonderland, jenem Weihnachtsspektakel, das zwischen November und Anfang Januar mehr als zwei Millionen Menschen in Londons Hyde Park lockt.
„Das Holz für die Hütte stammte aus alten Bauernhöfen und Schlössern im Schwarzwald“, berichtet Spörrer. „Ein Jahr lang haben wir gebraucht, um alles zusammenzuzimmern.“ Der Aufwand hat sich gelohnt. Mit ihrem Konzept einer urigen Almhütte, in der deftige deutsche Speisen, Bier und Glühwein serviert werden, hat man es geschafft, die britischen Organisatoren zu überzeugen. Sechs Jahre später ist die Veranstaltungsfirma, die zeitgleich auf dem Singener Rathausplatz den Hüttenzauber veranstaltet, nicht mehr aus der Wonderland-Gastronomie wegzudenken.

„Wir haben sogar expandiert“, sagt Spörrer. Neben der Jägerwald-Hütte kümmere sich Event Promotions mittlerweile um den Betrieb vier weiterer Hütten, an denen ebenfalls typisch deutsche Gerichte und Getränke serviert werden. Das für den Aufbau benötigte Material wird von Konstanz aus in einem LKW nach London transportiert. „Fünf zusätzliche voll beladene Lastwagen sind das Jahr über in der Nähe des Flughafens Gatwick geparkt“, fügt Spörrer hinzu. Fünf Personen stark ist auch das Mitarbeiterteam aus dem Umkreis von Singen, Radolfzell und Konstanz, das den Winter über in der englischen Hauptstadt im Einsatz ist. „Unser Kernteam koordiniert vor Ort wiederum bis zu 60 Arbeitskräfte, die uns von einer englischen Personalagentur vermittelt werden“, erklärt er.

Spörrer kommt aus Konstanz, wo auch der Firmensitz liegt. Den Geschäftsführer-Posten teilt er sich mit Frank Schuhwerk aus Randegg. Unter dem Jahr kümmern sich die Beiden gemeinsam um die Planung von Hüttenzauber und Winter Wonderland. „Da kann es schon mal sein, dass ich nach London fliege, um Absprachen zu treffen oder Verträge zu unterzeichnen“, berichtet Schuhwerk. Im Winter ist der Randegger dann aber hauptsächlich für den Singener Weihnachtsmarkt zuständig – Spörrer hält den Kontakt zur Insel. „In diesem Jahr war ich während des Aufbaus zwei Wochen lang in London, dann bin ich für die Eröffnung des Hüttenzaubers zurück nach Singen gekommen“, geht Spörrer gedanklich den Kalender durch. „Danach ging es noch mal für ein paar Tage nach London. Und kurz vor Weihnachten bin ich dieses Jahr das letzte Mal dort.“ Wo liegen für ihn die Hauptunterschiede zwischen Hüttenzauber und winterlichem Wunderland?
Glühwein übersetzt
„Das Winter Wonderland ist eher eine Mischung aus Oktoberfest, Weihnachtsmarkt und Rummel. Es gibt dort riesige Achterbahnen, sogar einen Free Fall Tower.“ Das Publikum bestehe zur Hälfte aus Engländern und zur Hälfte aus Touristen aus aller Welt. „Viele waren noch nie auf einem Weihnachtsmarkt – wenn sie zu unseren Hütten kommen, nippen sie dann zum ersten Mal ganz aufgeregt an einem Glühwein“, sagt Spörrer und schmunzelt. Immerhin wüssten die Besucher inzwischen, um was es sich bei Bratwurst und Glühwein handelt. In den ersten Jahren habe man die Begriffe noch ins Englische übersetzen müssen. Mittlerweile haben sich die deutschen Weihnachtsmarkt-Klassiker jedoch als Exportschlager erwiesen.

Auf ähnliche Weise könnte man auch Event Promotions beschreiben. Für den Erfolg ihrer Agentur zahlen die Mitarbeiter aber auch einen hohen persönlichen Preis: „Letztes Jahr habe ich noch am Weihnachtsabend auf dem Winter Wonderland gearbeitet“, erinnert sich Spörrer. Der Grund: In England werde nicht am Heiligabend, sondern erst am Tag danach Weihnachten gefeiert. „Am 25. Dezember steht in London dann alles still, sogar die Flughäfen und die U-Bahn. Zum Glück ist es den Kollegen und mir trotzdem gelungen, ein Restaurant zu finden, in dem wir gemeinsam feiern konnten.“

Jeder Tag bringt Wurstkontrollen
Solche Alltags-Herausforderungen begleiten die Agenturmitarbeiter auch in ihrem siebten Jahr im Königreich. „Spannend wird es immer, wenn wir Reparaturen durchführen müssen“, verrät Spörrer. „Da gibt es nicht mal eben einen Baumarkt in der Nähe. In der Umgebung des Hyde Park findet man, wenn überhaupt, nur Fachgeschäfte.“ Zudem herrsche im Zentrum Londons so viel Verkehr, dass man immer gleich mehrere Stunden unterwegs sei. Das könnte auch damit zu tun haben, dass der Zugang zum Veranstaltungsort streng kontrolliert wird – so wie fast alles auf dem Winter Wonderland: „Die Qualitätsstandards sind hoch – so wird zum Beispiel täglich die Temperatur unserer Kühlschränke kontrolliert“, berichtet Spörrer. „Es wird sogar gemessen, wie heiß die Würste sind, die wir verkaufen.“
Der bürokratische Aufwand könnte sich noch erhöhen, sollte es tatsächlich zum angedachten Brexit kommen. „Im Moment hat man aber das Gefühl, dass die Briten selbst noch nicht genau wissen, was sie da erwartet“, meint Frank Schuhwerk. „Wir sehen dem nächsten Winter Wonderland deshalb trotz allem gelassen entgegen.“

Winter Wonderland
Seit 2007 findet im Londoner Hyde Park zwischen Mitte November und Anfang Januar das Winter Wonderland statt. Dabei handelt es sich um einen Weihnachtsmarkt mit mehr als 100 Attraktionen, Shows und einem eigenen Zirkus. Seit dem Jahr 2016 können Besucher in den Olympia Looping einsteigen, die größte portable Achterbahn der Welt. Das Winter Wonderland ist täglich zwischen 10 und 22 Uhr geöffnet. Seit seiner Premiere hat der Markt im Herzen der englischen Hauptstadt rund 14 Millionen Besucher aus aller Welt angezogen. Damit ist das Winter Wonderland eine der weltweit größten Veranstaltungen seiner Art. Die Agentur Event Promotions, deren Geschäftsführer aus Konstanz und Randegg stammen, ist seit 2012 dabei.