Gernot Ruppert ist 30 Jahre alt. Im besten Alter. Körperlich top fit. Der ehemalige Singer, der aktuell mit seiner Freundin in der Schweiz lebt, besuchte das Sportinternat in Freiburg. Er war semiprofessioneller Mountainbiker, läuft gerne, macht Krafttraining – und dann kam Corona und hat das Leben von Gernot Ruppert temporär auf den Kopf gestellt. Im November hatte er sich mit dem Coronavirus infiziert. Gemerkt hatte er damals fast gar nichts. Symptome? Fehlanzeige! „Damals musste man sich bei der Einreise nach Deutschland noch testen lassen und als da dann auf einmal stand, dass ich positiv bin, habe ich schon gestaunt“, sagt er. Einen Tag zuvor sei er noch im Wald beim Biken gewesen. „Ich habe mich nicht schlecht gefühlt, nur ein bisschen müde“, so Gernot Ruppert weiter.
Nachdem das positive Testergebnis vorlag, habe er sich gleich in 14-tägige Quarantäne begeben. Aber auch während dieser Zeit waren die Symptome überschaubar. Der Hals, die Nase und die Ohren hätten sich ein bisschen anders angefühlt, mehr aber nicht. „Ich habe in der ersten Woche auch ganz normal daheim Sport gemacht, aus dem Homeoffice gearbeitet. Warum auch nicht? Mir ging es gut“, betont der 30-Jährige. Doch die Situation verschärfte sich. Am zehnten Tag der Quarantäne fingen die Probleme an. Erst fiel ihm das Atmen schwer, dann kam Herzrasen dazu. Nach zwei Wochen sollte die Erlösung kommen. „Ich dachte, so jetzt habe ich es geschafft und Corona ist vorbei“, erinnert sich Gernot Ruppert. Doch Corona war nicht vorbei. Im Gegenteil: Die Probleme nahmen zu.
Die Nachwirkungen nehmen zu
Drei Wochen nach der Erkrankung an Corona verschlechtert sich der Zustand von Gernot Ruppert. Das Herzrasen blieb, wurde sogar noch schlimmer. Hinzu kam ein Druckgefühl auf der Brust, auch das Atmen fiel ihm bei Belastung schwer. An Sport ist überhaupt nicht mehr zu denken. „Ich hatte sogar schon Schwierigkeiten beim Treppensteigen“, sagt er. Mehrfach wurde er vom Arzt krankgeschrieben, damit sich sein Zustand verbessert. Hinzu kam die Müdigkeit. „Ich war einfach den ganzen Tag über immer so schlapp und ausgepowert“, so Gernot Ruppert weiter.
„Ich schlafe noch immer schlecht.“
Heute, fast drei Monate nach der Corona-Erkrankung, geht es Gernot Ruppert besser. Aber sein Alltag ist noch immer nicht wie vor Corona, wie er gegenüber dem SÜDKURIER deutlich macht. „Ich schlafe noch immer sehr eher schlecht, habe kaum eine Tiefschlafphase“, sagt er. Immerhin könne er sich nach längerer Pause wieder sportlich betätigen – aber auf dem Leistungsniveau vor der Erkrankung sei er noch lange nicht: „Ich bin noch nicht ganz bei 100 Prozent und werde noch immer sehr schnell müde.“ Er habe das Gefühl, deutlich mehr Ruhetage zum Regenerieren zu brauchen.

Doch getreu dem Oliver-Kahn-Motto „Immer weiter“, will auch Gernot Ruppert sich von Corona und den späten Nebenwirkungen der Erkrankung nicht unterkriegen lassen. Vielmehr will er mit seiner Geschichte andere Menschen sensibilisieren: „Das Corona-Virus ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, egal wie alt man ist oder wie fit man sich fühlt.“ Er wisse nun genau, was das Virus mit dem eigenen Körper mache. „Da geht ein ganzes Stück Lebensqualität flöten“, sagt er. Und auch mit Blick auf die anstehenden Impfungen hat der 30-Jährige ehemalige Singener eine eindeutige Meinung: „Ich werde mich auf jeden Fall impfen lassen.“ Denn noch einmal mit Corona kämpfen zu müssen – auch noch Wochen nach der Infektion – darauf könne er gerne verzichten. „Das ist keine normale Grippe, wie es immer so oft heißt, und auch keine normale Krankheit. Das Virus ist heimtückisch und wirklich gefährlich“, betont er.
Die Spätfolgen sind nicht abzuschätzen
Marc Kollum ist stellvertretender Ärztlicher Direktor des Hegau-Bodensee-Klinikum und Chefarzt am Standort Singen. Er weiß: Corona kann auch bei jungen Menschen einen schweren Verlauf haben.
Was macht Corona auch für jüngere Menschen so gefährlich?
Auch wenn es zwischen der Altersgruppen große Unterschiede in der Intensität der Erkrankung, dem Verlauf und der Mortalität gibt, erscheint der SARS-CoV-2 Virus auch für jüngere Menschen eine ernst zunehmende Erkrankung zu sein. Es kommt auch bei jüngeren Menschen zu einer Entzündungsreaktion der Gefäßwände, die die Bildung von Microthromben begünstigt. Diese scheinen auch das Ausmaß der späteren Beeinträchtigung zu bestimmen. Ob es darüber hinaus noch direkte Wirkungen der entzündlichen Gefäßen gibt, ist bislang unklar. Ebenfalls unklar sind Prädiktoren, die für einen schwerwiegenden Krankheitsverlauf verantwortlich sind. Wir wissen aber, dass es im Rahmen eines septischen Interleukin-Sturms zu einem Multiorganversagen kommt und die Patienten hieran versterben. Dies kann auch bei jüngeren Patienten auftreten.
Was gilt es während und nach einer Erkrankung zu beachten?
Auf diese Frage gibt es leider bislang noch keine guten Ratschläge. Man kann auch nicht zu einer generalisierten Blutverdünnung raten. Bei Patienten, die einer stationären Betreuung bedürfen, führen wir eine prophylaktische Blutverdünnung durch; bei Patienten auf der Intensivstation eine sogenannte Vollantikoagulation. Patienten in der häuslichen Quarantäne kann man vielleicht raten, auf eine ausreichende Trinkmenge zu achten und so gut es geht im häuslichen Umfeld Bewegungstraining zu unternehmen. Nach der durchgemachten Infektion sollte man langsam mit dem sportlichen Ausdauertraining beginnen; bei größeren Leistungseinschränkungen ist sicherlich auch an eine Reha-Maßnahme zu denken.
Welche Spätfolgen können nach einer Erkrankung auftreten?
Die Spätfolgen einer SARS-CoV-2 Infektion sind aktuell noch nicht abzuschätzen. Hierzu gibt es aktuell keine Daten. Verschiedenen Punkte sind vorstellbar (Herzinfarkte, Herzmuskelerkrankungen, Herzrhythmusstörungen, Schlaganfälle, Gefäßwandeinrisse der großen Gefäße). Dies ist allerdings hypothetisch und muss erst bewiesen werden. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben wir eine Studie initiiert, in der positive Patienten mit Kontrollprobanden für fünf Jahre beobachtet werden. Alle schwerwiegenden Ereignisse sollen erfasst und kontrolliert ausgewertet werden. Parallel dazu erfragen wir die Lebensqualität und Parameter die eine Herzschwäche nahelegen. Die Auswertungen sollen auf jährlicher Basis erfolgen.