Es war der Aufreger im gesamten Hegau kurz vor dem Start ins Wochenende: Am Freitag hat die Autobahn GmbH des Bundes kurzerhand mitten im Feierabendverkehr eine Übung im Hohentwieltunnel abgehalten. Ein Umstand, der vor allem bei vielen Verkehrsteilnehmern, die lange im Stau standen, für heftige Kritik gesorgt hat. Denn über Stunden ging aufgrund der großflächigen Übung auf der Autobahn 81 bei Singen gar nichts mehr. Auch Tage nach der Übung bleiben im Hegau viele Fragezeichen ob der Übung im Hohentwieltunnel zwischen Singen und der Autobahnabfahrt Hilzingen. Der SÜDKURIER gibt Antworten.

Warum wurde im Hohentwieltunnel geprobt?

Wie die Pressestelle der Autobahn GmbH des Bundes auf Nachfrage mitteilt, würden die Richtlinien für den Betrieb von Straßentunneln vorschreiben, dass die in den Alarm- und Gefahrenabwehrplänen festgelegten Handlungsabläufe von den Einsatzdiensten regelmäßig zu überprüfen und zu üben seien. Übersetzt aus dem Behördendeutsch bedeutet dies: Tunnel müssen immer wieder auf möglichen Gefahrenlagen geprüft werden.

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Laut Autobahn GmbH würden die Richtlinien ebenfalls vorgeben, dass mindestens alle vier Jahre Vollübungen unter möglichst realistischen Einsatzbedingungen abgehalten werden. „Diese Übungen dienen der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer und der im Einsatz befindlichen Rettungskräfte“, heißt es aus der Pressestelle.

Welches Szenario wurde im Hohentwieltunnel geübt?

Kai Olbrich, stellvertretender Kommandant der Singener Feuerwehr, war bei der Übung dabei. Er schildert im Gespräch mit dem SÜDKURIER deren Inhalt. Und der hatte es nicht nur in sich, er war auch angesichts der Massen an Autos und Lastwagen, die täglich durch die zwei Tunnelröhren fahren, durchaus realistisch. „Es wurde im Tunnel ein fiktives Szenario geprobt, bei dem ein Lastwagen auf ein Auto aufgefahren und im Tunnel ein Feuer ausgebrochen ist“, so Olbrich.

Mehrere Personen seien dabei verletzt worden, so die Übungsannahme. Die beiden Fahrer hätten sich selbst aus den Autos befreien können, seien aber irgendwo im Tunnel danach bewusstlos zusammengebrochen. Zudem seien weitere sieben Personen verletzt im Auto sitzend oder im Tunnel ausfindig gemacht worden.

Eine Gasrauchanlage sorgte für eine realistische Rauchentwicklung. Da die Öffentlichkeit allerdings nicht informiert wurde, sorgte der ...
Eine Gasrauchanlage sorgte für eine realistische Rauchentwicklung. Da die Öffentlichkeit allerdings nicht informiert wurde, sorgte der Rauch schnell für wilde Theorien in den sozialen Medien. | Bild: Autobahn GmbH

Das besondere an der Übung: Laut Olbrich habe eine Rauchgasanlage das Szenario besonders realistisch gestaltet. „Die Aufgaben der Feuerwehr haben sich auf die Brandbekämpfung und die Menschenrettung bezogen“, so Olbrich. Dafür habe es laut den Vorgaben der Autobahn GmbH strenge Richtlinien gegeben: Für das Westprotal des Hohentwieltunnel seien laut Olbrich die Feuerwehren aus Hilzingen und Gottmadingen zuständig, um das Ostportal müsse sich die Singener Feuerwehr im Ernstfall kümmern. „Ziel der Übung war es vor allem, ob die Kommunikation bei einer Gefahrenlage funktioniert – und das hat sie“, schildert Olbrich.

Die Übung wurde von der Autobahn GmbH des Bundes organisiert.
Die Übung wurde von der Autobahn GmbH des Bundes organisiert. | Bild: Feuerwehr Singen

Letzte Großübung ist viele Jahre her

Es sei das erste Mal gewesen, dass eine Großübung in dem Ausmaß im Hohentwieltunnel stattgefunden habe. Das letzte Mal sei 2002 bei der großen Katastrophenübung des Landkreises gewesen. Damals sei ein Teileinsturz des Tunnels skizziert worden. „Die jetzige Übung war um Vieles realistischer, denn zu einem Auffahrunfall samt Brand, Personenrettung und Stau kann es viel leichter kommen“, sagt Olbrich.

Laut Autobahn GmbH waren neben der Singener Feuerwehr auch die Wehren aus Hilzingen und Gottmadingen sowie die Autobahnpolizei Mühlhausen sowie der Rettungsdienst des Landkreises Konstanz beteiligt. Der Kreisbrandmeister des Landkreises Konstanz hat ebenfalls an der Übung teilgenommen. Kai Olbrich schätzt die Anzahl an Rettungskräften auf rund 140 Menschen.

Wieso wurde mitten im Feierabendverkehr geprobt?

Darauf gibt es von der Autobahn GmbH eine einfache Antwort: „Die Übungen sollen unter möglichst realistischen Bedingungen durchgeführt werden“, teilt die Pressestelle mit. Damit die beteiligten Einsatzkräfte nicht im Vorfeld über die Übung informiert sind, wurde auf eine Information der Öffentlichkeit verzichtet. Denn Erfahrungen bei anderen Straßentunneln hätten gezeigt, dass Übungen keine realitätsnahen Ergebnisse liefern, wenn die Einsatzkräfte vorher schon wissen, was sie erwartet.

Das Übungsszenario gab vor, dass mehrere Personen durch ein Unfall und anschließendes Feuer im Tunnel verletzt wurden.
Das Übungsszenario gab vor, dass mehrere Personen durch ein Unfall und anschließendes Feuer im Tunnel verletzt wurden. | Bild: Feuerwehr Singen

Und auch das Datum, an einem Freitagabend zwischen 16 und 21 Uhr, verteidigt die Autobahn GmbH: „Da die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren ehrenamtlich tätig sind, wurde versucht, einen Übungstermin zu finden, der sie nicht übermäßig belastet. Uns ist klar, dass es unmöglich ist, einen ‚perfekten‘ Termin für solch eine Übung zu finden, der allen Belangen und Interessen gerecht wird.“

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Auch dem SÜDKURIER liegen Leserzuschriften vor, welche die Übung verteidigen – vor allem mit Blick auf die ehrenamtlichen Helfer. So schreibt Leser Sebastian Eberl etwa: „Dutzende Einsatzkräfte verzichten zur selben Zeit ebenfalls auf ihre Freizeit und üben für die allgemeine Sicherheit der Bürger, die selbstverständlich darauf bauen, im Ernstfall zu jeder Zeit und an jedem Ort aus einer Gefahrensituation gerettet zu werden.“

Kai Olbrich richtet deutliche Worte an Kritiker der Übung. Er berichtet davon, dass am Freitag mehrere Einsatzkräfte während der Übung zum Teil beschimpft worden seien. „Wir können nicht erwarten, dass unsere Einsatzkräfte nachts proben. Das sind alles ehrenamtliche Leute“, macht er deutlich. Er würde sich wünschen, dass die Allgemeinheit dafür Verständnis habe. „Natürlich ist es ärgerlich, so etwas am Freitagabend zu machen. Aber die Übung ist auch für die Einsatzkräfte ein erheblicher zeitlicher Mehraufwand“, so Olbrich weiter.

Was ist das Ergebnis der Übung?

Laut Kai Olbrich sollte vor allem die Kommunikation unter Realbedingungen zwischen mehreren Blaulichtorganisationen geprüft werden. „Das hat alles sehr gut geklappt, wir sind für einen Ernstfall gewappnet“, so Olbrich. Auch die Autobahn GmbH zeigt sich zufrieden: „Ergebnisse der Übung sind, dass die Handlungsabläufe für einen Notfall im Tunnel Corona-bedingt seit längerer Zeit wieder erfolgreich ausgeführt werden konnten.“