Gymnastikbälle in einen fünf Meter hohen Korb werfen, auf einem Drahtseil balancieren oder mit Fußbällen auf Blechdosen schießen. All das war beim Spiel ohne Grenzen, einer Erfolgs-Fernseh-Spielshow aus den 1970er-Jahren, gefordert, um einen Spitzenplatz zu erreichen. Und genau den erreichte ein Team aus Singen vor 50 Jahren – vor einem Millionen-Publikum an den Flimmerkisten und völlig überraschend selbst für die Teilnehmer.

Frede Möhrle aus Steißlingen begleitete 1974 das Singener Gespann von den Vorentscheiden in Ludwigshafen am Rhein bis zur Finalrunde im italienischen Barga. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER erzählt die heute 88-Jährige von ungewöhnlichen Trainingsmethoden bis hin zu Sprachbarrieren und Kulturschocks.
Am 7. April 1974 startete das kurz zuvor gegründete Team aus Singen bei einem Qualifikationsturnier in Ludwigsburg am Rhein. „Wir hatten eine gute Gruppe, jeder hatte unterschiedliche Fähigkeiten. Da dachten wir uns, wir probieren das einfach mal“, erklärt Möhrle. Die bunt gemischte Gruppe bestand dabei sowohl aus Sportlern als auch Normalos unterschiedlichen Alters. Am Ende der Wettkämpfe stand unerwartet Singen als Sieger fest. „Mit einem Sieg in Ludwigsburg haben wir alle nicht gerechnet“, so die Steißlingerin. Das bedeutete, dass die Gruppe bei der internationalen Finalrunde in Barga für Deutschland und gegen sechs weitere Nationen antrat.
Doch bis sich die Gruppe schließlich auf den Weg in die Toskana machen konnte, habe sich das Team aus 14 Spielern und acht Trainern zunächst einmal vorbereiten müssen. „Man wusste ja nicht, was zu tun ist oder was man können muss“, sagt die 88-Jährige rückblickend. Einzig das Motto „Zirkus“ sei zu jenem Zeitpunkt bekannt gewesen.

Die Trainer, welche sich das Team beispielsweise aus dem Turn- und Schwimmbereich hinzugezogen habe, versuchten, die Gruppe auf viele Eventualitäten vorzubereiten. Dabei griffen sie auch zu unkonventionellen Trainingsmethoden. „Wir haben das Tauchen und Luftanhalten zu Hause in großen Schüsseln trainiert“, erzählt Möhrle schmunzelnd. „Die Männer und Frauen haben damals ständig trainiert, bis die Partner zu Hause sauer wurden“, so die Steißlingerin. Sie jedoch hatte Geduld mit ihrem Mann, der auch Teil der Gruppe war, fügt sie hinzu.
Ein Erlebnis bei hohen Temperaturen
Der Beginn der Finaltage um den 10. Juli 1974 rückte immer näher und die Gruppe begab sich auf den Weg in die knapp 700 Kilometer entfernte italienische Berggemeinde Barga. Eine Reise, die Frede Möhrle gut in Erinnerung geblieben ist. Denn in einem überhitzten Reisebus, ohne jegliche Straßenkarten und mit schlechten Italienisch-Kenntnissen wurde die Reise schnell zur großen Herausforderung. „Ich konnte ein wenig Latein und Französisch, trotzdem haben wir mit Händen und Füßen den Weg erfragen müssen“, sagt Möhrle.
Der Busfahrer habe auf den schmalen Passstraßen bei sommerlichen Temperaturen einige Konzentrationsschwierigkeiten gehabt. „Ich hab ihm ständig nasse Handtücher in den Nacken gelegt, wir sind auch quasi zu zweit gefahren, ich habe die Theorie übernommen und er das Lenkrad“, erklärt die 88-Jährige.

Kaum an ihrer Etappenunterkunft nahe der Hafenstadt La Spezia angekommen, hatte Möhrle bereits eine neue Aufgabe: Sie solle die mitgereisten Spielerfrauen betreuen. Das sei eine ziemliche Herausforderung gewesen, denn statt im Hotel übernachteten die Frauen in einem Kloster. Ohne Lockenwickler, Dusche und Elektrizität, dafür mit karger Einrichtung und frühabendliche Nachtruhe.
Großer Überraschungsfaktor gehörte dazu
Schließlich erreichte das Singener-Team den Zielort Barga. Ehe sie an der Austragungsstätte ankamen, gab es auch schon die ersten Besprechungen für die Fernsehsendung. Denn noch bevor man die Spiele näher erklärt bekommen habe, musste jedes Team die antretenden Spieler bekannt geben, erklärt Möhrle.

Sie hatten zwar ihre Spezialisten für Leichtathletik, Schwimmen und Turnen, doch über den genauen Spielablauf hätten sie nur spekulieren können. Zufällig hätten sie dann für Spiele, bei denen Balance, Geschicklichkeit und Kraft gefragt waren, immer die passenden Spieler ins Rennen geschickt.
Zuhause gefeiert, als hätten sie gewonnen
„Als wir nach dem letzten Spiel Singen auf dem dritten Platz gesehen haben, sind alle völlig ausgeflippt. Das war unvorstellbar als Kaff im Vergleich zu den anderen Städten wie Nancy oder Rotherham“, erinnert sich die damals 38-Jährige zurück. Die anschließende Feier habe sie sehr genossen.
Was für die heute 88-Jährige aber besonders in Erinnerung geblieben ist, war die Rückkehr in die Heimat. „Da war ganz Singen auf den Beinen, als wir angekommen sind, das war für alle einmalig. Dann haben wir nochmal am Rathaus gefeiert, als hätten wir gewonnen“, sagt die Steißlingerin.
Dieser Artikel erschien erstmals im August 2024.