Überflutete Dörfer, verwüstete Städte – das Ausmaß der Hochwasserschäden der vergangenen Woche in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist groß. Dort steht nach den Regen-Katastrophen in vielen Ortschaften kaum mehr ein Stein auf dem anderen. Zwischen Trümmern versuchen Anwohner und freiwillige Helfer verzweifelt, ein wenig Ordnung in das Chaos zu bringen. Aber: Sie werden Wochen und Monate brauchen.

Um das Chaos in den beiden Bundesländern in den Griff zu bekommen, waren am Wochenende zahlreiche Helfer im Einsatz, viele sind immer noch vor Ort. Sie sind bei ihrer Arbeit bis an das Leistbare und oft darüber hinaus gegangen. Zwei von ihnen stammen aus Singen und dem Hegau. Luca Kramer kommt aus Gottmadingen, Andreas Dreher aus Singen.

Beide sind beim Deutschen Roten Kreuz aktiv und als der Hilferuf aus den verwüsteten Städten und Dörfern kam, haben sie nicht weggehört. Vier Tage lang waren sie bis vor Kurzem nahezu Tag und Nacht im Einsatz. Vor allem in Ahrweiler und Dernau. Dort haben die Unwetter die Menschen besonders hart getroffen. Oder wie es Andreas Dreher formuliert: „Dernau ist eine komplette Geisterstadt.“
Andreas Dreher ist Sanitätshelfer, Luca Kramer Rettungssanitäter. Als der Hilferuf aus dem Bundesland Rheinland-Pfalz am Donnerstag vergangene Woche gegen 16.30 Uhr in Singen eingetroffen sei, wussten beide nicht im geringsten, was auf sie zukommen würde. Natürlich hätten sie die Nachrichten an jenem Tag verfolgt. „Aber auf das, was wir Stunden später zu sehen bekommen haben, konnte uns keiner vorbereiten“, sagt Luca Kramer.

Besonders ein Bild habe sich dem jungen Gottmadinger ins Gedächtnis gebrannt: „Da stand auf einmal ein blauer Schifffrachtcontainer in einem Garten. Ich dachte mir nur: Wie kommt der da hin?“
Abfahrt mit einem mulmigen Bauchgefühl
Zusammen mit je zwei weiteren Kollegen des Deutschen Roten Kreuzes und der Malteser aus Konstanz trafen die Helfer aus dem Hegau und Singen im Krisengebiet ein. Ob sie gezögert hätten, bevor sie losgefahren sind? Die Antworten der beiden Freiwilligen geht auseinander. Andreas Dreher verneint diese. „Ich wollte den Menschen dort helfen.“
Luca Kramer wird nachdenklich bei dieser Frage. Dass dort geholfen werden muss, sei auch ihm klar gewesen. Aber: „Wenn ich jetzt sage, dass ich nicht gezögert habe, wäre dies gelogen. Ich wusste nicht, was auf mich als Person und auch als Fahrzeugverantwortlicher zukommen wird.“ Eine solche Katastrophe kenne man normal nur aus anderen Ländern. „Wir sind schon mit einem mulmigen Bauchgefühl dorthin gefahren.“ Vor Ort war die Evakuierung von Krankenhäusern und Altenpflegeheimen aber auch von Hospizen die Aufgabe der beiden Helfer.
Geschlafen wurde kaum. Wenn dann höchstens für drei bis vier Stunden hinten im Notfall-Krankentransportwagen – kurz Notfall-KTW. „Wir haben, wenn es hoch kommt, zehn Stunden geschlafen“, sagt Andreas Dreher. Aber er betont, dass er nicht jammern wolle. Er und sein Kollege Luca Kramer hätten gerne geholfen und da stehen die eigenen Wehwehchen hinten an. „Vielen Menschen da oben geht es viel, viel schlechter. Die haben alles verloren, viele auch Angehörige“, sagt er.

Zurück im Hegau sind die beiden Helfer noch dabei, das Gesehene zu verarbeiten. Und das wird auch noch eine ganze Weile dauern. Im Nachgang wird es dazu mehrere Einsatznachgespräche unter anderem mit der Kreisbereitschaftsleitung und dem Einsatznachsorgeteam geben. „Ich bereue nicht, dass wir geholfen haben und ich würde es jederzeit wieder tun. Aber ich war erleichtert, als wir alle wieder gesund daheim bei unseren Familien eingetroffen sind“, sagt Luca Kramer. Er sei froh, dass nun weitere Rettungssanitäter bereit stehen, um in die Katastrophengebiete zu fahren. Am Sonntag hätten beide gefühlt zwölf Stunden am Stück geschlafen, der Akku sei leer gewesen. Verdient haben sie es sich!