Sobald es in Singen einen gewaltsamen Vorfall gibt, besonders mit einem Messer, bekommt Marcel Da Rin eine kritische Nachfrage: War das wieder jemand von den syrischen Großfamilien? Zuletzt sei er sogar nach einem Zwischenfall in Überlingen am Bodensee angesprochen worden, erzählt der Verantwortliche der Singener Kriminalprävention.

Das Sicherheitsgefühl hat zuletzt gelitten

Einerseits sei es schwierig, wenn nun jeder Zwischenfall automatisch einer Gruppe zugeordnet werde. Andererseits zeigt das klar: Das Sicherheitsgefühl in Singen hat zuletzt gelitten. „Uns geht es darum, hier die Situation zu befrieden“, erklärt Marcel Da Rin ein aktuelles Projekt zum Umgang mit solchen Konflikten. „Damit die Leute nicht Angst haben müssen, in eine Messerstecherei zu geraten.“

Vorfälle wie zuletzt im März 2022 vor dem Einkaufszentrum Cano in Singen sollen sich künftig nicht wiederholen. Marcel da Rin von der ...
Vorfälle wie zuletzt im März 2022 vor dem Einkaufszentrum Cano in Singen sollen sich künftig nicht wiederholen. Marcel da Rin von der Singener Kriminalprävention und Pressesprecher Stefan Mohr erklären Hintergründe eines neuen Projekts. | Bild: Arndt, Isabelle

Denn immer wieder attackieren sich Mitglieder zweier syrischer Großfamilien. Für großes Aufsehen und eine langwierige juristische Aufarbeitung sorgte die Messerstecher-Attacke am Friedrich-Ebert-Platz im Dezember 2020. Der jüngste größere Vorfall war im März dieses Jahres, als die Familien vor dem Einkaufszentrum Cano aneinander gerieten.

Verbote allein sind nicht die Lösung

In diesen Fällen war die Stadt bisher repressiv unterwegs, arbeitete also mit Verboten und untersagte beispielsweise das Betreten der Innenstadt. „Dieses Vorgehen war uns zu wenig“, sagt Marcel Da Rin. Nach Gesprächen mit dem Verein Integration in Singen (Insi) habe man sich Gedanken gemacht, wie ein friedliches Zusammenleben in Singen erreicht werden kann.

„Wir sagen offen: Wir wissen nicht weiter und brauchen Hilfe.“

Hilfe kommt nun aus Berlin: Im Rahmen des Projekts Kommunales Konfliktmanagement (Kokoma) wird Singen bis Ende 2023 unterstützt. Finanziell mit 50.000 Euro pro Jahr für Personal- und Sachkosten. Personell mit einem Prozessbegleiter oder einer Prozessbegleiterin. Und vor allem mit Fachwissen von zwei Experten, die unvoreingenommen mit verschiedenen Beteiligten sprechen wollen – auch den betroffenen Familien.

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Experten sollen sich mit Menschen unterhalten

Das Projekt startete erst vor wenigen Wochen, Oberbürgermeister Bernd Häusler habe kurz vor den Pfingstferien die Verträge unterzeichnet. Daher gibt es bislang noch keine Erkenntnisse, geschweige denn Erfolge.

Aber Marcel Da Rin erklärt Ansatz und Vorgehensweise: Erst sollen Informationen gesammelt werden und viele Gespräche stattfinden. Dabei gehe es um Fragen wie: Was sind das für Gruppen und wo sind sie aktiv? Was ist der Nährboden für Konflikte? Und wie ist ein Miteinander in Singen möglich?

Dafür sollen Experten vor Ort kommen und sich mit Menschen unterhalten, die mehr über Konflikte und Konflikt-Beteiligte sagen können. Auch die Polizei könne involviert werden, erklärt Da Rin. Doch ihnen gehe es nicht um eine Strafverfolgung, sondern um eine neue, bessere Form des Miteinanders.

Nach der Analyse soll ein Handlungskonzept entstehen. Wie das aussehen könnte, steht laut Marcel Da Rin noch nicht fest.

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Klar ist aber, dass 15 Menschen im Konfliktmanagement ausgebildet werden sollen. Dafür seien mehrere Workshops mit insgesamt 80 Stunden geplant. Wer wann an diesen Workshops teilnehmen wird, wird laut Marcel Da Rin noch geklärt. Er begrüßt diesen Baustein des Projekts, denn das so gewonnene Fachwissen bleibe auch nach dem Förderzeitraum erhalten.

Haben sich die Familien nicht vertragen?

Zu spät kommt das Projekt für Singen nicht, betont Pressesprecher Stefan Mohr: Die Familien hätten zwar im Mai erklärt, dass sie sich ausgesöhnt haben, doch es sei womöglich ein zerbrechlicher Frieden. Und mit den Erkenntnissen des Kommunalen Konfliktmanagements könne man auch künftigen Konflikten anders begegnen. „Es kann gut sein, dass es Schnittmengen mit anderen Themen gibt“, sagt Da Rin. Es soll auch einen Austausch mit den anderen geförderten Kommunen geben, um von deren Erfahrungen lernen zu können. Das Projekt komme übrigens nicht nur Singen zu Gute, wie Da Rin erklärt, denn bei den Konflikten seien auch Menschen aus dem Hegau beteiligt.

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Nachdem am Samstag, 2. Juli, ein Mann in Singens Innenstadt ein Mann mit einer Waffe aufgegriffen wurde, stellte Marcel Da Rin klar: Das sei übrigens kein Araber und kein Asylbewerber, gewesen. Es habe sich um einen Mann mit psychischen Problemen aus Norddeutschland gehandelt, der zufällig in Singen gelandet sei. Und solche Fälle zu vermeiden, sei sehr schwer.

Allerdings müsse man grundsätzlich zwischen subjektiver und objektiver Wahrnehmung unterscheiden, wie Da Rin auch betont: Menschen würden Vorfälle miteinander verknüpfen, die womöglich nichts miteinander zu tun haben. Außerdem legt die Kriminalstatistik nahe, dass Singen zuletzt immer sicherer geworden ist.