Der Krieg in der Ukraine schockiert die Singener, macht sie betroffen und überschattet die Fasnacht. Besonders weil Kobeljaki, die Partnerstadt Singens, in der Ukraine liegt. Aus diesem Grund hat Elisabeth Paul von der Kirchengemeinde St. Peter und Paul am Donnerstag spontan eine Mahnwache auf dem Herz-Jesu-Platz gegen den Krieg und aus Solidarität mit den Menschen in der Ukraine organisiert. Gemeinsam zeigten die rund 50 Teilnehmer ihr Engagement für Frieden und sangen das Freiheitslied „We shall overcome“.

„Ich hatte mich eigentlich auf Fasnet und Hoorig eingestellt, aber die Verzweiflung angesichts der Bilder hat großen Raum eingenommen“, berichtet das Poppele-Zunftmitglied Elisabeth Paul. Deshalb habe sie beschlossen, etwas zu tun. Jeder könne sich aufmachen zum Frieden und sich einbringen. Frieden sei ein Geschenk, um das man sich aber auch bemühen müsse. Sie dankte OB Bernd Häusler, Dekan Matthias Zimmermann und Wolfgang Heintschel, dass sie spontan als Redner zugesagt haben. OB Bernd Häusler schickte einen dringenden Appell Richtung Russland: „Stoppen Sie diesen Krieg. Die europäischen Völker wollen keinen Krieg, sie wollen Frieden und Freiheit in Europa.“ Er verurteilte den russischen Überfall auf die Ukraine und bekundete die Solidarität der Stadt mit der Partnerstadt Kobeljaki. Dekan Zimmermann bat um Unterstützung für die Ukrainer: „Wir bitten Dich für die Menschen, die um ihr Leben fürchten und die, die nach friedlichen Lösungen suchen.“

Mit dem Herzen und den Gedanken in Kobeljaki ist die Partnerschaftsbeauftragte Carmen Scheide. „Ich bin erschüttert über einen brutalen Krieg mitten in Europa. Durch unsere Städtepartnerschaft zu Kobeljaki sehe ich sehr konkret die Menschen dort. Es sind Freunde und Bekannte, mit denen wir beisammengesessen, getrunken und gesungen haben. Und die nun unsere Hilfe brauchen. Ein erstes Zeichen ist es, Solidarität zu zeigen“, erklärt sie.

Carmen Scheide ist Dozentin für osteuropäische Geschichte und hat spontan den Inhalt ihres Seminars am Donnerstag geändert, um über die aktuellen Ereignisse zu sprechen. Sie stehe vor allem über die sozialen Netzwerke in Kontakt mit der Partnerstadt. In Kobeljaki sei es noch ruhig gewesen. „Die Einwohner haben Angst. Schulkinder bleiben vorsichtshalber zu Hause, die Menschen stehen an Tankstellen Schlange und tätigen Hamsterkäufe“, berichtet sie. Sie hätten auch Angst, um ihre jungen Männer, die zum Militär eingezogen würden.
Jede Aktion in Europa, die auf den Krieg aufmerksam mache, helfe den Menschen dort, lobte sie die Initiative zur Mahnwache. „Denkt an uns, zeigt auf das Unrecht und macht es öffentlich“, sagen ihr die Freunde aus der Ukraine. Sie lobt die Hilfsbereitschaft, macht aber gleichzeitig klar, dass man sich auf Jahre der Hilfeleistung einstellen müsse. Dieser Krieg sei von Putin von langer Hand geplant worden, so ihre Einschätzung. Seit acht Jahren herrsche in Teilen der Ukraine Krieg und niemand schaue ihn. Viele wüssten noch nicht einmal, wo die Ukraine liege.
Am Tag nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sitzt der Schock auch bei Wilhelm Waibel tief. Er war viele Jahre für die Städtepartnerschaft von Singen mit dem ukrainischen Kobeljaki verantwortlich. „Das sind schreckliche Bilder, die uns da erreichen“, sagt er. Wenn er die Bilder betrachte, auf denen die Menschen um ihr Leben rennen, dann kommen dem 87-Jährigen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg hoch. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir noch einmal Krieg mitten in Europa haben werden und jetzt ist es passiert“, so Waibel weiter. Für den Singener Ehrenbürger war der Angriff von Seiten des Kreml vorbereitet. „Der Westen wurde an der Nase herumgeführt“, betont Waibel. Er gehe davon aus, dass der Einmarsch der russischen Truppen ähnlich ablaufen werden, wie 2014 auf der Halbinsel Krim.
Zusammen mit Carmen Scheide steht Wilhelm Waibel in Kontakt mit dem Bürgermeister Alexander Kobelez von Kobeljaki. In einer Email schrieb dieser, dass sich die Situation in der Singener Partnerstadt täglich ändern könne. In Kobeljaki bereitet man sich auf Selbstverteidigungsmaßnahmen vor, geht aus dem Schreiben hervor. „Das bedeutet, dass jeder Mann bis 60 Jahren wohl einberufen wird“, so Waibel.
OB sagt Hilfe zu
Zudem gehe Bürgermeister Kobelez laut Waibel in der Email davon aus, dass man schon sehr bald Verbandsmaterialien sowie schmerz- und blutstillende Mittel benötigen werden. OB Bernd Häusler hat Carmen Scheide bei der Mahnwache spontan Singens Hilfe zugesagt, bei allem, was möglich ist. „Das ist alles einfach ganz, ganz schrecklich“, sagt Waibel. Der 87-Jährige gehe indes davon aus, dass sich die Ukrainer wehren werden. „Aber angesichts der Überzahl, ist dieser Kampf aussichtslos“, so Waibel.