Für Andreas Auer wird es ein emotionaler Abschied, vor allem von seinen Stammkunden und seinen Mitarbeitern: Er will zum Ende des Jahres seine Bäckerei und Konditorei in der Ekkehardstraße in Singen schließen. Auer hofft aber, dass sich vielleicht doch noch jemand findet, der seinen Laden eventuell als Filiale einer anderen Bäckerei weiterführt.
Die Bäckerei Auer gehört zur Singener Oststadt wie kaum ein anderes Geschäft. Auers Großeltern eröffneten 1938 zuerst in der Lindenstraße eine Bäckerei. 1955 haben sie das Haus in der Ekkehardstraße 75 mit Bäckerei und Laden gebaut, 1956 eröffnet, berichtet Auer. Später haben Andreas Auers Eltern den Betrieb übernommen, am 15. März 2003 startete er selbst dann praktisch direkt nach der Ausbildung in der elterlichen Backstube und wurde Chef des Betriebs.

„Ich brauchte keine Idole aus Sport oder Musik, meine Eltern waren immer meine Vorbilder, wie sie das geschafft haben mit Selbstständigkeit und drei Kindern“, erinnert sich Auer. Er ist in die Bäckerei und in dem Haus in der Ekkehardstraße groß geworden und sein Berufswunsch war immer Bäcker. Auer übt sein Handwerk nach wie vor mit Liebe und Stolz aus. „Backen ist meine Leidenschaft“, erklärt er.
Grund ist nicht der Balkanbäcker
Doch warum hört er dann auf? Grund sei jedenfalls nicht der Balkanbäcker und Grill, der an der Ecke Ekkehard- und Kreuzensteinstraße eröffnet hat, wie schon gemunkelt werde. Der Balkanbäcker spreche auch andere Kunden an. Andreas Auer gibt mit 52 Jahren aus gesundheitlichen Gründen auf und findet keinen Nachfolger, der selbstständig oder als Filiale die Bäckerei betreibt.
Er habe knapp 22 Jahre den Betrieb geführt und 35 Jahre als Bäcker gearbeitet. Auer backt nicht nur fürs eigene Geschäft: Er beliefert auch seit vielen Jahrzehnten den Lebensmittelladen von Hugo Maier in der Steißlinger Ortsmitte mit frischen Backwaren. Das Aufhören fällt Andreas Auer schwer, aber es gehe nicht anders. Zum Glück fänden seine Mitarbeiter aufgrund des Personalmangels schnell einen neuen Job. Da müsse er sich keine Sorgen machen.
Energie- und Rohstoffpreise machen zu schaffen
Er stellt auch mit den Jahren fest, dass die Bedingungen für einen selbstständigen Bäcker immer schwieriger werden. Es habe mit der Corona-Pandemie angefangen, dann kam der Ukraine-Krieg und die Energiepreise gingen in die Höhe, womit vor allem die Bäcker zu kämpfen hatten. Jetzt sind es die Rohstoffpreise, die steigen, und er könne seine Backwaren nicht immer noch teurer machen, da gingen die Kunden nicht mehr mit.
Außerdem sei es immer schwieriger, Personal zu finden, das wisse er als stellvertretender Innungsobermeister auch aus Gesprächen mit Kollegen. Kaum einer sei mehr bereit, nachts in die Backstube zu stehen, damit die Kunden ab 5.15 Uhr eine frische Brezel beim Bäcker kaufen können. „Deshalb bin ich jedem Mitarbeiter auch unendlich dankbar, der mich unterstützt hat“, erklärt Auer.
Personalmangel im Bäckerhandwerk
Um Personal anzuwerben, versuchten Bäckereien Mitarbeiter aus Indien oder Algerien für das Handwerk zu gewinnen. Auch die Bürokratie nehme immer mehr zu: „Die Unmengen verleiden einem den Spaß am Beruf, ich komme abends nicht mehr aus dem Büro heraus“, sagt der Bäckermeister. Viele Kunden wüssten auch das Angebot beim Bäcker nicht mehr zu schätzen und kämen nur am Sonntag, wenn die Supermärkte geschlossen haben.
Doch er habe auch viele Stammkunden, die immer wieder gerne sein Brot, seine Brötchen und andere Backwaren kosten. Jede Jahreszeit habe ihre Besonderheiten: „Zu Weihnachten gibt es Weihnachtsgebäck, zu Fasnacht Berliner und Scherben, wer bietet sowas schon an?“, erklärt er. Das Rezept seines Opas für Scherben, also in Fett ausgebackenen Teig, sei ein gut gehütetes Geheimnis.
Andreas Auer hat sich auch immer über die Bäckerei hinaus engagiert. Er setze sich für sein Quartier ein, die Oststadt, in der er aufgewachsen ist und auch heute noch über der Bäckerei wohnt. Er wollte helfen, das Quartier zwischen Thurgauer- und Aluminiumstraße, aufzuwerten und auf die Probleme aufmerksam zu machen.
Deshalb habe der Bäckermeister das Gespräch mit der Stadt und mit Landespolitikern gesucht. Die Oststadt sei der Teil von Singen, der am dichtesten besiedelt sei und es mangele immer mehr an der Nahversorgern. Auch die Bewohner hätten sich verändert: Mehr Vandalismus, weniger Rücksichtnahme beobachte er. Sein Einsatz galt auch der Singener Babyklappe, bei der er mit Aktionen half, sie zu finanzieren.
Stadt bedauert die Schließung
„Die Schließung der traditionsreichen Bäckerei Auer ist aus Sicht der Stadt Singen sehr bedauerlich“, schreibt Pressesprecher Stefan Mohr auf Anfrage. Das sei in Bezug auf die Nahversorgung in der östlichen Innenstadt schade, aber auch weil es sich um einen alteingesessenen Betrieb handelt.
Die Nahversorgung im Quartier sei aus Sicht der Stadtverwaltung dennoch durch andere Anbieter gesichert. So habe sich am Herz-Jesu-Platz ein neuer Bäcker angesiedelt. Der Platz biete neben dem neu geschaffenen Flair und Aufenthaltsqualität im Umfeld auch weitere Angebote im Bereich Handel und Gastronomie.
„Dort ist auch das Quartiersmanagement angesiedelt, das mittels verschiedener Angebote ein gutes Miteinander im Quartier fördert“, erklärt Stefan Mohr. Bezüglich der Nahversorgung gebe es in der Oststadt schräg gegenüber zur Bäckerei Auer die neue Balkanbäckerei, die unter anderem auch Backwaren anbiete und sich großem Zulauf erfreue. Zudem befinde sich ein Vollsortimenter rund 500 Meter entfernt, in dem auch eine Bäckerei beheimatet ist.
Bäckermeister Andreas Auer will sich nach dem Abschied von seiner Bäckerei und mit Beginn des neuen Jahres erst einmal darauf konzentrieren, wieder gesund zu werden. Danach möchte er sich über seine berufliche Zukunft Gedanken machen und ist offen für neue Wege.