Der Stadt und dem Publikum den närrischen Spiegel vorhalten – das beherrschen die Narren vom Tiroler Eck seit 15 Jahren wie kaum jemand. Anfangs noch im kleineren Rahmen im Hotel Widerhold, zeigte die Narrenfamilie ihre Show seit gut zehn Jahren auf der Gemsbühne. Zum Finale zeigten die Akteure, so Tiroler Bürgermeister Peter Bliestle, ein „Best of und ein bissel was Neues“.
Wer nicht mitmacht, läuft nicht beim Umzug mit
Beim „Tiroler Gschwätz“ ist der gesamte Verein auf der Bühne. Oder wie Bliestle nach einer von Nostalgie und Klamauk triefenden Neudarbietung des „Alten Försterhauses“ in gewohnt trockener Art von sich gab: „Es ist beeindruckend was die Leute unter Zwang machen“, denn wer nicht mitmache, der laufe auch nicht beim Umzug mit.

Während Ekkehard und Hadwig (Stefan Dierking und Ingo Dowideit) ganz erstaunt den neuen, majestätischen Rathaussaal, der als Bühnenbild diente, begutachteten, brachte Johannes Bliestle nach 2017 noch einmal in Mieder und Strapsen in Anlehnung an die „Rocky Horror Picture“ die Stimmung zum Brodeln. Nicht weniger Beifall erntete der Reichenau-Geschäftsführer für seinen Auftritt als Marilyn Monroe, die die Paprika als „Girl‘s best friend“ besang.

Frech, mutig und urkomisch – das sind die Darbietungen der Tiroler Gemeinde jedes Jahr aufs Neue. Hier und da gibt es mal einen Patzer, aber gerade dieses charmant Unperfekte lieben die Zuschauer und feiern mitunter die spontanen Witze und Sprüche mehr als die geplanten.

Während Toni Alberti sich als Himmelsbolizei zum Thema Klimaproblematik darüber wunderte, wie er jahrelang giftiges Bleigießen an Silvester überleben konnte und seinem Euro-5-Diesel gute Fahrt für die nächsten 40 Jahre in Polen wünschte, verdeutlichte Kinderbuchautor Toni Tonne (Peter Bliestle) was alles passieren kann, wenn ein Niedersachse auf die Singener Fasnet trifft.
Witzig und hintergründig
Witzig und trotzdem hintergründig, das können bei den Tirolern auch bereits die jüngeren Darsteller. Aus vermeintlich politischer Korrektheit die Fasnacht einfach zu streichen, wie in einer Erfurter Kita, das halten Fabienne und Chantal Dierking für verkehrt: „Wenn mer Fasnet macht, wird man im schlimmsten Fall ein Narr!“ Stattdessen sollte man sich doch besser um echte Probleme kümmern, so das Fazit der Schwestern.

Das Tiroler Gschwätz wäre keins, wären da nicht die Gesangseinlagen der Bliestle-Brüder, aber auch die der Güli-Singers. Da werden Themen wie Umweltschutz, Regionalverkehr oder Singener Baustellen in bekannte Melodien verpackt. Ein Hoch auf ihre Fasnacht feierten Fabienne Dierking und Thomas Albrecht auf Dschingis Khans „Moskau“.
Ein Kuss als „oraler Zweifrontenkrieg“
Wem sich beim Thema Büttenrede normalerweise die Nackenhaare kräuseln, der wurde von der Büttenredner-Schule wieder einmal positiv überrascht. Während Sachsen-Paule (Stefan Dierking) dieses Jahr seine Schwester Paula oder auch Cordula als neue, grüne Ordnungshüterin der Stadt vorschickte, sorgte Sebastian Bliestle für Lachtränen, als er von seinem ersten Kuss erzählte, den er unter anderem als „oralen Zweifrontenkrieg“ beschrieb.

Während bereits die Güli-Singers das Thema Toleranz aufgenommen hatten, warb hierfür auch Hannes Bliestle als Literaturkritiker Reich-Ranicki. Er zeigte, wie nah sich beispielsweise Poppele-Zunft und Islam seien, immerhin heiße deren Zunftkanzler Ali und die Rebwieber trügen Kopftücher. Als vierter im Bunde machte der in die Jahre gekommene Raffzahn (Peter Bliestle) einen Exkurs in die Geschichte der Ernährung: „So wie man sich füttert, so wiegt man.“
Aufhören, wenn es am schönsten ist
Wie viel Engagement hinter einem solchen Abend steckt, der von rund dreißig Akteuren organisiert und aufgeführt wird, lässt sich nur erahnen. Auf jeden Fall genug, dass sich die Tiroler nun eine Pause gönnen.
Ganz nach dem Motto: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Und das war es auch. Das Publikum war begeistert und konnte gar nicht genug bekommen vom Witz, Mut und der närrischen Frechheit der Tiroler Eck-Gemeinde. Na dann, hoffentlich bis bald! Und Hoorig!