Wer sein Geld mit dem Wohnen verdient, hat es derzeit nicht leicht. Kosten steigen, Zinsen aber auch. Die Entwicklung, die die Pläne von manch einem Häuslebauer platzen ließ, betrifft auch die Baugenossenschaften. Doch die politische Botschaft, die Axel Nieburg, geschäftsführender Vorstand der Baugenossenschaft Hegau, beim Bilanzgespräch hauptsächlich platzierte, betraf die von der Bundesregierung geplante Wärmewende. Sein Kritikpunkt lautet: Die Politik setzt zu viel auf eine Karte. Sei zuletzt die Wärmepumpe als Lösung aller Probleme genannt worden, so gehe es nun plötzlich um Fernwärme. Doch Nieburgs Einschätzung lautet: „Dass Fernwärme die Lösung ist, sehe ich im Moment nicht.“
Weder Wärmepumpe noch Fernwärme allein
Mehrere Punkte sprechen für ihn dagegen. Ein Fernwärmenetz müsste man zunächst einmal bauen, was teuer ist. Wenn man die Versorgung mit Fernwärme großen Unternehmen überlasse, könnten diese faktisch über einen wesentlichen Teil der Wohnkosten bestimmen. Und wenn Großwärmepumpen die Wärme für entsprechende Netze erzeugen sollen, stelle sich die Frage, ob die Stromnetze für diese Geräte überhaupt ausgelegt sind.
Zur Wärmepumpe hat der Genossenschafts-Chef auch eine Meinung. Für einen Neubau sei sie sinnvoll, im Bestand könne man sie nur mit hohen Nebeninvestitionen realisieren. Und in seiner Präsentation steht auch: „Wärmepumpe ist immer dann grün, wenn der Strom, mit dem sie betrieben wird, grün ist.“ Ein Mix an Energieträgern wäre in seinen Augen besser.
Und Nieburg wäre nicht Nieburg, wenn er die Kritik an der Politik nicht dafür nutzen würde, die Genossenschaft als gutes Beispiel hervorzuheben. Bei der Hegau nutze man nämlich schon Nahwärme, um Wohnungen zu beheizen. Allerdings werde diese Nahwärme von der Genossenschaft als Großvermieter selbst erzeugt und durch 13 eigene Netze in die Gebäude gebracht: „Wir machen die Fernwärme selbst und bleiben Herr im Haus.“
Beim Brennstoff habe man schon seit Jahren auf heimisches Holz umgestellt. Fast drei Viertel des Wärmebedarfs werde mit Holz gedeckt, geht aus den Schaubildern hervor, nur ein Viertel aus Erdgas und Heizöl. Bundesweit sehe es umgekehrt aus: Gas und Heizöl seien für drei Viertel der Heizenergie gefragt. In der Grafik des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft ist der Anteil an Holz und Holzpellets so gering, dass er im Punkt „Sonstiges“ aufgeht.
Dass die Politik ins Geschäft einer Wohnbaugenossenschaft hineinwirkt, war im Bilanzgespräch der Hegau auch beim Blick auf die Bauvorhaben zu sehen. Beim Projekt Überlinger Höfe in der Überlinger Straße in Singen hätte die Genossenschaft nicht gebaut, wenn sie nicht die Garagen schon abgerissen hätte, sagt Axel Nieburg. Schließlich müsse man kostendeckend arbeiten. Nun konnte man nicht zurück, da die Bewohner ihre Autos nur noch auf einem Provisorium abstellen können. Das Zusammenspiel aus viel zu hohen Baukosten, hohen Zinsen und weniger staatlicher Förderung mache das Bauen von Mietwohnungen aber eigentlich unrentabel.

Viele Bauvorhaben sind schon in der Pipeline
Doch gleichzeitig zeigte sich die Genossenschaft optimistisch, dass sich diese Situation wieder ändern wird. Kai Feseker, der zum April 2024 die Nachfolge von Axel Nieburg als geschäftsführender Vorstand der Hegau antreten soll, berichtete von den geplanten Bauvorhaben der Genossenschaft. Beispielsweise in der Albert-Schweitzer-Straße in Stockach sollen vier Gebäude mit 44 Wohnungen entstehen, davon 22 Sozialwohnungen auf von der Stadt verbilligt abgegebenen Grundstücken, wie Nieburg ergänzt. Die zwei Gebäude mit zusammen zwölf Wohnungen, die bisher auf den Grundstücken standen und mittlerweile abgebrochen sind, hätten das Ende ihrer Lebensdauer erreicht gehabt, so Feseker.
Auch in und um Singen plant die Hegau Bauvorhaben. Bei den Schwarzwaldhöfen in der Schauinslandstraße im Singener Bruderhofgebiet sollen durch Anbauten viele Wohnungen dazukommen. Die Zahl soll von derzeit 72 auf mehr als 160 Wohnungen steigen. Auch in der Königsberger Straße in Gottmadingen soll das Anwesen vor allem im rückwärtigen Bereich deutlich erweitert werden. Die Abstimmungen mit der Gemeinde würden gerade laufen, so Feseker. Intern laufe das Projekt unter dem Namen Moby Dick, weil der Grundriss aus der Luft ungefähr wie ein Wal aussehe.
Und schließlich soll in der Hohenfriedingenstraße in Radolfzell aufgestockt und erweitert werden. Der Plan ist, zwischen Ergänzungsbau und Bestand einen Raum im Freien zu schaffen, wo sich die Bewohner treffen und austauschen können. Bis zu 45 Mietwohnungen können neu entstehen, heißt es in der Präsentation. Der öffentliche Fußweg an der Stelle soll erhalten bleiben, so Nieburg.
388 Wohnungen werden gebaut oder modernisiert
Alles zusammen mache das etwa 280 Wohnungen, die neu gebaut werden, und 108 Wohnungen, die modernisiert werden sollen. Denn wenn man ein Gebäude anfasse, werde auch der Bestand modernisiert, erklärt Kai Feseker.
Ein Baustart in diesem Jahr sei allerdings nicht in Sicht, heißt es beim Bilanzgespräch. Neubauten sollen nach Passivhausstandard entstehen, Fotovoltaik-Anlagen auf die Dächer kommen, so Feseker. Bei den Baumaterialien wolle er auf die CO2-Bilanz achten. Und eine große Stellschraube sei, die Wohnflächen zu optimieren – also pro Einheit möglichst klein zu halten.