Man sieht es der ehemaligen Chefin der Landesgartenschau GmbH geradezu an, wie sie ihr Gedächtnis durchforstet. Passend zum Thema findet die Verabredung mit Gesine von Eberstein im historischen Singener Stadtgarten statt. Es soll um die vielfältigen Aktivitäten zur Vorbereitung einer der größten und längsten Veranstaltungen in der Singener Geschichte gehen: die Landesgartenschau 2000. Und da wird ein ganzes Jahrzehnt an Erinnerungen benötigt.

Hier muss zumindest ein erster halbherziger Vorstoß aus dem Jahr 1991 Erwähnung finden. Damals hatte sich die Stadt noch unter Leitung des ehemaligen Oberbürgermeisters Friedhelm Möhrle formlos um die Ausrichtung einer Landesgartenschau beworben und prompt eine Absage kassiert.
Andreas Renner holte als CDU-Kandidat im OB-Wahlkampf 1993 die Gartenschauidee wieder aus der Versenkung. Damit war eines der wichtigsten Themen für das Jahrzehnt gesetzt. „Renners Begeisterung war uns eine große Hilfe“, betont Gesine von Eberstein. Und Hilfe war in vielerlei Hinsicht bei diesem Großprojekt gefragt.

1994 kam die Chance für Singen
1994 hatte die Stadt Bad Rappenau ihre Bewerbung für die Schau im Millenniumjahr zurückgezogen. Plötzlich wurde die Sache für Singen konkret. Man musste sich mit einem Konzept für die Schau bewerben. Die Köpfe in den Amtsstuben rauchten, der Gemeinderat stimmte schließlich mit einer Zweidrittelmehrheit für das Großprojekt. Weil kaum diskutiert wurde, ging man von einer breiten Zustimmung aus. Doch die Kritik schwelte schon: Eine frühere öffentliche Beteiligung wurde angemahnt.

Die größten Bedenken kamen von den Fraktionen der Grünen und der Neuen Linie, die ein finanzielles Desaster befürchteten. Die Jahre 1996 und 1997 waren geprägt von den Widerständen der „Bürgeraktion Landesgartenschau“, die mit 4300 Unterschriften einen Bürgerentscheid durchsetzen wollte.
Kritiker zogen bis vors Verwaltungsgericht
Nach zwei Niederlagen vor dem Gemeinderat versuchte die Gruppe, mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht die beginnenden Arbeiten an der Gartenschau zu stoppen. Ohne Erfolg. Und auch ein Widerspruch gegen das Urteil wurde abgelehnt. Erst im August 1997 waren diese Widerstände überwunden.
Die anfängliche Begeisterung hatte gelitten. Das sollte sich jedoch mit der zunehmenden Verwandlung des Geländes zwischen Rathaus und Aach und darüber hinaus bis zur Schanz ändern. „Je mehr sichtbar wurde, umso mehr wuchs die Euphorie“, erinnert sich Gesine von Eberstein. Und damit das, was sich veränderte, auch sichtbar wurde, führte sie Besuchergruppen über das Areal.

Häuser abgerissen, Straßen gesperrt
So erlebten die Bürger, wie marode Häuser abgerissen und der Hohgarten neu gepflastert wurde, wie das Tierheim ins Münchried umzog, wie die Mühlenstraße für den Durchgangsverkehr gekappt wurde, wie sich der alte Bauhof verwandelte und die Offwiese zum Festplatz wurde.

„Aus der Stadt, über den Fluss, auf den Berg“, hatte der Landschaftsarchitekt Michael Palm seinen Siegerentwurf genannt. Immerhin geht es bei den vom Land geförderten Millionen-Projekten um große Ziele. In Singen fand dies alles auf 20 Hektar Fläche statt. Dazu kam das einmalige Kunstprojekt „Hier, Da und Dort“, das Arbeiten international bedeutsamer Künstler nach Singen brachte.
Mittlerweile hatte sich auch ein Förderverein gegründet, der mit seiner authentischen Begeisterung eine beispiellose Öffentlichkeitsarbeit leistete. Der örtliche Handel ließ sich anstecken und setzte zur großen Modernisierung seiner Geschäfte an. „Das hat einen enormen Entwicklungsschub in Singen ausgelöst“, bilanziert Gesine von Eberstein. „Die Stimmung war so gut, dass in der Folge auch die Stadthalle gebaut werden konnte“, ist sie überzeugt.