Zerschlagene Fensterscheiben, geleerte Bierflaschen und haufenweise Prospekte mit Angeboten des längst vergangenen Jahres liegen hinter einer aufgebrochenen Tür. Das eröffnet Fragen: Welche Zukunft hat das Bahnwärterhäuschen an der Güterstraße? Droht der Abbruch oder gibt es Ideen, gegen den Vandalismus vorzugehen? Christian Kezic vom Gebäudemanagement der Singener Stadtverwaltung erklärt, dass die Suche nach einer künftigen Nutzung gerade erst begonnen habe.
Seit Jahrzehnten steht das kleine Häuschen an der Güterstraße zwischen den Gleisen. Lange vorbei sind die Zeiten, als ein Schrankenwärter seinen verantwortungsvollen Dienst tun musste, um wann immer ein Zug vorbei wollte die Schranken zu schließen. Dann übernahm die Elektronik das Regiment und heute fahren kaum noch Züge vorbei. Einmal pro Woche, so erläutert Kezic, werde das Industriegleis der ehemaligen Fitting für Güterverkehr genutzt. Und exakt einmal ist bislang die Museumsbahn aus Etzwilen über das Streckennetz bis in den Singener Bahnhof gefahren. Ein Ereignis, dass über die Grenzen der Stadt Aufmerksamkeit erregte. „Durch die Wiedereröffnung der Bahnlinie Etzwilen für den Personenverkehr im vergangenen Oktober ist der Bahnhof Singen wieder näher in den Fokus der Museumsbahn gerückt“, berichtet Werner Wocher als Co-Vorsitzender des Museumsbahnvereines. Dabei sei auch das Häuschen an der Ecke von Güter- und Ostendstraße in den Blick gefallen. Das Bahnwärterhäusle sei auch für die Aktivisten der Museumsbahn eine traurige Angelegenheit. Verantwortlich sei der Verein für die Zustände aber keineswegs. „Die Bahnlinie und die dazugehörenden Liegenschaften samt dem Häusle sind im Eigentum der Stadt Singen“, berichtet Wocher auf Nachfrage des SÜDKURIER. Wer genau hinschaut, kann unweit des Häuschens das Schild entdecken, an dem der Übergang der Eigentumsverhältnisse fixiert ist.
Christian Kezic, der Herr über die städtischen Gebäude, bestätigt dies, wenngleich es auch für ihn neu war, dass das Häuschen in städtischem Besitz ist. Inzwischen hat er sich vor Ort umgesehen, um einen Plan für die Zukunft des Häuschens zu erarbeiten.
Werner Wocher vom Museumsbahnverein zieht Parallelen zum Bahnwärterhäusle bei der Radrennbahn, das im Verantwortungsbereich der Museumsbahnstrecke lag. „Auch das war ständigen Vandalenakten ausgesetzt“, erinnert er sich. Den ehrenamtlichen Bahnfreunden erschien es aufgrund der Vandaleneuphorie irgendwann sinnlos zu reparieren, was dann doch wieder zerstört wurde. „Immer wieder wird der Streckenabschnitt mit Müll verunreinigt“, so Wocher. Das Häuschen an der Radrennbahn musste nach einem Brandanschlag 2008 abgeräumt werden. „Nun erleidet das letzte Bahnwärterhäusle einen unwürdigen Niedergang“, beobachten Wocher und seine Mitstreiter.

Auch als Jürgen Glunz am Bahnübergang Güterstraße der Etzwiler Bahn das einstige Schrankenwärterhäusle entdeckt hat, war er irritiert. „Leider ist es in einem jämmerlichen Zustand“, berichtet er im Rahmen der aktuellen Diskussion über die Reaktivierung der seit Jahrzehnten stillgelegten Bahnstrecke, die aktuell nur für Dampfzugfahrten der Stiftung Museumsbahn genutzt wird. Doch genau dies könnte sich womöglich ändern, nachdem eine landesweite Untersuchung der Bahnverbindung Richtung Rielasingen ein gutes Fahrgastpotenzial bescheinigt hat. Glunz wollte wissen, wem das Gebäude gehört und hat seine Anfrage an den SÜDKURIER gerichtet.
Seine Hoffnung, dass dem Gebäude nicht auch noch der Abriss droht, pflichtet Christian Kezic bei. „Für uns geht es jetzt erst einmal darum, aufzuräumen und das Haus dann dichtzumachen“, hofft der Gebäudemanager, dem Vandalismus einen Riegel vorschieben zu können. Dann soll eine neue Nutzung für das Objekt gefunden werden. „Der Denkmalschutz ist kein Thema, das haben wir geprüft“, sagt Kezic. Ein Abbruch sei nicht geplant. Darüber freut sich wohl nicht nur der aufmerksame SÜDKURIER-Leser Jürgen Glunz. „Auf jeden Fall wäre eine Aufräumaktion und Sicherung des Objekts wünschenswert“, sagt er. Und auch Werner Wocher vom Museumsbahnverein signalisiert Zustimmung. „Wir als Verein zur Erhaltung der Bahnlinie Etzwilen–Singen betrachten das Häusle als schützenswertes Museumsbahnobjekt“, erklärt Wocher gegenüber dem SÜDKURIER.
Eine Bahnlinie mit Geschichte
- Gestern: Die Stiftung Museumsbahn hat die vor beinahe 150 Jahren erbaute Bahnstrecke der SBB 2006 samt der Infrastruktur übernommen. Ein Kernstück ist die Rheinbrücke bei Hemishofen – erbaut im Stile vergleichbarer Werke des Ingenieurs Eifel – die von der Stiftung Eisenbahnbrücke Hemishofen übernommen wurde. 1969 wurde der Personenverkehr eingestellt, 1996 der Güterverkehr und 2004 endete die Nutzung als Hupac-Transitstrecke. Den Streckenteil Rielasingen-Singen, der der Stadt Singen gehört, hat die Stiftung gepachtet. 2019 wurde das wegen des Baus des Volksbankkreisels ausgebaute Schienenstück wieder eingesetzt.
- Heute: Mehrere Vereine machen sich für den Erhalt der Linie stark: Im Zentrum steht der Verein zur Erhaltung der Bahnlinie Etzwilen-Singen (VES), der auf deutscher Seite vom Verein Eisenbahnfreunde Hegau (EFH) Unterstützung findet. Dazu kommen mehrere Fördervereine.
- Morgen: Da Corona-Restriktionen der Museumsbahn derzeit noch verbieten, die Lokomotivkessel unter Dampf zu setzen, plant der Verein eine erste diesjährige Dampfzugfahrt am Sonntag, 5. September. Eine weitere Fahrt soll am Sonntag, 3. Oktober, stattfinden. Definitiv sei dies aber noch nicht. „Das können wir erst in der nächsten Zeit abklären“, so Wocher.
- Übermorgen: Die Initiative Bodensee S-Bahn (IBSB) fordert eine Machbarkeitsstudie aller relevanten Potenziale für die Strecke, um eine Reaktivierung im Linienbetrieb zu realisieren. Kalkuliert werden müssten die Kosten für die neue Sicherungstechnik der Bahnübergänge und der Signalanlagen. Danach könnte eine Kosten-Nutzen-Analyse folgen. (bie)