Im politischen Geschäft gilt: Bekanntheit ist ein Schlüssel zum Erfolg. Praktisch alle Gruppierungen, die bei der Kommunalwahl am Sonntag, 9. Juni, Sitze im Singener Gemeinderat erringen wollen, haben deshalb möglichst rasch ihre Kandidaten vorgestellt. Entweder wurde die Presse direkt zur Nominierung eingeladen oder es gab kurz danach umfassende Pressemitteilungen.

Bei der AfD, je nach Ausprägung als rechtspopulistisch bis rechtsextrem einzustufen, war das anders. Dass sie vier eigene Kandidaten ins Rennen um den Gemeinderat mit seinen 32 Sitzen schickt, konnte man zuerst aus sozialen Medien erfahren. Auch kurz vor der Wahl ist der Kontakt zu den Kandidaten nicht ganz einfach.

Kaum mehr als Fotos und Namen, ein Programm fehlt

Thomas Frischmuth, der auf Listenplatz eins steht, hatte Mitte Mai angekündigt, dass die „relevanten Informationen“ auf der Webseite des AfD-Kreisverbands Konstanz zur Verfügung gestellt würden. Am Freitagabend, 31. Mai, sind dort sehr kurze Porträts von drei der Kandidaten zu finden. Frischmuth wird darin die Aussage zugeschrieben, es sei Zeit, etwas dagegen zu tun, dass unter anderem Medien kontrolliert, Oppositionen verboten und das Volk gespalten werden solle. Auf die Bitte um einen Anruf oder Mailanfragen zu seiner Person und Kandidatur, um direkt mit einem Medienvertreter zu sprechen, vertröstet Frischmuth indes auf die Zeit nach der Wahl. Wo genau er sieht, dass eine Opposition verboten oder ein Volk gespalten werden sollen, ließ sich daher bislang nicht klären.

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Laut der öffentlichen Bekanntmachung der Wahlvorschläge ist Frischmuth Informatiker, 1967 geboren und lebt – wie die anderen drei Kandidaten – in der Kernstadt von Singen. Aus seinem Profil bei einem Online-Netzwerk für Berufstätige geht hervor, dass er als Applikationsmanager bei den Spitälern Schaffhausen arbeitet, frühere berufliche Stationen lagen demnach unter anderem in Niedersachsen und Berlin.

Ein Kandidat kam als Spätaussiedler nach Singen

Georg Borchert, der auf Platz zwei der Liste steht, ist telefonisch erreichbar. Er sei im Mai 79 Jahre alt geworden, erzählt er. Er stamme aus dem Masurengebiet in Polen, das bis zum Zweiten Weltkrieg zu Deutschland gehörte, und sei in den 1970er-Jahren als Spätaussiedler nach Singen gekommen. Seine Staatsbürgerschaft sei allerdings schon immer deutsch gewesen, sein Vater habe die polnische Staatsbürgerschaft nie angenommen. Die Familie stamme ursprünglich aus dem Ruhrgebiet.

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Anfang der 1980er-Jahre habe er sich selbstständig gemacht, sagt Borchert, und zwar durch Gründung, nicht durch Übernahme eines bestehenden Betriebs – das ist ihm wichtig. Seit ein paar Monaten sei er auch AfD-Mitglied, zuvor sei er in der CDU gewesen. Doch seit der Zeit von Angela Merkel kann er sich mit deren Inhalten nicht mehr identifizieren, das geht aus seinen Worten hervor. Nach seiner Meinung vertritt die AfD Positionen wie die CDU in den 1980er- oder 1990er-Jahren.

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André Rehm kandidiert auf Platz drei für die AfD und erklärt am Telefon, er sei 29 Jahre alt und beruflich Fachkraft für Schutz und Sicherheit mit dreijähriger Ausbildung. Als Hobbys gibt er Zeit mit seinem Hund und Rollstuhlsport an. Zu letzterem sei er durch Emiddio Sansone gekommen, der die Sportgruppe Hegau-Rollis gegründet hat, die heute Hegau-Wheels heißt. Dort sei er, der selbst nicht auf einen Rollstuhl angewiesen ist, zum Training mitgegangen und habe seine Leidenschaft dafür entdeckt.

Ein Kandidat gehört zur Gruppe der Jenischen

Vom Wahlprogramm der AfD sei er schon seit deren Gründung begeistert gewesen, Parteimitglied sei er seit März 2023. Zu seiner Motivation, für die AfD anzutreten, lässt er durchblicken, dass er mit der Arbeit der Regierung in den vergangenen Jahren sehr unzufrieden sei.

Sich selbst würde er nicht als rechts oder rechtsextrem einstufen, Vorfahren von ihm seien als Jenische sogar in Konzentrationslagern gewesen. Auch er selbst gehöre zu dieser Gruppe, von seiner Familie erhalte er nur Zuspruch für die Kandidatur. Zum Thema Zuwanderung sagt er: „Alle, die sich bemühen, sollen ihre Chance erhalten.“ Als politisches Ziel für den Fall, dass er gewählt wird, gibt er an, den kommunalen Ordnungsdienst ausbauen zu wollen.

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Ein klassisches Wahlprogramm gibt es nicht

Beide, Rehm und Borchert, berichten jedoch nicht von einem klassischen Wahlprogramm für die Kommunalpolitik. Borchert sagt, dass man so weit noch gar nicht sei, sondern erst abwarten wolle, ob überhaupt ein Kandidat in den Rat kommt. Beide sagen auch, dass die streckenweise Einstufung der AfD als rechtsextrem durch Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern sie nicht abschrecke. Und sie beklagen, dass Wahlplakate der AfD beschädigt und von Laternenmasten heruntergerissen würden – ein Thema, das mehrere Gruppierungen betrifft.

Der vierte auf der AfD-Liste ist Waldemar Koschel. Auch bei ihm war es nicht möglich, direkten Kontakt aufzubauen. Öffentliche Informationen über ihn sind im Internet nicht zugänglich. Laut der Bekanntgabe der Wahlvorschläge ist Koschel 1957 geboren und Industriemechaniker im Ruhestand.