Thomas Warndorf ist ein Autonarr mit Humor. Jahrelang war er Kläger am Stockacher Narrengericht. Seit Mai vergangenen Jahres wohnt er in Singen an der Hauptstraße und da vergeht ihm manchmal das Lachen: Wenn Menschen in ihren aufgemotzten Autos durch die Innenstadt brettern. „Beschleunigungsrennen auf 100 Meter, erbarmungsloses Hochdrehen der Motoren unter eifriger Nutzung des Klappenauspuffs, Ampelstarts mit durchdrehenden Reifen, garniert von donnernden Musikanlagen. Alles allabendlich und nächtlich zu erleben im Bereich Hauptstraße, Schaffhauserstraße und Hohenkrähenstraße.“ Deshalb stört sich Thomas Warndorf an dem Bild, die Stadt Singen habe den Posern die rote Karte gezeigt – denn das gelte nur für Treffen in der Südstadt mit mehr als fünf Teilnehmern.

Vieles werde andernorts weder kontrolliert noch sanktioniert, kritisiert Warndorf. Er befürchtet, ab Ostern wieder jedes Wochenende gestört zu werden.

Saison könnte am 15. April wieder starten

Ostern ist mit dem Karfreitag, den Autojünger zum Car-Freitag erkoren haben, traditionell der Auftakt der Poser- und Tuningsaison. Ab dann treffen sich Autofreunde freitags am sogenannten Obi-Kreisel, um ihre Wagen zur Schau zu stellen. Das wäre in diesem Jahr am 15. April. Die Stadt Singen will dies eindämmen, wie Oberbürgermeister Bernd Häusler auf Nachfrage erklärt: „Wir werden für den Car-Freitag eine entsprechende Allgemeinverfügung, wie in den vergangenen Jahren, erlassen.“

Auch die Polizei wappnet sich, wie Sprecher Uwe Vincon erklärt, und werde auch wieder mit den Behörden und der Polizei in der Schweiz zusammenarbeiten.

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Droht der Szene wieder eine Allgemeinverfügung?

Im vergangenen Jahr ging die Stadt Singen noch einen Schritt weiter: Eine Allgemeinverfügung untersagte ab Mitte Juni und bis Ende Dezember die Treffen der Szene.

Die Allgemeinverfügung habe Wirkung gezeigt, so Häusler: „Wir hatten nach dem Erlass der Verfügung keine großen Ansammlungen mehr von Fahrzeugen aus der Szene. Die Situation hat sich sicherlich, auch für die Anwohner, verbessert.“ Zwölf Fahrzeuge seien von der Polizei kontrolliert worden, alle erhielten eine Anzeige. Vier Fahrzeuge seien außerdem beschlagnahmt worden. Die Polizei erklärt, dass es weit über 200 Maßnahmen gegeben habe.

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Es sind nicht mehr hunderte Autos

Ob Treffen von mehr als fünf Autos wieder untersagt werden, stehe noch nicht fest. „Das werden wir von der Entwicklung und dem Verhalten der Teilnehmer der Tuning- und Poserszene im Stadtgebiet abhängig machen“, erklärt der Oberbürgermeister. Mit der Allgemeinverfügung habe man die Treffen von hundert und mehr Fahrzeugen im Rahmen halten können. Bernd Häusler sagt aber auch: Bei zentralen Straßen wie der Georg-Fischer-Straße müsse man auch mit gewissem Lärm rechnen.

Aber ein Auto genügt, um viele Menschen zu stören

„Vom normalen Verkehrslärm bekommen wir überhaupt nichts mit“, betont Warndorf. Ihm sei bewusst gewesen, dass er an eine zentrale Kreuzung der Stadt ziehe. „Ein Grund, warum wir nach Singen gezogen sind, war, dass es uns in Stockach zu ruhig war“, erzählt Warndorf. Er möge Singen, habe hier sein Abitur gemacht. „Ich mag das, wenn was geht und sich entwickelt.“ Dennoch störe er sich daran, dass sein Balkon zum Logenplatz für lautes Auto-Gehabe wurde. „Es geht um den Tatbestand der Ruhestörung, um Poser“, stellt er klar.

Er sei selbst ein eingefleischter Autonarr. „Ich habe selbst viele, auch laute Autos gehabt. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, diese so vorzuführen“, sagt er. Es sei eine sehr kleine Gruppe, doch es genüge oft eben ein Auto, um viele Menschen über einen längeren Zeitraum zu stören.

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Konkrete Vorschläge an die Stadtverwaltung

Thomas Warndorf weiß, wie die Mühlen einer Verwaltung funktionieren: In Stockach leitete er einst das Kulturamt, viele Jahre brachte er sich auch als Gemeinderat ein. Deshalb hat er wenig Hoffnung, dass sich das Thema Lärm im Zuge eines Lärmaktionsplans ändern könnte.

Doch er hat Lösungsvorschläge: Ganztags Tempo 30, eine Verengung der Fahrbahn und Blitzer. Dass dann tagsüber viele Autofahrer im Stau stehen könnten, wenn sie die Hauptstraße nutzen müssen, ringt ihm nur ein Schulterzucken ab. „Wer Auto fährt, steht auch mal im Stau. Das muss man akzeptieren.“

Vorschläge seien so nicht umsetzbar

Oberbürgermeister Bernd Häusler nimmt das auf Rückfrage weniger gelassen. Denn es handle sich in Singen wohl um das meist befahrene Straßenstück, von dem Thomas Warndorf spricht. „Es zeigt sich immer wieder, wenn nur eine einzelne Spur auf Grund von Bauarbeiten gesperrt ist, dass sich sofort ein längerer Rückstau bildet. Auch dies führt zu unnötigen Lärm- und Umweltauswirkungen“, sagt Häusler.

Eine Fahrbahnverengung sei dort nicht möglich, weil die Stadt sonst den Verkehr nicht mehr bewältigen könnte. „Ob eine Reduktion der Geschwindigkeit auf Tempo 30 den Lärm von sogenannten Posern verringert, wage ich zu bezweifeln“, sagt Häusler. Denn der Lärm komme vor allem von Klappenauspuff-Anlagen. Und Blitzer? Ob eine Anlage umsetzbar sei, wäre laut OB zu prüfen.

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Mit Blick auf die Beschwerden von Anwohnern, die immer wieder über Lärmbelästigung klagen würden, sagt Häusler: „Wenn sich alle PKW-Nutzenden an die geltenden Geschwindigkeits- und Lärmregelungen halten würden, wäre vieles einfacher.“

Solche Auspuffe sind dem OB schon lange ein Dorn im Auge

Insbesondere Klappenauspuff-Anlagen sind OB Häusler schon lange ein Dorn im Auge. „Meine Schreiben an die jeweiligen Verkehrsminister Dobrindt und Scheuer, diese unsäglichen und unnötigen Klappenauspuff-Anlagen per Gesetz zu verbieten, wurden mit dem üblichen ‚Kanzleitrost‘ und dem Verweis auf EU-Recht und Verordnung abgebügelt. Ich werde es beim neuen Verkehrsminister, Herr Wissing, erneut versuchen, um hier ein Umdenken zu erreichen. Vielleicht gelingt es mir dieses Mal“, sagt Häusler. Diese Anlagen seien häufig zugelassen, sodass die Stadt nichts dagegen unternehmen könne. Außer: Wenn Bürger laute Auspuffanlagen mit Kennzeichen, Ort und Uhrzeit bei der Stadt anzeigen, würden Bußgelder erlassen.

Was der Polizeisprecher rät

Auch Polizeisprecher Vincon erklärt: „Wenn es sich um veränderte Fahrzeuge handelt oder Fahrer, die absichtlich in niedrigen Gängen vielleicht auch mehrfach am Haus vorbeifahren, sollte man sich das Kennzeichen aufschreiben und der Polizei melden.“

OB Bernd Häusler appelliert an die Bundespolitik: Die Ampelkoalition habe sich auf die Fahne geschrieben, den Fortschritt zu wagen. „Das Verbot von Klappenauspuff-Anlagen wäre ein wirklicher Fortschritt zum Wohle der Menschen auf etwas mehr Ruhe durch den Straßenverkehr.“

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