Lastwagen parken dicht an dicht in der Parkbucht. Die Vorhänge vieler Kabinen sind zugezogen, an manchen steht die Tür offen. Schritte auf dem Asphalt. Ein Mann nähert sich den Fahrzeugen. Er trägt das Gewand eines Bischofs: das Ornat, die verzierte Mitra und den Krummstab. Es ist der Nikolaus. Sein Gefolge sind Menschen in gelben Westen. Sie tragen gefüllte Taschen bei sich, die sie den Fahrern überreichen wollen.

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Szenen wie diese ereignen sich im Hegau regelmäßig um den Nikolaustag, seitdem die Arbeitnehmerseelsorge die Lenkpause ins Leben gerufen hat, um Lastwagen-Fahrern für ihre Arbeit zu danken. Einer der Nikoläuse ist Klaus Käfer. Er wirkt als Priester in Hechingen und hat selbst als Lastwagenfahrer gearbeitet, wie er dem SÜDKURIER erzählt. Nachdem er Maurer und Groß- und Außenhandelskaufmann gelernt hat, ging er ins Priesterseminar. Arbeitnehmer lagen ihm am Herzen, erzählt er im Gespräch, insbesondere Lastwagenfahrer.

Klaus Käfer und Matthias Zimmermann als Nikolaus im Gespräch mit Reisenden.
Klaus Käfer und Matthias Zimmermann als Nikolaus im Gespräch mit Reisenden. | Bild: Arbeitnehmerseelsorge

Zusammen mit Dekan Matthias Zimmermann wird er einen der Nikoläuse bei der kommenden Lenkpause spielen. Für die Aktion bereitet die Arbeitnehmer-Seelsorge des Dekanats Hegau alles vor. „Noch ist viel zu tun“, erzählt Heike Gotzmann, Referentin der Arbeitnehmerseelsorge, Ende November. Aber am Tag des Einsatzes können die Geschenk-Taschen für die Fahrer bei Brunch und Kaffee gemeinsam mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern mit Lebkuchen, Äpfeln, Mandarinen und Nüssen gefüllt werden, so Gotzmann weiter.

Lastwagenfahrer sind quasi unsichtbar

Die Aktion sei vor allem deshalb wichtig, weil Fahrer quasi unsichtbar sind, sagt Gotzmann. „Sie werden als Betriebsmittel eingesetzt und zum Teil als Nummer statt als Mensch angesprochen“. Deshalb könnten sie durch eine Wertschätzungsaktion sichtbarer werden. Dabei kommt es zu berührenden Erfahrungen, berichtet die Seelsorgerin: Manchmal rollen sogar Tränen, wenn ein Fahrer sagt, er fahre seit 30 Jahren, aber bedankt habe sich bisher noch niemand für seine Arbeit.

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Der Zeitpunkt der Lenkpausen-Aktion ist so gelegt, dass viele Lastwagen-Fahrer ihr Fahrzeug wegen des Sonntagsfahrverbotes bereits abgestellt haben. „Die Parkplatzsituation ist verheerend“, so Gotzmann. Die Parkplätze seien oft verstopft, dann müssten die Fahrer auch in den Auf- und Abfahrten stehen. Die Fahrer seien aber darauf angewiesen, dass ausreichend Fläche zur Verfügung steht. „Sie leben in ihren Fahrerkabinen ohne vernünftige Hygieneanlage oder Kochmöglichkeit“, erläutert Klaus Käfer und fährt fort: „Wenn die Fahrer nicht wären, blieben unsere Kühlschränke leer. Unsere Gesellschaft ist auf ihre Arbeit angewiesen.“

Dabei zieht Käfer eine Parallele zwischen den Fahrern und dem Nikolaus, denn beide bringen den Menschen etwas Gutes.

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Nikolaus als Türöffner

Kontakt nehmen die Nikoläuse nur dort auf, wo die Kabine offen ist, berichtet Gotzmann. Auch missioniert werden soll niemand. Wer will, erhält auch einen Duschgutschein. „Für manche Fahrer ist das Luxus“, sagt Gotzmann. Neben den Nikoläusen im Mantel mit Bischofshut sind auch ehrenamtliche Übersetzer und Übersetzerinnen dabei. Wenn eine andere Sprache von Nöten ist, behelfen sie sich mit einer Übersetzungs-App, zur Not auch mit Hand und Fuß, so Klaus Käfer.

Die Nikolausverkleidung kann dabei buchstäblich zum Türöffner werden: „Die Fahrer sind es nicht gewohnt, dass ihnen jemand etwas schenkt. Viele denken automatisch, man will etwas von ihnen. Sehen sie dann den Nikolaus, wissen sie, der will nichts“, sagt Käfer. Diese ungewöhnliche Begegnung wollen viele der Fahrer festhalten und schicken ein Foto oder ein Video mit sich und dem Nikolaus an ihre Familie.

Not erkennen und handeln statt nur zusehen

Das Symbol des Nikolaus gehe dabei über die Konfession hinaus, betont Gotzmann. Wie in der Nikolauslegende gehe es darum, eine Notsituation zu erkennen und etwas dagegen zu tun, statt nur zuzusehen. Und auch wenn man sich nicht verstehen sollte, ergänzt Klaus Käfer, „reicht manchmal ein Lächeln und die Geste des Schenkens“.

Am 6. Dezember ist der Nikolaus am Grenzübergang Bietingen/Schaffhausen. Die eigentliche Lenkpause findet dann am Samstag, den 10. Dezember zwischen 14 Uhr und 17 Uhr an den Raststätten Hegau Ost und Hegau West an der A81 bei Engen statt.