Frau Patrice, Sie haben als Tattoo-Künstlerin einen relativen Blitzstart in der Szene hingelegt, obwohl Sie ein paar Umwege zuvor eingelegt haben. Wie sind Sie eigentlich zum Tätowieren gekommen?

Ich habe seit der Kindheit gezeichnet und gemalt und wollte immer etwas im künstlerischen Bereich machen. Während ich Literatur und Kunstgeschichte in Freiburg im Breisgau studiert habe, fing ich an, meine Gemälde zu verkaufen. Als ich nach dem Studium nach Amsterdam gezogen bin, hat mir meine beste Freundin von dort, die selbst viele Tattoos hat, nahegelegt, ich solle mir das Tätowieren überlegen. Und dann ist es mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen.

Ich habe angefangen, Tattoo-spezifische Designs zu zeichnen und auf Instagram zu posten. Die Nachfrage war bereits groß, bevor ich überhaupt einen Praktikumsplatz bekommen hatte. Schlussendlich habe ich bei einem Studio in Zürich angefangen. Wenige Monate danach habe ich mich schon mit meiner Kollegin Nikolett selbstständig gemacht. Wir haben ein eigenes Studio eröffnet. Das ist bald vier Jahre her.

Ein Teil Ihres Erfolgs beruht sicherlich auf Ihrem sehr spezifischen Stil. Wie haben Sie zu diesem gefunden?

Ich hatte immer Faszination für Tattoos, vor allem Tiere und Ornamente, fand aber das meiste auf dem Markt einfach zu dunkel und zu schattiert. Meine Designs sind delikat. Weniger ist mehr und ich finde, oft ist eine klare Linienführung einfach zeitloser.

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration dafür?

Vor allem von Musik. Ich liebe Rock und Punk-Rock-Musik, und die ganze Kultur drumherum. Vor allem für meine Gemälde bin ich sehr inspiriert von den 70ern und 80ern, Patti Smith oder Künstler wie Basquiat. Für meine Tattoo-Designs ist zwar alles etwas gegenständlicher, vor kurzem habe ich allerdings begonnen, eines meiner Gemälde auf die Haut zu übertragen, indem ich einen Ausschnitt des Gemäldes abfotografiert habe und als Tattoo-Design umsetzte. Schlussendlich macht die Leinwand nicht die Kunst, sondern die Künstlerin – egal, auf welcher Oberfläche.

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Mittlerweile sind Sie sehr routiniert in dem, was Sie tun. Was macht Ihrer Meinung nach eine gute Tätowiererin aus?

Ich denke vor allem technisches Können, Kreativität und am wichtigsten wahrscheinlich Menschlichkeit und Empathie. Am Ende des Tages arbeiten wir immer noch auf der Haut von Kunden und Kundinnen. Das braucht viel Vertrauen, weshalb eine geschützte Umgebung anzubieten und Verständnis zu zeigen, ausschlaggebend ist.

Kommt es vor, dass Sie Motive tätowieren, die Ihnen selbst nicht gefallen?

Eigentlich nicht. Ich bekomme meistens nur Anfragen auf den von mir spezialisierten Stil. Außerdem vertrauen die meisten Personen meiner Meinung sowie der kreativen Umsetzung komplett.

Welche Tattoos machen Ihnen am meisten Spaß?

Am liebsten tätowiere ich Körperkonzepte, bei denen man wirklich auf das Tattoo als ästhetische Erweiterung des Körpers schaut. Ein Beispiel dafür sind symmetrische Rückenmotive.

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Ihr Berufsalltag entspricht nicht unbedingt dem Standard. Wie läuft eine reguläre Arbeitswoche bei Ihnen ab?

Ich arbeite normalerweise vier bis fünf Tage die Woche an Tattoos. Die anderen zwei bis drei Tage sind vor allem Terminplanung, Studio-Organisation und Management, Social Media und das Erstellen von Inhalten dafür, Buchhaltung und so weiter. Als selbstständige Person hört man gefühlt nie auf, zu arbeiten. Ich habe eigentlich nie einen kompletten Tag frei – aber solange es mir Spaß macht, ist das ok.

Sie kommen aus der Region, nicht aus einer Großstadt wie Berlin oder Köln. Wie ist es Ihnen dennoch gelungen, sich damit international ein Standbein aufzubauen?

Ich bin viel gereist in den letzten Jahren, habe viele Künstler aus anderen Studios kennengelernt und mir somit international einen Namen gemacht. Umso öfter man in eine Stadt reist, desto bekannter wird man dort. Ich war viel in Paris und Amsterdam. So konnte ich mir neben Zürich und Deutschland auf jeden Fall auch dort einen Namen machen.

Im vergangenen Jahr waren Sie beim Open Air Frauenfeld als Tätowiererin vor Ort. Wie kam diese besondere Einladung zustande und was hat Sie dort erwartet?

Das war eine sehr spannende Erfahrung. Ich hatte zuvor noch nie auf einem Festival gearbeitet, aber wurde vom Social-Media-Team des Open Air Frauenfeld kontaktiert, die für den „Artist und Creator Backstage“-Bereich zuständig waren. Sie meinten zu mir, dass sie gerne die Option anbieten wollten, dass man sich tätowieren lassen kann. Dafür fanden sie mich geeignet. Ich habe dort dann einen ganzen Tag im Backstage-Bereich tätowiert und meine Vorlagen zum Auswählen angeboten. Eine superschöne Erfahrung, bei der ich viele verschiedene Leute kennengelernt habe.

Tätowiererin Saskia Patrice bei der Arbeit. Inzwischen ist sie über die Landesgrenzen hinaus bekannt und gefragt.
Tätowiererin Saskia Patrice bei der Arbeit. Inzwischen ist sie über die Landesgrenzen hinaus bekannt und gefragt. | Bild: Nikolett Kapor

Welche Projekte stehen als Nächstes bei Ihnen an?

Ich gehe jetzt erstmal drei Monate nach New York. Es ist vor allem eine Inspirationsreise. Neue Eindrücke, neue Menschen und eine neue Stadt. Dort werde ich die volle Zeit neuen Designs widmen und zurückkommen mit neuen Tattoo-Ideen und Vorlagen.

Sie sind mittlerweile überall auf der Welt unterwegs. Was verbindet Sie trotzdem noch mit Ihrer Heimat?

Früher wollte ich immer weg aus Singen und in die Großstadt. Jetzt bin ich froh, wenn ich mal eine Auszeit bekomme und meine Eltern besuchen kann. Eine neue Aktivität in der Heimat, die ich für mich entdeckt habe, ist auf die Hohentwiel Ruine zu spazieren. Das ist einfach was Besonderes, was ich früher nicht zu schätzen gewusst habe.