Nostalgie mit gehörig Dampf haben die Organisatoren der Museumsbahn Etzwilen/Singen mit einem Fahrtag vom Hegau über den Rhein bis in den gern Mostindien genannten Thurgau ins Land gebracht. „Da bekamen alle Dampfbahnfreunde ihren Augen- und Ohrenschmaus und dies schon das zweite Mal in diesem Jahr“, berichtet Werner Wocher, Co- Präsident des Vereins zum Erhalt der Schienenstrecke Singen-Etzwilen (VES). Für ihn sei etwas ganz Besonderes, wenn die historischen Züge aus Richtung Etzwilen endlich wieder in den Singener Bahnhof einfahren. „Mit Freude erinnere ich mich gerne an meine Jugendzeit, als auf den Gleisen des Bahnhofes Singen noch reger Dampfzugbetrieb herrschte“, erzählt der 80-jährige Dampfzugenthusiast. Über die 14 Gleise führte damals noch der legendäre Maggi-Steg von dem man die die gesamte Bahnhofanlage im Blick hatte.

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„Es war immer was in Bewegung. Schwere Dampfloks leisteten den Güterverschiebedienst, an der Drehscheibe warteten stets Dampfloks auf ihren Einsatz, Personen-, Eil- und Schnellzüge fuhren ein und aus und auf Gleis 5a sah man ab und zu das Etzwilerbähnli“, so Wocher.

Heute ist es eine Besonderheit, wenn eine Dampflokomotive am Singener Bahnhof halt macht und im Zuge der Corona-Pandemie wurden die Eisenbahnfreunde zusätzlich ausgebremst. Zwei der vier geplanten Fahrten mussten aufgrund der Einschränkungen abgesagt werden. Dass es nun zum Jahresende doch noch geklappt hat, konnte auch Maria Heiß aus Engen freuen. Sie hatte im Zuge des SÜDKURIER-Jahresrückblickrätsels ein Gruppenticket für sich und vier Freunde gewonnen und war bis zuletzt gespannt, ob es in diesem Jahr die Gelegenheit zur Abfahrt geben würde.

„Da bekamen alle Dampfbahnfreunde ihren Augen- und Ohrenschmaus.“Werner Wocher, Co-Präsident des Vereins zum Erhalt der ...
„Da bekamen alle Dampfbahnfreunde ihren Augen- und Ohrenschmaus.“Werner Wocher, Co-Präsident des Vereins zum Erhalt der Strecke Singen-Etzwilen (VES) | Bild: Ingeborg Meier

Aber nicht nur sie hatte Lust auf Eisenbahnromantik. Bahnhofvorstand Franz Signer hatte am Schalter des Bahnhofes, im und um den Bahnhof herum, alle Hände voll zu tun. „Freudig hat er das Geld vom Billetverkauf entgegengenommen“, berichtet Wocher in einer Pressemitteilung des Musemsbahnvereins. Insgesamt über 1000 Tickets konnten am letzten Fahrtag des Jahres über den Ticketschalter gehen. Zur Fahrt im September zählten die Organisatoren rund 800 Fahrgäste an den drei Fahrten zwischen Singen und Etzwilen. „Es ist eben ein Großereignis, wenn wieder mal eine Dampflok zu sehen, zu hören und der Kohlenrauch zu riechen ist“, sagt Wocher: „Bei welcher Bahn kann man heute noch die Fenster öffnen, die Luft durch die Nase ziehen lassen und wer will auch mal das Dampf-Rauch-Gemisch, das für richtige Fans wie Parfüm wirkt, riechen.“ Und steht die Dampflok an einer Bahnstation, so ist das Interesse von Groß und Klein sehr groß, so ein altes gepflegtes Dampfross zu bestaunen.

Zu Gast war 2021 zwei Mal die Dampflok 52 7596 der Eisenbahnfreunde Zollernbahn aus Rottweil samt drei Personen- und einem Mitropa-Speisewagen. Vor der Kulisse des Singener Hohentwiel und der Kirchtürme fuhr der Dampfzug frühmorgens pfeifend, zischend, dampfend und rauchend aus dem Bahnhof Singen seinem Ziel Etzwilen entgegen und dies erfolgte drei Mal an diesem Sonntag. Dabei wurde auch insgesamt sechs Mal der eiserne Steg über den Rhein bei Hemishofen überquert: Immer wieder ein erhebende Gefühl, sowohl für die Fahrgäste im Zug als auch Bahnnostalgiker mit ihren Fotoapparaten am Rand der Gleise.

Ein Höhepunkt der Dampfzugfahrt ist die Rheinüberquerung auf der historischen Eisenbahnbrücke.
Ein Höhepunkt der Dampfzugfahrt ist die Rheinüberquerung auf der historischen Eisenbahnbrücke. | Bild: Werner Wocher

„Für die Museumsbahn war dies ein erfolgreicher Tag“, bilanziert Wocher. Rund 1020 zufriedene Fahrgäste. „Das war super. Also bis nächstes Jahr“, sei ein häufiger Satz zum Abschied gewesen.

Aus dem Dornröschenschlaf ist die Etzwiler-Bahn dank der Initiative der Museumsbahn-Aktivisten längst erwacht – und doch sind auch für die Zukunft viele Fragen offen. „Seit beinahe 20 Jahren haben wir darauf hingearbeitet, unsere Strecke wieder bis in den Singener Hauptbahnhof nutzen zu können“, erinnert sich Stefan Keller von der Stiftung SEHR als Eigentümerin der grenzüberschreitenden Bahnverbindung. Mit den Fahrten nach Singen sei man nun dort angekommen, wo Stiftung und Verein schon immer hin wollten.

Inzwischen wollen politische Kräfte in der Region noch weiter gehen. Mit einem Gutachten soll geprüft werden, ob die Strecke Singen-Etzwilen nicht auch wieder für den öffentlichen Verkehr genutzt werden könnte. Ein Projekt, das die Unterstützung der Museumsbahn-Macher findet: „Für die Ein- und Ausfahrt in den Bahnhof Singen sind je zwei Zugfahrstraßen (von Etzwilen nach Gleis 5 und 9; nach Etzwilen aus Gleis 5a und 12) im Stellwerk vorhanden und funktionsfähig, sodass grundsätzlich unter Sicherung einer Fahrstraße und Deckung des Hauptsignales gefahren werden kann“, betont Wocher nach einem Gespräch mit Vertretern des Bahnhofvorstands von Singen.

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Überdies ist es den VES-Mitgliedern inzwischen ein weiterer Schritt gelungen: „Nun, wie es bei einer Museumsbahn üblich ist, gehört jetzt auch ein Museum dazu um die Geschichte der Bahnlinie erlebbar und nachvollziehbar zu machen“, berichtet Wocher, dass es mit der Auflösung des Mietvertrages mit der Witwe des ehemaligen Stationsvorstandes von Hemishofen möglich wurde, die Räumlichkeiten der Bahnstation Hemishofen zu übernehmen um dort die Bahnstation-Museum Hemishofen offiziell zu eröffnen. Zusätzlich konnte nach langen Verhandlungen der Stiftung mit der SBB, das Etzwiler Areal mit der historischen Drehscheibe zu erwerben. „Dieser Kauf war möglich dank der finanziellen Unterstützung durch unseren Mitstreiter Giorgio Behr“, so Wocher.

Mehr Info zur Bahn im Internet unter: http://www.etzwilen-singen.ch