Herr Wörnle, Sie sind Oldtimer-Fan. Was reizt Sie an Altem?
Ich komme von der „schönen Form“ und dem Phänomen, das ich „Alterswürde“ nenne. Dies ist etwas, was neue Dinge niemals haben können. Einerseits könnte man sagen, dass etwas Altes verschlissen, hässlich, verbraucht ist, aber für mich ist es ein Stück gefrorene Zeit.
Im Jahr 2002 haben Sie das Netzwerk Oldtimerland Bodensee gegründet. Wie kam es dazu?
Vor mehr als hundert Jahren war die Region rund um den Bodensee – neben der Region Mannheim/Karlsruhe – eine der Keimzellen der Massenmobilisierung. Man darf sagen, in unserer Region wurde das Auto entscheidend mit erfunden. Unter dem damaligen Konstanzer Oberbürgermeister Horst Frank war ich Leiter des Stadtmarketings Konstanz.
(Oldtimer-)aktive Bürger forderten ab 2002 mehr öffentliche Aktivitäten in diesem Bereich und förderten die Gründung eines seeumspannenden Oldtimer Netzwerks. Nach dem Wechsel an der Stadtspitze und meinem Ausscheiden aus dem Stadtmarketing 2014 wurde ich gebeten, die Aktivitäten des Oldtimerland Bodensee fortzuführen.
Was leistet dieses Netzwerk?
Es gibt rund um den Bodensee hervorragende Aktivitäten. Vereine, Messen, Museen, Restaurationsbetriebe, Spezialisten, Teilehändler, Hotels und vieles mehr. Aber es gibt keinen echten Kristallisationspunkt, kein Zentrum. Es funktioniert alles dezentral. Das bedeutet, die Aktiven helfen sich gegenseitig.
Gemeinsam möchten wir oldtimerinteressierten Menschen am Bodensee, Einheimischen und Gästen, eine gemeinsame Plattform zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch bieten. Wir planen und organisieren Oldtimer-Veranstaltungen, Rallyes und gemeinsame Treffen. Rund um den Bodensee sind wir sehr gut vernetzt.
Wer Oldtimer-Besitzer, jedoch nicht Schrauber ist, für den ist es oft schwierig, eine Werkstatt zu finden.
Das stimmt. Es gibt kaum Allrounder-Werkstätten, die sowohl einen alten Sitz aufpolstern, wie auch Doppel-Vergaser synchronisieren können. Manche Adressen von guten Mechanikern werden fast unter der Hand gehandelt, denn die sind so rar gesät, dass sie total überlaufen sind. Das alte Know-How, aber auch das Verständnis für die alte Technik geht leider langsam verloren.
Ab und zu gibt es mittlerweile ein paar jüngere Menschen, die sich in die Oldtimer-Technik hineinfuchsen und wirklich gut sind. Wir verfügen über ein Pool von Werkstätten, von denen wir wissen, worauf sie sich spezialisiert haben und wen man empfehlen kann.
Das heißt, sie vermitteln auch Kontakte zu Werkstätten?
Ja, gerne geben wir Tipps. Für jene, die mehr Service haben möchten, sich alleine nicht drantrauen – oder keine Zeit haben – können wir mehr tun. Aktuell bearbeiten wir mehrere Projekte, meist sogenannte Scheunenfunde. Das kann sowohl ein alter Plattenspieler oder ein Ölbild sein, oder wie jüngst, ein alter LKW aus dem Jahr 1929, den jemand wieder zurück auf die Straße bringen möchte. Es ist eine enorme Recherchearbeit, Ersatzteile und Fachleute ausfindig zu machen und die Restauration zu koordinieren. Wer sich das alleine nicht zutraut, fragt uns.
Wie stehen Sie zum Umweltgedanken?
Das ist ein großes Thema. Die Frage ist auch hier, reden wir über die Fragen zum Klimawandel als Religionsersatz oder was ist faktisch unser Anteil? Bei ersterem machen Gespräche inzwischen keinen Sinn mehr. Schaut man sich die Zahlen an, ist der Anteil der durch Oldtimer emittierten Schadstoffe absolut irrelevant.
Nichtsdestotrotz sind wir Teil dieser Welt und somit zum Schutz der Umwelt verpflichtet. Also tun wir es, schlicht weil es Spaß macht. So pflanzen wir an jedem Hotel-Ort, den wir im Rahmen der Ausfahrten besuchen, einen Baum. Inzwischen ist es ein ganzer Wald. Damit wollen wir nichts beweisen, aber inzwischen ist es eine Tradition, die die Leute erfreut und Nachahmer gefunden hat.
Und rein sachlich: Letztendlich ist der Erhalt von Dingen und Werten immer noch ressourcenschonender, als Neues zu produzieren. Ein Auto, das bereits da ist, muss nicht mehr neu produziert werden – eine Haltung, die sogar Greenpeace unterstützt. Zudem gibt es für uns klare Richtlinien bei Veranstaltungen. Der Müll wird getrennt und von uns entgegengenommen. Jedes Fahrzeug hat Ölfangpappen und „markierende“ Fahrzeuge werden von der Veranstaltung ausgeschlossen.
Alle unsere Veranstaltungen sind klimaneutral (über-)zertifiziert. Das bedeutet, wir kompensieren den Schadstoffausstoß der teilnehmenden Fahrzeuge und der Besucher bei anerkannten Agenturen. Wir sind uns dabei durchaus bewusst, dass man dies als eine Art Greenwashing darstellen kann. Jedoch wissen wir, dass es besser ist, es zu tun, als es zu lassen. Wir haben mehrfach versucht, gemeinsam mit einschlägigen Naturschutzverbänden aktiv konkrete Maßnahmen umzusetzen. Leider stießen wir nur auf Desinteresse.
Bald startet wieder die Mille Fiori, eine viertätige Tour. Diesmal aber nicht wie in der Vergangenheit auf der Insel Mainau, sondern erstmals beim Museum Art and Cars (MAC) in Singen. Warum?
Diese Ausfahrt war damals ein Marketing-Instrument, eine sogenannte Road-Show, für das Oldtimerland Bodensee, das wir vom Stadtmarketing Konstanz gemeinsam mit der Mainau und ZF Friedrichshafen aufgegleist haben. Die Mainau hat – wie wir alle – unter dem Lockdown zu Corona-Zeiten enorm gelitten, daher mussten die Verantwortliche umstrukturieren – leider auch bei der Mille Fiori.
Die Stadt Singen und Familie Mayer haben mit dem MAC eine wahre Perle in der Region und Szene geschaffen und wir waren uns schnell einig, dass es 2022 der optimale Startpunkt für die Tour ist. Die Mille Fiori ist unsere Königs-Genuss-Rallye, die wir seit fast zwei Jahrzehnten veranstalten. In diesem Jahr geht es wieder in die West-Schweiz. Dieses Mal bis Montreux am Genfer See.
Die Bodenseeregion ist prädestiniert für Ausflüge im Oldtimer, fahren Sie auch in den Hegau?
Im Umkreis von 150 Kilometern gibt es traumschöne Landschaften zu entdecken, wie das Allgäu, das Donautal, das Alpsteinmassiv, den Bregenzer Wald, den Hegau mit unzähligen Schlössern und gut 50 Technikmuseen, sowie über 100 Privatsammlungen.
Der Hegau vom Bodenseeufer über den Schiener Berg bis zu den Vulkankegeln bietet eine beeindruckende Landschaft, tolle Strecken, schöne Biergärten und wird leider oft unterschätzt. Kennen Sie das Oldtimermuseum in Engen oder die Fahr Traktorfreunde in Gottmadingen? Nein? Na dann hin!