Es gibt immer noch Menschen, die den Computer scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Aber es sind nicht mehr viele. Manch einem ist vielleicht nicht einmal bewusst, wie stark ihr Alltag durch digitale Technik beeinflusst ist. Vom Telefon bis zum Backofen, von der Kamera bis zum Auto: Überall werden kleine Computer verbaut und Programme über Satelliten gesteuert.

Was George Orwell sich zwischen 1946 und 1948 in seinem Roman „1984“ als Science Fiction ausdachte, ist heute Normalität. Der Weg aus der analogen in die digitale Welt war kürzer, als man sich vorstellen wollte.

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Einer, der ihn konsequent bis heute mitgegangen ist, ist Manfred Hirner. Mit seinen 82 Jahren ist er immer noch an modernster Technik interessiert und bestens vernetzt. Er bedauert es, wenn sich viele der älteren Generation dem Fortschritt verweigern und damit selber ins Abseits stellen.

Er kann sich noch gut daran erinnern, wie Teile der Gesellschaft Mitte der 80er Jahre elektrisiert waren, als die ersten Heimcomputer die Wohnzimmer eroberten. Andere hielten die neue Technik hingegen für Spinnerei. Gerhard Bumiller, ebenfalls ehemaliger Lehrer an der Hohentwiel-Gewerbeschule, erzählt, wie ihn die Kollegen ungläubig anschauten, als er seinen ersten gebrauchten PC für 500 D-Mark von Manfred Hirner abkaufte.

Ein Foto von einer Musikprobe für den Technikerabschluss zeigt Manfred Hirner (links) Ende der 1980er Jahre mit dem bereits verstorbenen ...
Ein Foto von einer Musikprobe für den Technikerabschluss zeigt Manfred Hirner (links) Ende der 1980er Jahre mit dem bereits verstorbenen Kollegen Günter Stauder. | Bild: Manfred Hirner (privat)

Als Lehrer der Hohentwiel-Gewerbeschule unterrichtete Manfred Hirner in Singen die ersten Computer-Klassen. Dabei kam er eigentlich aus der Wirtschaft. Hirner hatte Betriebswirtschaft studiert und war als Diplom-Ingenieur bei Georg Fischer (GF) in Schaffhausen beschäftigt. Von Anfang an war er neugierig auf die ersten Schritte in die digitale Welt. Er spürte den Aufbruch, sah die Möglichkeiten der neuen Technik.

Und so beschloss er, die Programmiersprachen zu lernen. Er wollte die Computer nicht nur bedienen, sondern auch ein Stück weit verstehen. Und weil die Maschinen bei GF nur an den Wochenenden frei waren, pilgerte er eben auch in seiner Freizeit in die Firma.

Wenn der pensionierte Lehrer an diese Zeit zurückdenkt, leuchten seine Augen. Seine Frau Ursula sitzt daneben und erinnert ihn daran, wie sie ihn überredete, ins Lehramt zu wechseln. Sie hatte beobachtet, wie gut ihr Manfred mit jungen Menschen umgehen konnte. Als Gruppenleiter in der katholischen Jugend lag ihm das Gesellige, der Umgang mit Menschen, und das tut es noch immer.

Heute will Hirner Senioren an Computer heranführen

Allerdings kümmert er sich als Vorsitzender des Hilzinger Seniorenrates und als Mitglied im Kreisseniorenrat jetzt um die Belange der älteren Menschen. Er will verhindern, dass diese Generation sich selber von der Gesellschaft abkoppelt. Deshalb engagiert er sich auch in der Computeria. Denn Hirner ist überzeugt, dass die Digitalisierung gerade im Alter Verbindungen schafft und eine längere Teilhabe am öffentlichen Leben ermöglicht.

Versteckt in einem hinteren Winkel der Hohentwiel-Gewerbeschule steht noch ein Commodore 64. Das Museumsstück weckte in den 1980er ...
Versteckt in einem hinteren Winkel der Hohentwiel-Gewerbeschule steht noch ein Commodore 64. Das Museumsstück weckte in den 1980er Jahren Begehrlichkeiten bei den Schülern, die schon damals verstanden, dass damit ein neues Zeitalter beginnen würde. | Bild: Stephan Glunk

Doch zurück zu den Anfängen: „Mir war damals schon klar, dass die Digitaltechnik die Zukunft radikal verändern würde“, sagt Manfred Hirner. Mittlerweile hatte er längst als Lehrer bei der Hohentwiel-Gewerbeschule angeheuert. Er gehörte zu jenen, die den Rechenschieber im Unterricht einführten und die ersten Taschenrechner von Texas Instruments.

Wer darüber lacht, sollte sich vor Augen halten, dass diese Lernmaterialen damals ein halbes Vermögen kosteten. Aber wo, wenn nicht in einem technischen Gymnasium sollten Investitionen in diese Werkzeuge besser angelegt sein?

1980 sollte ein Computer 80.000 D-Mark kosten

Als 1980 in der Schule das erste Angebot für einen Computer von Philips vorlag, muss das Lehrerkollegium in kollektive Schnappatmung verfallen sein. „80.000 D-Mark, das waren wir von der Industrie für neue Entwicklungen gewöhnt“, erinnert sich Manfred Hirner. Er musste noch vier weitere Jahre warten, bis der Commodore 64 (kurz C 64) das erste Klassenzimmer eroberte. „Zwölf Geräte plus vier Drucker und vier Floppy-Discs sowie zwei Großbildmonitore waren 1984 die stolze Errungenschaft“, erzählt Hirner.

„Die Programmiersprache war Basic. Auf dem grünen Bildschirm hatten 40 Zeichen pro Zeile Platz. Die Leistung lag bei 16 Kilobyte (KB).“ Trotz dieser aus heutiger Sicht schwachen Leistung eroberte der C 64 nach seiner Einführung im Jahr 1982 die Wohnzimmer. Bis Ende der 1980er Jahre war er beliebt als Spielcomputer und in der Softwareentwicklung. Er gilt als der weltweit meistverkaufte Heimcomputer.

In der Hohentwiel-Gewerbeschule mussten sich anfangs je zwei Schüler ein Gerät teilen. „Nur drei Jahre nach der Anschaffung haben wir die Geräte schon auf 32 KB Arbeitsspeicher aufgerüstet und hatten dann auch eine Grafik-Karte“, erzählt Hirner.

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Im Unterricht an der Hohentwiel-Gewerbeschule wurden einfache Programme geschrieben, um Texte zu schreiben oder Linien und Kurven zu ziehen. „Die Schüler haben Programmiermodule gebaut“, erinnert sich der ehemalige Lehrer. Er freute sich über die rege Teilnahme der Schüler am Unterricht. „Sie waren immer sehr motiviert.“

Manfred Hirner ist mit der Hohentwiel-Gewerbeschule immer noch sehr verbunden. Der Fortschrittsgedanke der technisch ausgerichteten Schule hat ihn immer begeistert. „Die Schule war Vorreiter“, sagt er. „1995 waren die neuen Computerräume eingerichtet.“ Parallel zum Unterricht engagierte sich Hirner in einer Stuttgarter Projektgruppe zur Entwicklung moderner Unterrichtsmethoden.

Tablets für Grundschulen? Hirner mahnt zur Vorsicht

Wenn er aber heute von Lehrern gefragt wird, ob es auch sinnvoll ist, die Grundschulen mit Tablets auszustatten, so wird er nachdenklich. Die Schüler müssten zuerst lernen, ihre fünf Sinne einzusetzen, ist er überzeugt. „Wir hatten Zeiten, in denen der Physik-Unterricht per Video stattfand“, erinnert er sich. „Als wir merkten, dass nichts hängenblieb, haben wir wieder auf die Praxis umgestellt.“

Auch mit 82 ist Manfred Hirner digital auf dem neuesten Stand. Die Datengeschwindigkeit lasse zwar in Hilzingen immer noch zu wünschen übrig, meint er. Der Computer sei aber unausweichlich. „Die Welt ist klein geworden“, sagt er. „Die künstliche Intelligenz ist im Vormarsch. Angesichts fehlender Pflegekräfte brauchen wir Roboter in der Pflege. Ich war immer begeistert von neuen Entwicklungen.“ Bei aller Begeisterung dürfe aber die Sicherheit persönlicher Daten nicht zu kurz kommen.