Es war ein erster Schlagabtausch: Zum ersten Mal im Vorfeld der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag, 11. Juli, trafen die Kandidaten Bernd Häusler und Helmut Happe bei der Podiumsdiskussion des SÜDKURIER im Kulturzentrum Gems aufeinander. Der eine ist seit acht Jahren OB und strebt eine zweite Amtszeit an. Der andere will einen Wachwechsel herbeiführen und hatte seine Bewerbung erst einmal anonym abgeben.
Antworten waren es, die die Zuhörer, Moderator Stephan Freißmann, Leiter der Lokalredaktion in Singen, aber auch die Experten Benjamin Janke von Fridays-for-Future, Handelsverbandsvorsitzender Hans Wöhrle und Doris Grießhammer, die erfolglos eine Wohnung sucht, zu den verschiedensten Themen hören wollten. Dabei wurde deutlich: Unterschiedlicher könnten die Kandidaten nicht sein. Während Häusler mit klarer Linie die Stadt in den kommenden acht Jahren weiterentwickeln möchte, brachte Happe zwar neue Ideen für Singens Zukunft ins Spiel, die zum Teil für Kopfschütteln sorgten.
Ein Querdenker-OB für Singen?
„Singen ist meine Heimatstadt, ich bin hier aufgewachsen“, sagt Helmut Happe, der seit 20 Jahren in Welschingen lebt. Die Gründe für seine Bewerbung liegen im Wahlprogramm von Bernd Häusler: „Da ist mir die Spucke weggeblieben.“ Die Anforderungen an einen OB schätze er als nicht besonders hoch ein: „Warum sollte ich dies nicht können?“ Ein OB sei seiner Einschätzung nach ein ganz normaler Bürger – mit eben etwas mehr Verantwortung. Sein Ansatz: Ein OB müsse mit den Menschen sprechen, die vom jeweiligen Vorhaben betroffen sind. Dabei wolle er keine Bevölkerungsgruppen außen vor lassen.

Einer genauen Aussage, wie er zur Querdenker-Bewegung stehe, wich Happe erneut aus. Ein Blick in seine politischen Aktivitäten der vergangenen Jahre macht aber deutlich: Happe war Mitglied der Kleinpartei Deutsche Mitte, die zur Bundestagswahl 2017 unter anderem mit dem Slogan „Menschen helfen – statt Migration fördern“ warb, sowie bei der Kleinpartei WiR2020. Wie Happe schon früher gegenüber dem SÜDKURIER erklärte, war er einer der Mitbegründer der Gruppe Querdenken 773. Er sei jedoch kein Querdenker-Kandidat, betonte Happe nun.
Spenden oder eigene Finanzen?
Ein Wahlkampf kostet Geld. Bernd Häusler finanziert diesen laut eigenen Aussagen fast ausschließlich aus eigener Tasche. Wie viel er bisher ausgegeben habe, weiß seine Frau Claudia – und zwar auf den Cent genau: 25.766,91 Euro. 4000 bis 5000 Euro davon stammen aus Spenden, die Häusler aber nicht aktiv gesucht habe: „Ich habe keinen Aufruf dazu gestartet, sondern die Leute kamen auf mich zu.“
Helmut Happe hat nach eigenen Aussagen bisher noch kein Geld für seinen Wahlkampf ausgegeben. Aber er kündigte einen Start seiner Wahlkampf-Webseite für Mittwoch an. 19 Tage vor dem Wahltag will er dann mehr über sich und seine Ziele verraten.
Kameras für mehr Sicherheit?
Vor den Kameras auf dem Podium ging es zum Thema Kameraüberwachung im öffentlichen Raum hoch her. Bernd Häusler wolle die smarte Sicherheit an bestimmten Orten ausbauen. „Es gibt Plätze, an denen Menschen Angst haben“, so Häusler. Es gehe nicht darum, Leute zu verfolgen, sondern das Sicherheitsempfinden in der Stadt zu stärken und Straftaten besser verfolgbar zu machen.
Helmut Happe brachte dies auf die Palme. Er redete sich in Rage: „Wir haben kein Geld für diese Überwachung.“ Mehr Kameras würde einem Überwachungsstaat gleichen.
Will Singen die Tuner?
Helmut Happe hat klare Ansichten, wie er mit der Tuner-Szene umgehen wolle: „Ich werde mit ihnen sprechen, diese Menschen sind ja keine Kriminellen“, sagt er. Der Begriff Szene würde die Tuner kriminalisieren. Die Tuner würden ihre Leidenschaft ausleben. „Es kann nicht sein, dass Menschen dabei gefährdet werden, aber es kann auch nicht sein, dass wir uns überhaupt nicht mit den Menschen auseinander setzen“, so Happe.

Bernd Häusler wurde deutlicher: Er wolle die Tuner nicht in der Stadt haben. „Es ist außerordentlich schwierig, einen Ansprechpartner zu finden, denn die Szene ist nicht organisiert.“ Die meisten Fahrer würden nicht aus Singen kommen, viele fahren aus der Schweiz an. „Diese Autos fahren hierher und machen unglaublichen Terror“, so Häusler. Dies würden ihm die Anwohner bestätigen. „Ich möchte eine Stadt haben, die ruhig ist. Und keine, in der die Bürger durch lärmende Klappenauspuffe und driftende Autos im Kreisverkehr belästigt oder gefährdet werden“, betonte Häusler.
Er sei froh, dass noch niemand zu Schaden gekommen sei: „Ich möchte nicht, dass jemand verletzt wird.“ Deshalb sei die Allgemeinverfügung erlassen worden. Auch einem Tuner-Treff in Singen, der immer wieder ins Gespräch gebracht wird, stehe er sehr skeptisch gegenüber. Ohnehin habe die Stadt kein Grundstück mit 15.000 Quadratmetern und Platz für 700 Parkplätze.
Darf es bisschen mehr Klimaschutz sein?
Bernd Häusler hat dazu eine klare Meinung. Deshalb habe er die Devise ausgegeben, dass Singen bis zum Jahr 2035 komplett klimaneutral sein müsse. „Wir haben schon viel getan in Singen, aber es ist noch viel Luft nach oben“, sagt er. Klimaschutz gehe auch ohne Einschnitte. „Er darf nicht negativ belegt werden, sondern Klimaschutz muss Freude machen“, so Häusler.

Helmut Happe sehe dies differenzierter: „Wir reden hier von Klima, doch was ist Klima?“ Für ihn gehe es um die Umwelt und das Klima und CO2 seien nur ein Teil davon. „Klimaschutz darf nicht zu Lasten der Menschen gehen“, so Happe. Er gehe davon aus, dass Klimaschutz nur mit Lohneinbußen bei den Bürgern einhergehe.
Wo sollen die Singener wohnen?
Bernd Häusler verwies darauf, dass in den letzten Jahren viele Wohnungen genehmigt wurden und sich derzeit im Bau befinden. Er rechnete vor: 1600 neue Wohnungen seien im Einfamilienbereich und im Geschosswohnungsbau entstanden. „Wir haben in den vergangenen acht Jahren so viele neue Wohnungen gebaut wie schon lange nicht mehr“, so Häusler. Trotzdem werde die Stadt versuchen, weiter an Wohnungen heranzukommen, um diese durch die Wohnraumakquise an Menschen mit geringem Einkommen zu vermitteln. Anders sieht es mit dem Bau eigener Wohnungen aus: „Wir haben die Kompetenz nicht dafür.“ Aber Singen sei eine soziale Stadt, die deutlich mehr bezahlbaren Wohnraum biete als etwa das größere Konstanz.

Unter Helmut Happe soll die Stadt wieder zu einer großen Bauherrin werden. „Es ist schön, wenn wir irgendwelche Klimaziele ausgeben, aber die Menschen dürfen nicht auf der Strecke bleiben“, sagt er. Er wolle Prioritäten setzen: „Wenn Menschen einen Wohnraum suchen, muss das Vorrang haben.“ Wie er dies bewerkstelligen wolle, gab Happe aber nicht Preis. Auch nicht, wie er dies finanzieren wolle.
Was geht in der Innenstadt?
Bernd Häusler will die Innenstadt weiter attraktiv gestalten. Als positive Beispiele nannte er die Neugestaltung der Hegaustraße oder des neuen Bahnhofvorplatzes. „Singen muss im Bereich der Innenstadt erlebbarer sein“, so Häusler. Dabei sahen die Aussichten nicht immer rosig aus: Karstadt fast vor der Schließung, der alte Holzerbau würde noch stehen, die Fußgängerzone würde nicht in Angriff genommen. „Dann wären wir am Boden. Jetzt sind wir oben“, betont Häusler. Unter seiner Regie solle Singen weiter aufblühen. Ziele seien unter anderem die Modernisierung des Heinrich-Weber-Platzes und des Ekkehard-Platzes.
Helmut Happe wolle die Fußgängerzone aufwerten. Aber er denke groß: Eine eigene Online-Plattform aller Singener Händler solle als Konkurrenz zu den großen Online-Anbietern aufgebaut werden.
Erwartung und Fazit: Das sagen Besucher der Podiumsdiskussion
Was erwartet das Publikum von der SÜDKURIER-Podiumsdiskussion? Und wurden die Hoffnungen erfüllt? Diese Fragen stellten wir drei Gästen aus dem Publikum.
- Armin Droth erhoffte sich, die Ziele beider Kandidaten zu erfahren. „Damit man objektiv wählen kann“, erklärt er vor der Diskussion. Für ihn besonders wichtig sei das Thema Scheffelhalle – „wie für jeden Singener“, meint er. Nach der Diskussion ist Droth um einige Eindrücke reicher – und hat seine Entscheidung gefällt: „Herr Happe hatte seine Chance, doch die hat er vertan. Ich werde Herrn Häusler wählen.“ Ohne Führungsqualitäten, die Happe für nicht nötig befindet, sei das Rathaus verloren. Und als Südstadt-Anwohner beobachte er die Tuning-Szene seit Jahren: „Ohne Ansprechpartner kann man keine Lösungen finden und muss durchgreifen“, befürwortet Droth die Haltung Häuslers. Armin Droth fasst zusammen: „Herr Happe hat für mich viel geredet und wenig gesagt.“
- Friedhelm Kosuch interessiert sich besonders für Kernthemen wie den kommunalen Haushalt. Ihm sei relativ egal, ob die Stadt Geld in eine neue Halle oder eine neue Kindertagesstätte investiere. Entscheidend sei das Fazit unter‘m Strich. Auch Kosuch betont vorab, dass er sich einen Eindruck von beiden Kandidaten wünscht – „mit einem Kandidaten allein wäre es keine Wahl“, findet er. Nach der Veranstaltung zeigt er sich weiter unentschieden – und bedauert, dass der Haushalt nicht explizit Thema war. Er plädiert dafür, Veränderungen harmonisierender umzusetzen – weg von politischem Aktivismus, hin zu einer sachlichen globalen Perspektive.
- Renate Weißhaar zeigt sich gespannt auf das Wahlprogramm von Herausforderer Helmut Happe. Sie wolle auch wissen, was er den Ideen und Vorstellungen von Amtsinhaber Bernd Häusler entgegensetzen wolle und freue sich auf die Diskussion. Nach der Veranstaltung steht für die Singenerin eindeutig fest: „Ich wusste vor der Diskussion, wen ich wähle, und weiß es jetzt erst recht. Mein Entschluss steht fest.“ (isa/mgu)