Eine Dame steht an der Zapfsäule. Sie kratzt sich am Kopf. „Wo muss ich jetzt drücken?“, murmelt sie vor sich hin. Und als hätte sie es laut gerufen, öffnet sich ein Fenster im Haus neben der Tankstelle: „Kommen Sie nicht zurecht? Warten Sie. Ich helfe Ihnen.“
Der, der kurz darauf zu Hilfe eilt, ist Erich Dietrich. Er ist eigentlich schon seit einigen Jahren im Ruhestand. Die Tankstelle hat er seit zwei Jahrzehnten verpachtet. Aber er kann nicht anders. „Ich habe Kraftstoff im Blut“, sagt er und schmunzelt.

Begonnen hat alles vor 70 Jahren – in dem Jahr, als in Großbritannien Königin Elisabeth den Thron bestieg. Da kam der kleine Erich eines Tages von der Schule nach Hause und erhielt von seinem Vater Josef eine Nachricht, die sein weiteres Leben prägen sollte. „Wir bekommen wieder eine Tankstelle in Tengen“, erklärte er dem Sohn.
Bereits vor dem Krieg hatte es eine Tankstelle in Tengen gegeben. Und später eröffneten noch zwei weitere – eine in Tengen und eine in Watterdingen. Die von Erich Dietrich war die erste nach dem Krieg. Und hat nun als letzte noch geöffnet.
Dietrich hatte zunächst Landmaschinenmechaniker gelernt. „Und zwar auf Wunsch meines Vaters“, erinnert er sich. Josef Dietrich war als Schmied tätig. Er hat Pferde beschlagen, Beschläge auf Holzrahmen fixiert und Eisenringe auf Holzräder gezogen. Der Landmaschinenmechaniker war der logische Nachfolgeberuf.
Der junge Erich erfüllte den Wunsch gern, schraubte nach der ersten Ausbildung dann aber doch lieber am Auto weiter. In Tengen jonglierte er schließlich mehrere Jahrzehnte zwischen Zapfsäule und Autowerkstatt hin und her. „In diesen Jahren habe ich zehn Lehrlinge ausgebildet“, erinnert er sich.

Seit 2002 hat er alles verpachtet. Die Nähe zur Schweiz merke man in Tengen besonders. So seien Anfang des Jahrtausends viele Kunden ausgeblieben, da Benzin im Nachbarland günstiger war. Inzwischen sei es durch den Campingplatz anders. Und auch der derzeitige Tankrabatt zeige Wirkung. „Jetzt kommen die Schweizer wieder zu uns zum Tanken“, so Dietrich.
Erich Dietrich war zeitlebens mit Tankstelle und Autowerkstatt verbunden. Viele Jahre hat er sie selbst betrieben. Nun unterstützt er noch, wo er kann. Und erinnert sich an manch besondere Anekdote.
Einmal hat ein Gerät nicht auf den entsprechenden Grenzwert reagiert – und es seien 700 Liter Diesel in die Luft geflogen. Daraufhin sei die Feuerwehr mit 25 Mann im Einsatz gewesen. Ein andermal habe ein Kunde nach dem Tanken den Schlauch stecken lassen – und als er weiter fuhr die ganze Zapfsäule mitgerissen.
Zweimal wurde der Tankautomat und einmal der Zigarettenautomat in der Werkstatt aufgebrochen. Damit das nicht mehr vorkommt, befinden sich rund ums Haus ein paar Kameras.
Wenn Erich Dietrich in seinem Esszimmer auf den Bildschirm schaut, sieht er aber zum Glück meist keine Bösewichte – sondern nur Kunden, denen er dann schnell zu Hilfe eilt.