Baden-Württemberg strebt die Klimaneutralität an – und das schon in wenigen Jahren. Aber was kann eine Stadt wie Singen tun, um auf diesem Weg voranzukommen? Staatssekretärin Elke Zimmer (Grüne) aus dem Verkehrsministerium hat beim Vor-Ort-Termin im Café Horizont erklärt, wie sie Sektorziele erreichen will – und warum Kommunen dabei so wichtig sind. Denn ein wichtiger Baustein zur Reduzierung des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes sei das Ortsmittenprogramm – eine Vision, wie die Städte in fünf bis 15 Jahren aussehen sollen. „Das Motto lautet: Die Straßen der Innenstädte gehören den Menschen mit verkehrsberuhigten Zonen mit viel Grün, breiten Gehwegen und Plätzen der Erholung und der Kommunikation mit entsprechenden Sitzgelegenheiten“, so Zimmer.
Tina Eikmann, Geschäftsführerin des Grünen-Kreisverbandes, konnte mit Birgit Albert vom Kreisvorstand im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Vor Ort“ viele Gäste im Café Horizont begrüßen. Neben der Grünen-Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger und Gemeinderatsmitgliedern war reichlich Fachpublikum vor Ort, wie zum Beispiel Vertreter des Verkehrsclub Deutschland (VCD) und mit Petra Jacobi auch die Radverkehrsbeauftragte der Stadt Singen.
Leihmöbel für mehr Akzeptanz bei den Bürgern
Die Ziele des Ortsmittenprogrammes sind ambitioniert und vielfältig: Es gehe dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg darum, attraktive Straßenräume in Ortsmitten für alle zu schaffen, um das soziale Miteinander zu verbessern. Wobei die Verkehrsberuhigung auch der Klimaanpassung mit besserer Luft und weniger Lärm diene. Dies soll mit breiteren Geh- und Radwegen, Plätzen mit Sitzmöglichkeiten und Grün zum Verweilen für mehr Lebensqualität erreicht werden.
Das Ortsmittenprogramm basiert auf mehreren Bausteinen. Neben Visualisierungen, welche die Zukunftsvision deutlich machen können, sollen auch schnelle und unkomplizierte temporäre Umgestaltungen von einzelnen Straßenabschnitten möglich werden. Dafür soll es leihbare Außenmöbel aus Holz und Blumenkästen geben. Städte und Kommunen können ihr Interesse am Ortsmittenprogramm beim Verkehrsministerium anmelden.
Wien wird zum Vorbild für Landespolitiker
Ihr Vorbild findet die Staatssekretärin in der österreichischen Hauptstadt Wien. Dort habe sich die Mariahilfer Straße zur beliebteste Flaniermeile entwickelt, obwohl der erste Anlauf einer Verkehrsberuhigung am Widerstand der Bevölkerung gescheitert sei. Sechs Jahre später habe die Stadt einen aufwändigen Kommunikationsprozess mit Einbindung des Einzelhandels aufgesetzt, der dann von Erfolg gekrönt gewesen sei. Autos dürften zwar noch die Mariahilfer Straße befahren, doch nur noch in der Mitte in Schrittgeschwindigkeit.
Beim Thema verkehrsberuhigte, fahrradfreundliche und damit lärm- und verkehrsgefahrenentlastete Innenstädte gab es in der sich anschließenden Diskussion durchaus konträre Meinungen, weil dies eine Umlenkung des Verkehrs in die Außenbezirke bedeute und von Fall zu Fall Umgehungsstraßen notwendig mache, die zur Flächenversieglung führten.
Einig war man sich in der sich anschließenden Diskussion, dass die Fahrrad- sowie die ÖPNV-Kultur weiter entwickelt werden müsse. Die Staatsekretärin brachte für den ländlichen Raum eine Mobilitätsgarantie zur Sprache, wobei es darum geht, dass zum Beispiel zu verkehrsarmen Zeiten Taxis die Busse ersetzen könnten. Auch der Ausbau der Bahnstrecken wurde als essentiell gesehen. Doch wie am Beispiel der Ablachtalbahn zwischen Stockach und Mengen konstatiert werden musste, ist der Zeithorizont, ab wann auf dieser Strecke Züge im Stundentakt frühestens fahren könnten, mit dem Jahr 2031 ein sehr langer.