
Es ist Montagnachmittag, 15.15 Uhr. „In etwas mehr als drei Stunden sind wir 100 Meter voran gekommen“, berichten Maria und Patrick Muffler. Zusammen mit ihrer Tochter Mia-Marie (14) warten die beiden seit 12 Uhr vor dem neu eingerichteten Abstrichzentrum auf ihre Corona-Tests.
„Als wir nach Spanien aufgebrochen sind, galt unser Ferienziel noch nicht als Risikogebiet“, erzählt Patrick Muffler. Das hat sich geändert. Jetzt müssten seine Frau und er bei der Arbeit schriftlich nachweisen, dass sie getestet worden sind, sagt der Mann aus Nenzingen.
Die Zeit drängt
Während er spricht, richtet sich sein Blick immer wieder auf das ehemalige Pförtnerhaus des Singener Krankenhauses in etwa 25 Metern Entfernung: „Ich hoffe, dass wir noch dran kommen, bevor die um 16 Uhr schließen.“ Die Mufflers könnten Glück haben, aber hinter ihnen hat sich in den vergangenen Stunden eine lange Menschenschlange gebildet.

Die Wartenden kommen aus den verschiedensten Orten im Landkreis. Was die meisten von ihnen eint: Sie sind in den vergangenen 72 Stunden aus dem Urlaub zurückgekommen und brauchen einen negativen Corona-Nachweis, um wieder zur Arbeit zurückkehren zu dürfen. Und: Sie sind genervt.
Wartende bleiben außen vor
„Es ist eine Frechheit, wir bekommen hier seit Stunden überhaupt keine Informationen“, berichtet Idonesa Ibrahimi. Sie sei am Wochenende aus dem Kosovo zurückgekehrt, sagt die Radolfzellerin, die in Konstanz als Arzthelferin arbeitet. „Ich wollte mich eigentlich im Krankenhaus testen lassen, aber da ich keine Symptome habe, hat man mich hierher geschickt.“
Je näher es dem Ende der Öffnungszeit entgegengeht, desto enger rücken die Wartenden vor dem Abstrichzentrum zusammen. Sicherheitsabstände werden kaum noch eingehalten. Jeder will heute noch dran kommen.
Familie Muffler schafft es gerade so. Patrick Muffler hat mit Schmerzen zu kämpfen, als er das ehemalige Pförtnerhaus verlässt. Mutter Maria und Tochter Mia-Marie folgen ihm mit Tränen in den Augen.
Das Teststäbchen müsse unangenehm tief in den Rachen und die Nasenlöcher gebohrt werden, damit ein Abstrich möglich sei, erzählen die drei. Aber Hauptsache, sie haben ihren Test in der Tasche. „Das Ergebnis bekommen wir dann in den nächsten Tagen.“
Neidvolle Blicke von hinten: Um 15.55 Uhr besteht die Schlange immer noch aus 65 Wartenden. Ihre Befürchtung wird kurze Zeit später Gewissheit. Die beiden Malteser, die den pensionierten Arzt im Inneren des Testzentrums bislang unterstützt haben, erklären den ersten Testtag für beendet. Zu diesem Zeitpunkt hat das Team 90 Abstriche gemacht, die restlichen Wartenden – unter ihnen viele Kinder – sollen morgen wiederkommen.

Lautstarker Protest ist die Antwort. Der junge Malteser zeigt sich nicht zu Diskussionen aufgelegt, er verschließt die Türe vor der aufgebrachten Menge. Daraufhin eskaliert die Stimmung. Ein Mann wirft ein Klemmbrett gegen die Tür. Er habe 40 Euro für ein Taxi nach Singen bezahlt, donnert er. „Wer bezahlt mir das?“
Personal ruft Polizei auf den Plan
Das Personal im Gebäudeinneren scheint sich bedroht zu fühlen. Sie verständigen die Polizei, die wenige Minuten später mit mehreren Streifenwagen anrückt. Mit verständnisvollen aber unmissverständlichen Worten bitten die Polizisten die Wartenden, nach Hause zu gehen.
Ob die Reiserückkehrer morgen mehr Erfolg haben werden? Das mag ihnen am Montagnachmittag niemand versprechen.
Tag Zwei soll besser werden
Am Dienstagvormittag bezieht Birgit Kloos Stellung zu Szenen des Vortags. Die Allgemeinärztin aus Singen ist in die Planungen der für das Abstrichzentrum zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung involviert. „Diejenigen, die gestern nicht mehr dran kamen, haben ihre Namen hinterlassen. Heute können sie sich mit ihren Formularen bei uns vorstellen.“
Selbst wenn die 72 Stunden seit der Einreise inzwischen abgelaufen sind, könnten sie sich noch testen lassen, sagt Kloos. Dass am Dienstag jeder an die Reihe kommt, mag sie allerdings nicht versprechen.

Sie hoffe, dass das inzwischen eingespieltere Team während der vierstündigen Öffnungszeit auf etwa 50 Abstriche kommt. „Eigentlich hätten wir ja nur einen Arzt und eine Hilfskraft vor Ort. Zum Glück hat sich ein Helfer, der normalerweise im Urlaub wäre, spontan bereit erklärt, einzuspringen“, berichtet sie. „Bereits gestern haben die drei wie die Wilden gearbeitet. Nach der Schließung waren sie noch Stunden mit der Bürokratie beschäftigt.“
Woher die Ärzte nehmen?
Dass es dem Testzentrum an Personal fehlt, hat für Kloos auch damit zu tun, dass die Arztpraxen inzwischen alle wieder ihre Arbeit aufgenommen haben. „Zum Teil müssen deshalb – so wie am Montag – pensionierte Kollegen in die Bresche springen, die selbst zur Risikogruppe gehören.“

Kloos prangert das übergeordnete Problem an: Ärztemangel. „Wir können uns die Mediziner nicht aus dem Hut zaubern.“
Aufatmen am Dienstagnachmittag
Immerhin: Am Nachmittag kann das Abstrichzentrum Positives vermelden. Schon um 15.30 Uhr hat sich die Warteschlange aufgelöst. Nachdem sie fast 70 Abstriche gemacht haben, können sich die Mitarbeiter der Bürokratie widmen – deutlich früher als erwartet.