Vor drei Jahren gab es die Idee, eine Hochschule mit der Stadt Singen zu verzahnen, um die Singener Betriebe mit gut ausgebildeten Nachwuchskräften an dem Standort zu sichern. Dazu hatte es 2021 Gespräche mit der Präsidentin der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz (HTWG), Sabine Rein, und Vizepräsident Gunnar Schubert, Oberbürgermeister Bernd Häuser, den Verantwortlichen von Singen aktiv sowie den Geschäftsführern von Wefa und Fondium gegeben. Das Ergebnis: Der Aufbau eines Reallabors in Singen. Nun hat der Gemeinderat über die Fortführung des Projektes für weitere zwei Jahre entschieden.
Schon im Verwaltungs- und Finanzausschuss hatten die Gemeinderäte über das Projekt beraten. Wilfried Trah und Claudia Kessler-Franzen von Singen aktiv hatten das Projekt skizziert und den aktuellen Stand aufgezeigt. Im Januar 2022 hatte der Gemeinderat schon zugestimmt, die Stelle des Transfermanagers im Aufbau eines Reallabors zu genehmigen. Seit 15. Juli 2022 ist diese Stelle mit Stefan Stieglat besetzt. Doch was versteht man unter dem Reallabor?
Singen auf dem Weg zur Klimaneutralität
„Die Fragen der Zukunft werden immer komplexer. Es soll eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Gesellschaft stattfinden, um tragfähige Lösungen zu finden“, erklärte Trah. Für diese Kooperation zwischen Wissenschaft und städtischen sowie industriellen Beteiligten stehe der Begriff Reallabor. Die gemeinsame Aufgabe: die Herausforderungen von Klimaneutralität, Mobilität und Digitalisierung anzugehen. „Wir wollen die nachhaltige Transformation der Industrieregion durch innovative Technologien und Geschäftsmodelle vorantreiben. Da sind wir jetzt schon gut dabei“, sagte Trah.
Für das Reallabor sei eine Steuerungsgruppe samt strategischer Leitung eingerichtet worden. Die Leitung treffe sich ein- bis zweimal im Jahr und setze sich zusammen aus dem OB, der Präsidentin der HTWG, Sabine Rein, sowie Joachim Maier (Wefa) und Achim Schneider (Fondium). Die Steuerungsgruppe treffe sich laut Trah sechs- bis achtmal im Jahr. Die Mitglieder sind Wilfried Trah und Claudia Kessler-Franzen, Gunnar Schubert (HTWG), Transfermanager Stefan Stieglat und Klimaschutzmanagerin Johanna Volz.
Netzwerken ist wichtig
Wie Claudia Kessler-Franzen erklärte, sei den Verantwortlichen das Thema Netzwerk von Anfang an wichtig gewesen. „Wir wollten den Kontakt zur HTWG vertiefen und die Hochschule näher im Bewusstsein nach Singen holen. Das ist uns durch viele Gespräche gelungen.“ Für dieses Ziel seien Kessler-Franzen, Wilfried Trah, Johanna Volz und Stefan Stieglat in den Betrieben unterwegs gewesen, um das Reallabor vorzustellen und einzuführen. „Dadurch ist das Reallabor entsprechend bekannt und wird auch wahrgenommen“, sagte die Singen aktiv-Chefin. Dazu hätten auch Netzwerkveranstaltungen in unterschiedlichen Formaten beigetragen. „Damit wollen wir den Experten von der Hochschule und aus Singen den Austausch ermöglichen.“
Aktuell laufe eine Befragung, die die Klimaschutzmanagerin und der Transfermanager in den Betrieben zu den Themen Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung umgesetzt haben. „Daraus sind viele Dinge herausgearbeitet worden, die sich später auch in der strategischen Fortführung widerspiegeln werden“, so Kessler-Franzen.
Dass das Projekt Anklang findet, zeigen auch die Förderungen, die genehmigt wurden. Zwei Fördermaßnahmen betreffen zwei Projekte der HTWG mit den Unternehmen Fondium und Wefa, die jeweils durch die Carl-Zeiss-Stiftung und das zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt werden. Ein Förderprojekt, das laut Kessler-Franzen gerade umgesetzt wird, ist ein Projekt zwischen HTWG und der Stadt, der „Stifterverband Transformationslabor Hochschule“. Hier gibt es ein Fördervolumen von 1,1 Millionen Euro.
Ein Antrag zur „Digitalisierung für die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in der Bodenseeregion“ laufe derzeit noch. Frisch gestellt, nämlich Anfang April, wurde ein Förderantrag mit dem sperrigen Titel „Konzeption für eine lokale Wasserstoffwertschöpfung zur Transformation und Sicherung des Standortes Grüne Industriestadt Singen“ von der Stadt gemeinsam mit der HTWG.
Fachkräfte sollen gesichert werden
Ein wichtiges Ziel, das in den nächsten beiden Jahren mit dem Reallabor verfolgt werden soll, ist laut Kessler-Franzen die Sicherung von Fachkräften. Das geschehe bereits, indem Projekt-, Bachelor- und Masterarbeiten vergeben werden. „Die Verzahnung von Wissenschaft und Industrie führt schon dazu, dass Studentengruppen in die Betriebe hineingehen. Außerdem gibt es Gastvorträge durch Singener Unternehmensvertreter an der HTWG“, so ihr Fazit.
Laut Wilfried Trah soll dabei auch der Wissenstransfer zwischen HTWG und den Singener Betrieben fortgeführt werden. Das heißt: Unternehmen sollen weiter gezielt mit Wissenschaftlern der HTWG zusammengebracht werden. „Transfermanagement ist eine dauerhafte Aufgabe und Netzwerkarbeit. Darauf aufbauend können immer themenfokussierte Projekte aufgesetzt werden“, so Trah. Hierfür sollen in Zukunft weitere Unternehmen gewonnen werden. „Wir brauchen die Betriebe für die Transformation der Industrieregion Singen, um eine entsprechende Expertise zu haben und die Transformation umzusetzen“.
Von den Fraktionen gab es für das Projekt Lob und Anerkennung. So machte Stadtrat Franz Hirschle (CDU) deutlich, dass das Projekt weiter verfolgt werden müsse: „Singen hat nicht nur Industrie, Singen ist Industrie.“ Kirsten Bröske (FDP) lobte die Arbeit von Trah und Kessler-Franzen. „Wie Sie die Kooperation mit der HTWG hinbekommen haben, ist großartig“, sagte sie. Walafried Schrott (SPD) bezeichnet die Zusammenarbeit als „Beginn einer langen Freundschaft“.
Hubertus Both (FW) findet es wichtig, dass durch die Vergabe von Projekt- oder Abschlussarbeiten Nachwuchs gewonnen werden könne. Für Eberhard Röhm (Grüne) ist es ein Gewinn auf beiden Seiten und er ist überzeugt, dass das Reallabor in Zukunft zum Selbstläufer werde. Der Ausschuss hat dem Gemeinderat die Finanzierung wissenschaftlicher Stellen der HTWG für weitere zwei Jahre zum Aufbau eines Reallabors einstimmig empfohlen. Der Gemeinderat ist der Empfehlung gefolgt.